Der NRW-Landesparteitag in Siegen wählt eine neue Spitze

Helferich ist als AfD-Landesvize verschwunden – als Parteirichter taucht er aber wieder auf

Matthias Helferich läuft sich - nach dem „Vorgeplänkel“ als Sachkundiger Bürger und Bundestagskandidat - perspektivisch als neuer AfD-Frontmann im Rat warn.
Matthias Helferich verzichtete auf eine erneute Kandidatur als Landesvize. Aber das „freundliche Gesicht des NS“ beziehungsweise der „demokratische Freisler“ – obwohl er derzeit vor dem parteiinternen Schiedsgericht steht – wurde als Parteirichter gewählt. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Von Rainer Roeser

Im Bundestag hat er einen Einzelplatz zugewiesen bekommen, weil er nicht Mitglied der AfD-Fraktion ist – ganz hinten im Saal, nur noch die Wand im Rücken. In NRW ist ihm nun seine wichtigste Machtbasis abhanden gekommen: Dem AfD-Landesvorstand, der am Samstag in Siegen neu gewählt wurde, wird der Dortmunder Matthias Helferich, zuletzt immerhin stellvertretender Vorsitzender, künftig nicht mehr angehören. Es wirkt wie das – zumindest vorläufige – Ende einer Parteikarriere.

Der Dortmunder Bundestagsabgeordnete hat jede Menge Gegner in der Partei

Dass er am Wochenende in Siegen bei der Neuwahl der Landesspitze nicht wieder antreten würde, versuchte Helferich als seine ganz eigene Entscheidung darzustellen. Er wolle „nach vier Jahren im Landesvorstand Platz machen für neue Ideen und Denkansätze“, teilte er Anhängern und Gegnern in und außerhalb seiner Partei in der vorigen Woche auf Facebook mit. Man muss diese Freiwilligkeit des Rückzugs nicht für bare Münze nehmen. Tatsächlich hat Helferich nicht wenige Gegner in der AfD. 

Die AfD-NRW hat ihren Landesvorstand neu gewählt. Lucassen und Helferich traten nicht an.
Die AfD-NRW hat ihren Landesvorstand neu gewählt. Lucassen und Helferich traten nach viel Gegenwind nicht mehr an. Visualisierung: AfD NRW via Facebook

In den Augen jener, die sich „gemäßigt“ nennen, folgt er zu sehr den Losungen der Neuen Rechten. Für die anderen, die einst unter dem Label des „Flügels“ marschierten, gilt er als Verräter, weil er half, ihre Gruppe bei der Vergabe von Posten in NRW auszubooten. Und nicht wenige sind sauer über die Schlagzeilen, die Helferich unfreiwillig machte, als frühere Chat-Äußerungen bekannt wurden.

Dass sich da einer als das „freundliche Gesicht des NS“ bezeichnete, dass einer den „demokratischen Freisler“ geben wollte: Seine Chancen auf eine Wiederwahl förderte so etwas nicht, so oft er auch beteuerte, das alles bloß „ironisch“ gemeint zu haben.

Vollends geschwunden waren diese Chancen, als Ende Januar auch sein größter Förderer, der AfD-Landesvorsitzende Rüdiger Lucassen, offiziell ankündigte, nicht wieder antreten zu wollen. Seiner Fürsprache hatte sich Helferich – egal ob in Berlin oder Düsseldorf – stets gewiss sein können.

Doch der selbst parteiintern umstrittene Ex-Oberst Lucassen (70) räumte das Feld und sprach von einem „erforderlichen Generationenwechsel“. Er ahnte wohl, dass er gegen den wesentlich eloquenter daherkommenden Landtagsabgeordneten Martin Vincentz (35) keine Chance haben würde.

Misserfolge der AfD bei Kommunal- und Bundestagswahlen

Zumal ja auch die nackten Zahlen nicht für das Führungsduo Lucassen/Helferich sprachen. Dem alten Landesvorstand sei es gelungen, „die Kommunal- und Bundestagswahl erfolgreich durchzuführen“, meinte Helferich noch in seinem Rückzugsschreiben. Doch am „Erfolg“ gab es Zweifel.

Zweistellig hatte die AfD bei der Kommunalwahl im September 2020 abschneiden wollen, aber es kamen am Ende nur etwas mehr als fünf Prozent heraus. Bei der Bundestagswahl im vorigen Jahr landete die Partei in NRW bei 7,3 Prozent, 2,2 Prozentpunkte weniger als 2017 und drei Prozentpunkte unter dem Bundesergebnis. Rund 717.500 Menschen wählten die AfD, vier Jahre zuvor waren es noch 928.400 gewesen.

Hans-Rüdiger Lucassen ist nicht mehr als AfD-Landesvorsitzender für Nordrhein-Westfalen angetreten.
Hans-Rüdiger Lucassen ist nicht mehr als NRW-Landesvorsitzender der AfD angetreten. Foto: Achim Melde für den Deutschen Bundestag

Statt regional echte Erfolge vorweisen zu können, trugen Lucassen/Helferich weiter zu internem Streit bei. Zwei stellvertretende Landesvorsitzende warfen hin; einer von ihnen trat gleich ganz aus der Partei aus. Eine Beisitzerin im Vorstand zog sich zurück. Und auch zum Abstieg und schließlich dem Abgang von Bundessprecher Jörg Meuthen trugen der Dortmunder Bundestagsabgeordnete und die nach ihm benannte „Causa Helferich“ bei.

Erst mochte der Bundesvorstand Meuthens Forderung nicht folgen, gegen Helferich wegen seiner Chat-Beiträge ein Ausschlussverfahren zu starten. Dann – so erzählte es Meuthen in Interviews nach seinem eigenen Austritt – habe es im zuständigen Landesschiedsgericht geheißen, die gegen Helferich statt des Rauswurfs beantragte Ämtersperre werde vielleicht nicht benötigt, eine Abmahnung reiche.

Schiedsgerichtsverfahren: „Keine Verschleppung, keine Vertuschung“ 

Abgeschlossen ist das Verfahren noch nicht. „Bisher hat das Schiedsgericht in Nordrhein-Westfalen noch kein Urteil gefällt“, erklärte Helferich auf Anfrage. Ihm scheine Meuthens Argumentation „vorgeschoben“. In einer siebenstündigen Sitzung habe das Landesschiedsgericht mündlich verhandelt. Aktuell würden noch weitere Schriftsätze ausgetauscht. „Es kann daher weder von Verschleppung, noch von Vertuschung die Rede sein.“ 

Notiz am Rande: Der Siegener Parteitag bestimmte am Sonntag neue Mitglieder des Landesschiedsgerichts. Bei der Wahl des sechsten Richters votierten 52,23 Prozent der Delegierten für Helferich. Zwar wird er naturgemäß nicht in eigener Sache mitentscheiden können – aber es ist ein Signal: Es ist nicht unbedingt so, dass die AfD Leute, die sich als „das freundliche Gesicht des NS“ bezeichnen oder einen „demokratischen Freisler“ geben wollen, ins „Bergfreie“ fallen lässt.

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