Bei einer Bürgerinfoveranstaltung über die Einrichtung einer Notunterkunft für Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge im Stadtteil Eving kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen der Polizei und etwa 25 Personen der rechten lokalen Szene. Ein Polizist wurde dabei von einem Neonazi mit einer zerbrochenen Bierflasche im Gesicht schwer verletzt.
Großes Bürgerinteresse – zwei rechtsextreme Störer erhielten Hausverbot
In der evangelischen Segenskirche in Eving waren fast 300 Bürgerinnen und Bürger zusammengekommen, um mehr über die Planungen der Stadt Dortmund für eine weitere Notunterkunft für Flüchtlinge und Asylbewerber in ihrem Stadtbezirk zu erfahren. Aus Platzgründen konnten nicht alle Interessierten eingelassen werden, so dass es noch eine weitere Veranstaltung geben soll.
Die Stadt Dortmund ist seit geraumer Zeit dabei, ihre Kapazitäten für Flüchtlingsunterkünfte entsprechend der zunehmenden Landeszuweisungen zu erweitern, da die zentrale Unterkunft in Lütgendortmund bei weitem nicht ausreicht. Die Stadt setzt dabei vor allem auf die dezentrale Unterbringung in regulären Wohnungen. Doch bis diese zur Verfügung stehen, braucht es weitere Notunterkünfte.
Im Stadtteil Eving wird daher gerade die ehemalige Hauptschule an der Ostfeldstraße für bis zu 180 Flüchtlinge hergerichtet. Noch in diesem Monat sollen die ersten Bewohner kommen. Die Gespräche mit dem möglichen Betreiber laufen.
Im Verlauf der öffentlichen Infoveranstaltung kam es durch bekannte Rechtsextreme zu Störungen und Zwischenrufen. Daher machte Sozialdezernentin Birgit Zoerner gleich zu Beginn vom Hausrecht Gebrauch und verwies zwei Störer des Saals.
Polizeibeamter verletzt – Spontandemo der Rechten gegen „Polizeiwillkür“
Draußen eskalierte dann die Situation bei der Personalienfeststellung der Störer: Einer der Neonazis schlug dabei einen Polizeibeamten mit einer zerbrochenen Bierflasche ins Gesicht und verletzte ihn schwer.
Mehrere Beamte waren nötig, den Angreifer zu überwältigen und festzunehmen.
Gegen ihn gab es eine Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und Widerstand gegen Polizeibeamte. Der verletzte Beamte wurde vom Rettungsdienst versorgt und anschließend zur weiteren Behandlung in die Klinik gefahren.
Die etwa 10 bis 15 Neonazis, die sich vor der Segenskirche befanden, erhielten Platzverweise. Daraufhin meldeten sie eine Spontankundgebung gegen „Polizeiwillkür“ an. Bürger und Antifaschisten legten lautstarken Protest ein. Der Polizei gelang es – auch durch den Einsatz von Hunden – die Neonazis und die Gegendemonstranten voneinander zu trennen.
„Viele Bürger haben mehr Angst vor den Neonazis als vor Flüchtlingen“
Allerdings waren auch zahlreiche Neonazis im Saal, die während der Veranstaltung selbst mit Fragen und Kommentaren Stimmung gegen Flüchtlinge und Asylbewerber machten. Es gab viele kritische Fragen und Stimmen. Negative Äußerungen waren deutlich zahlreicher zu hören als bei früheren Veranstaltungen. Offenbar schwiegen viele menschlich und solidarisch denkende Menschen – wohl auch wegen der Neonazis und ihrer Stimmungsmache.
„Ich fand es erschreckend, wie viele Ewiggestrige dabei waren“, kommentierte Bezirksbürgermeister Oliver Stens (SPD), der gemeinsam mit seiner Stellvertreterin Petra Frommeyer (CDU) im Namen der Stadt zur Infoveranstaltung eingeladen hatte.
Es war die sechste Veranstaltung dieser Art – allerdings die erste, in der es zu solchen Auseinandersetzungen kam. „Ich hatte den Eindruck, dass viele Bürgerinnen und Bürger Angst hatten, ihre Meinung zu sagen“, so Stens. Denn solidarische Äußerungen und Hilfsangebote für Flüchtlinge wurden teilweise negativ kommentiert.
„Viele Bürger haben mehr Angst vor den Neonazis als vor Flüchtlingen“, bewertete ein Augenzeuge, der nicht genannt werden möchte, die Stimmung im Saal.
Polizei: „Sie versuchen ein Klima der Angst und der Einschüchterung zu verbreiten“
Dies registrierte auch die Polizei: „Wir nehmen – wie auch große Teile der Bevölkerung – die große Aggressivität der Neonazis wahr. „Sie versuchen ein Klima der Angst und der Einschüchterung zu verbreiten“, bestätigte Polizeisprecher Oliver Peiler.
