Läuft die Videoüberwachung entlang der Münsterstraße auch nach 24 Uhr? – Die Polizei Dortmund dementiert das

Die Überwachungskameras im Bereich der Münsterstraße sollen außerhalb der Zeiten in denen sie Aufzeichnen mit einem davorgeklappten Blech abgedeckt werden. Als wir uns die Situation anschauten waren die Kameras um 1 Uhr nicht abgedeckt. Einzig die Kamera über dem Ladenlokal Radsport Noll war in der Nacht zum 09.06. abgedeckt. Trotzdem soll laut Polizeiangaben keine der Kameras nach Mitternacht aufzeichnen. Fotos: Alix von Schirp
Die Überwachungskameras sollen außerhalb der Aufnahme-Zeiten  mit einem davor geklappten Blech abgedeckt werden. Beim Testrundgang  war einzig die Kamera über Radsport Noll in der Nacht zum 09.06. abgedeckt. Trotzdem soll laut Polizei keine der Kameras nach Mitternacht aufzeichnen. Fotos: Alix von Schirp

Die erste Kamera in der Münsterstraße hängt - 17 weitere werden noch dieses Jahr folgen. Foto: Alex Völkel
So sollten die Kameras abgedeckt sein. Foto: Alex Völkel

Von Alix von Schirp

Seit dem 31. Mai 2021 wird das Münsterstraßenviertel mit 18 Kameras von der Polizei Dortmund videoüberwacht. Seit dem 7. Juni steht auch eine mobile Videoüberwachungsanlage auf dem Mehmet-Kubaşık-Platz.

Die Videobeobachtung findet laut Angaben der Polizei nur von Montag bis Samstag zwischen 16 und 24 Uhr statt. Außerdem werden die Kameras während Versammlungen und Demonstrationen abgeschaltet. Die Abschaltung wird durch eine grüne Abdeckung vor der Kamera gekennzeichnet.

An fast allen Kameras fehlten bei einer nächtlichen Überprüfung die Abdeckungen

Mittlerweile wurde auch eine mobile Videoüberwachungsanlage auf dem Mehmet-Kubaşık-Platz aufgestellt. Foto: David Peters
Eine mobile Videoüberwachungsanlage wurde auf dem Mehmet-Kubaşık-Platz aufgestellt. Foto: David Peters

Am 4. Juni berichtete das Bündnis gegen die Kameraüberwachung der Münsterstraße („NoCamDo“), dass die Kameras ganztägig eingeschaltet seien. (siehe unten) Als sich Reporter der Nordstadtblogger am 9. Juni ein Bild der Situation verschafften, fiel ihnen auf, dass gegen 1 Uhr nachts – mit Ausnahme eines Exemplars – keine der Kameras abgedeckt war.

Auf Anfrage dieser Redaktion erklärte Polizeipressesprecherin Nina Kupferschmidt, dass es noch technische Anlaufschwierigkeiten bei den Kameras mit einer Abdeckung gebe. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Kameras nach Mitternacht noch aufzeichnen. Sie seien so programmiert, dass sie außerhalb der festgelegten und kommunizierten Zeiten deaktiviert seien.

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  1. Erfolgreiche Videobeobachtung im Bereich Mehmet-Kubasik-Platz: Polizeipräsident lässt mobilen Videocontainer abbauen (PM POL-DO)

    Die Straftaten im Bereich des Mehmet-Kubasik-Platzes sind seit Beginn der Videobeobachtung im Juni 2021 stark gefallen. Die Kameras sind aus diesem Grund bereits abgeschaltet. Der mobile Beobachtungscontainer wird diese Woche abgebaut. Ein Verdrängungseffekt ist aktuell nicht erkennbar.

    Seit Beginn der Videobeoachtung am 18.Juni sind die Straftaten im Bereich des Mehmet-Kubasik-Platzes deutlich zurückgegangen. Waren im ersten Halbjahr 45 Delikte in diesem Bereich zu beklagen, so sind im Zeitraum von Mitte Juni bis August nur 11 Straftaten zu verzeichnen. Dies ist insbesondere für den Sommer ein bezeichnender Rückgang, da Straßenkriminalität naturgemäß ihren Höhepunkt in den warmen Monaten hat. Aufgrund dieser positiven Entwicklung ist die rechtliche Grundlage für die Videobeobachtung im Bereich des Mehmet-Kubasik-Platzes weggefallen. Die Kameras wurden Anfang Oktober abgeschaltet. Der Videocontainer wird am heutigen Tag abgebaut. Aktuell liegen zudem keine Erkenntnisse vor, dass sich im angrenzenden Bereich ein neuer Kriminalitätsbrennpunkt gebildet hat.