„Ein Grund mag auch darin liegen, dass sich die Rechtsextremen seit langem einem intensiven Repressionsdruck der Dortmunder Polizei ausgesetzt sehen.“
Rund ein halbes Dutzend Kundgebungen hatten die Neonazis seit dem 21. Dezember im Dortmund abgehalten – einen großen Teil gegen vermeintliche Polizeiwillkür. Davon will sich die Polizei nicht einschüchtern lassen und weiterhin alle gesetzlich zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen.
Stadt denkt über Zugangsbeschränkungen nach
Die Stadt will auch weiterhin Bürgerinformationsveranstaltungen anbieten und die berechtigten Fragen der Bürgerinnen und Bürger beantworten“, berichtete Stadt-Sprecherin Anke Widow auf Nachfrage. „Aber es muss möglich sein, angstfrei zu fragen.“
Daher wolle man „im Lichte der jüngsten Ereignisse“ prüfen, was die Stadt verändern könne und müsse. So wird erneut die Frage aufgeworfen werden, ob nicht generell Mitglieder ausländerfeindlicher und rechtsextremistischer Organisationen von den Veranstaltungen ausgeschlossen werden. Bei der ersten Veranstaltung zur Notunterkunft in der Adlerstraße hatte man dies getan, dann aber bei den folgenden Veranstaltungen darauf verzichtet.
Scharfe Kritik der Grünen: „Mit Nazis diskutiert man nicht!“
„Die Informationsveranstaltungen der Verwaltung zu den geplanten Unterkünften für Flüchtlinge sind richtig und gut. Die BürgerInnen wollen sachlich darüber informiert werden, was in ihrer Nachbarschaft passiert. Und viele wollen helfen und bieten ihre Unterstützung an“, betont Ingrid Reuter, Fraktionssprecherin der Grünen im Rat.
„Es ist aber unerträglich, dass die Dortmunder Nazis diese Veranstaltungen für ihre Propaganda missbrauchen können, dabei BürgerInnen einschüchtern und sogar Polizisten verletzen.“ Die Grünen-Politikerin spricht sich klar dafür aus, künftig Neonazis den Zutritt zu verweigern.
„Mit Nazis diskutiert man nicht. Denn darum geht es ihnen auch gar nicht. Es geht ihnen um Provokation und Einschüchterung.“ Das werde ganz offensichtlich, wenn Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung von ihnen fotografiert und gefilmt würden. „Es darf aber nicht sein, dass BürgerInnen von Nazis eingeschüchtert und davon abgehalten werden, ihr Recht auf Information in Anspruch zu nehmen.“
„Wir erwarten deshalb, dass bei den nächsten Informationsveranstaltungen zu Flüchtlingsunterkünften rechtzeitig dafür gesorgt wird, dass die Veranstaltungen nicht von Nazis missbraucht werden können. Zusätzlich werden wir die Ereignisse in Eving im nächsten Polizeibeirat thematisieren.“
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Reader Comments
Nordstadtblogger-Redaktion
LIebe KommentarschreiberInnen,
wir freuen uns über Rückmeldungen – auch zu diesem Thema. Allerdings finden sich neben vielleicht berechtigter Kritik auch jede Menge falsche Tatsachenbehauptungen in den Beiträgen. Würden wir diese korrigieren oder Passagen einfach nur streichen, würde der Sinn der Beiträge verfälscht. Daher haben wir uns entschlossen, diese auch nicht zu veröffentlichen.
Dennoch einige Anmerkungen:
1. Ja, es gab viele kritische Anmerkungen in Eving – und nicht nur von Neonazis. Das stimmt und steht so auch im Text. Allerdings wird von Teilnehmern auch bestätigt, dass sich diese vielen kritischen Äußerungen vor allem wegen des Klimas der Einschüchterung (oder der Atmosphäre der Möglichkeiten) ergeben haben. Außerdem sind solche Veranstaltungen ja auch dazu da, Ängste und Sorgen zu formulieren und entsprechende Fragen zu stellen. Sonst bräuchte es ja solche Veranstaltungen nicht. Wir könnten natürlich daraus schließen, dass die Mehrheit der Evinger gegen Aylbewerber und Flüchtlinge ist. Das würde die Neonazis freuen und bestärken – damit täten wir aber dem Stadtbezirk aber Unrecht. Natürlich ist diese „Zensur der Lügenpresse“ wieder Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten und Pegidas. Aber an Fakten sind diese Menschen ja sehr häufig nicht interessiert. Oft geht es um dumpfe Bauchgefühle und diffuse Ängste. Es ist ja bezeichnend, dass diese Demonstrationen da am größten sind, wo es kaum Ausländer und noch viel weniger Muslime gibt.
2. Zu behaupten, dass es aber nur Kritik an den Moderatoren gab und die politisch Verantwortlichen sehr „dünnhäutig“ reagiert hätten, ist allerdings falsch. Vielleicht waren die Äußerungen in der voll besetzten Kirche nicht an jedem Platz zu hören – das wollen manchem Kommentarschreiber zu Gute halten. Aber wer die Sozialdezernentin als „Judenhure“ beschimpft, hat den Rauswurf mehr als verdient. (Wir hatten diese Äußerung bisher bewusst nicht berichtet, nehmen dies aber nun zum Anlass, die Begründung für die Hausverbote zu untermauern).
3. Auch die Kritik, dass die Stadt die Bürgerinnen und Bürger nicht informiert und bei der Entscheidung beteiligt hat, trifft so nicht. Ja, es werden Fakten geschaffen. Für einen Beteiligungsprozess fehlt die Zeit. Die Menschen brauchen schließlich jetzt ein Dach über dem Kopf. Zudem geht es um eine Notunterkunft, die temporär bleiben sollen. Die Unterbringung in Wohnungen bleibt das vorrangige und richtige Ziel. Allerdings gibt es sehr zeitnah viele Informationen. Diese Bürgerinformationsveranstaltungen müsste es nicht geben. Die Stadt setzt aber darauf, den Dialog zu suchen. Dass dies nun von einer rechtsextremen Splitterpartei missbraucht wird, ist bedauerlich.
4. Abgesehen davon: Sie erwarten doch nicht etwa wirklich eine Diskussion daraüber, ob man in seinem Ortsteil eine Notunterkunft möchte? Dann gehören Sie wahrscheinlich auch zu den Leuten, die darüber abstimmen möchten, ob wir Steuerzahlen abschaffen wollen. Die Antworten und das Abstimmungsverhalten wären doch klar. Doch die Stadt muss handeln. Sie bekommt die Flüchtlinge vom Land zugewiesen und muss sie menschenwürdig unterbringen.
5. Außerdem ist es richtig, dass ein so reiches Land wie Deutschland seinen Teil beisteuert. Wir können es nicht nur den direkten Nachbarländern der Konfliktstaaten überlassen. In Ländern wie dem Libanon und Jordanien ist das Boot wirklich voll. Selbst in den 90ern, als das Asylrecht in Deutschland massiv beschnitten wurde, war das Boot nicht voll. Und selbst von den Zahlen vor 20 Jahren sind wir noch weit entfernt.
——- jetzt wird es polemisch und gar nicht nicht mehr journalistisch ———
6. Und jetzt noch etwas Polemik und Sarkasmus von unserer Seite: Das Argument, dass die Flüchtlinge und EU-Neuzuwanderer „uns“ (wer immer damit gemeint ist) die Arbeitsplätze wegnehmen, ist doch kaum ernst zu nehmen. Wenn Menschen ohne Deutsch-Kenntnisse, ohne Kontakte und Kenntnisse und teilweise sogar ohne Schul- und Berufsabschluss mir den Arbeitsplatz wegnehmen könn(t)en, sollte ich mich über meine eigenen Qualifikationen aufregen – nicht über Menschen, die ihr Leben trotz Flucht und Vertreibung gebacken bekommen. Die am lautesten darüber klagen, haben seit Jahren keine Arbeit – ganz ohne Zutun von Flüchtlingen und Muslimen. Die Adressaten der Kritik wären dann wohl eher die Globalisierung und der Kapitalismus. Aber dann wären nicht die Pegida die richtige Protestbewegung, sondern Attac und Occupy….
philter
sehr schön und richtig eingeordnet! GROßES LOB an die nordstadtblogger!
Max Schulz für die Jusos
Informationsveranstaltungen zu Flüchtlingsheimen nur für Anwohner*innen
Die Jusos Dortmund fordern, dass in Zukunft bei Informationsveranstaltungen bezüglich der Einrichtung von Flüchtlingsheimen lediglich Anwohner*innen des betreffenden Flüchtlingsheimes Zugang zu den Veranstaltungen haben.
„Es kann nicht sein, dass interessierte Anwohner*innen aufgrund von begrenzten Kapazitäten nicht teilnehmen können, während einige teilweise aus anderen Stadtbezirken anreisen, um die Infoveranstaltungen für ihre eigenen Interessen zu missbrauchen und Vorurteile in Bezug auf die Flüchtlinge schüren“, so Maximilian Schulz, der Vorsitzende der Dortmunder Jusos.
Die Umsetzung dieser Forderung kann zum Beispiel durch Ausweiskontrollen vor Ort geschehen.