    „Der Rückgang der Zahlen zeigt, wie wirksam Videobeobachtung als Baustein einer modernen Kriminalitätsbekämpfung sein kann. Der Druck, den wir damit auf Straftäter aufbauen, hilft insbesondere den Anwohnerinnen und Anwohnern. Natürlich bleibt die Videobeobachtung aber auch eine grundrechtseingreifende Maßnahme, die fortlaufend auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft wird. Aufgrund der positiven Entwicklung habe ich deshalb angeordnet, die Videobeobachtung auf dem Mehmet-Kubasik-Platz mit sofortiger Wirkung einzustellen. Wir sind unserem behördenstrategischen Ziel, Sicher leben in der Nordstadt, wieder ein Stück näher gekommen“, erklärt Polizeipräsident Gregor Lange.

    Die Polizei Dortmund wird die Entwicklung auf dem Mehmet-Kubasik-Platz genau beobachten. Eine spätere Wiedereinführung der Videoüberwachung bei steigenden Fallzahlen ist nicht auszuschließen.

    Die fest installierte Videobeobachtung in der Brückstraße und in der Münsterstraße ist von der Abschaltung nicht betroffen. Bei dem Videocontainer auf dem Mehmet-Kubasik-Platz handelt es sich um einen mobilen Container für zeitlich begrenzte Videobeobachtung. Die mobile Komponente sowie die fest installierten Kameras sind Teil des Sicherheitskonzepts in der Dortmunder Nordstadt. Zusammen mit der Ermittlungskommission Nordstadt und dem Präsenzkonzept sind es zahlreiche Maßnahmen der Polizei Dortmund, die im Zuständigkeitsbereich der Wache Nord ineinander greifen. Der Trend der sinkenden Fallzahlen in den letzten Jahren bestätigt das polizeiliche Konzept.

  2. #NOCAMDO zum Abbau des Überwachungscontainers auf dem Mehmet-Kubaşık-Platz und der Doku „Eine Straße voller Kameras“ (PM)

    Am 11.10.2021 wurde der Überwachungscontainer abgebaut, der seit dem 15.
    Juni den Mehmet-Kubaşık-Platz dominiert. Die Initiative gegen die
    Kameraüberwachung NOCAMDO begrüßt diesen Schritt und hofft, dass auch
    die Kameras in der Münsterstraße zügig abgeschaltet und abgebaut werden.

    Während die Polizei die Maßnahme als Erfolg wertet, sieht sich die
    Initiative in ihrer Kritik bestärkt: Der Einsatz ist unverhältnismäßig
    und richtet sich gegen die Bewohner*innen der Nordstadt. Statt Probleme
    im Stadtteil wirklich anzugehen, soll Kleinkriminalität durch den
    Technikeinsatz nur verdrängt werden.

    Die vergangenen Monate haben auch gezeigt, dass das Transparenzkonzept
    der Polizei nicht aufgeht und vermeintlich „technische Probleme“, wie
    die Nichteinhaltung der Überwachungszeiten, daran zweifeln lassen, dass
    ein rechtskonformer Einsatz der Kameras überhaupt möglich ist. Diese
    Einschätzung wird auch durch eine nun veröffentlichte WDR Doku
    bestätigt.

    ## Wenn die Polizei ihre eigenen Statistiken ernst nimmt, sollten auch
    die Kameras in der Münster- und Brückstraße abgehängt werden ##

    Die Initiative NOCAMDO hat grundsätzliche Zweifel an den Statistiken der
    Polizei, die bisher ohne wissenschaftliche Begleitung entstehen. So
    liegt kein Nachweis vor, ob die Kameras oder aber die
    Coronaschutzmaßnahmen den Grund für den vermeintlichen Rückgang von
    Delikten sind. Aber auch unabhängig von den konkreten Zahlen ist die
    Argumentationslogik der Polizei widersprüchlich. Auf der einen Seite
    werden „gesunkene Fallzahlen“ und das Argument der Verhältnismäßigkeit
    als Begründung für den Abbau des Überwachungscontainers angeführt. Auf
    der anderen Seite gilt dies nicht für die Videoüberwachung auf der
    Brückstraßesowie der Münsterstraße für festinstallierte Kameras –
    insbesondere für die Brückstraße ist der Rückgang der Zahlen seit Jahren
    von der Polizei selbst ermittelt worden. Hier zeigt sich, dass nicht
    rechtliche Argumente, sondern scheinbar Kostengesichtspunkte bei der
    Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines massiven Eingriffs in die
    Grundrechte Vorrang haben.

    Die Ankündigung der Polizei bei „steigenden Fallzahlen“ eine
    „Wiedereinführung der Videoüberwachung“ vorzunehmen, zeigt, dass neben
    der fehlenden wissenschaftlichen Evaluation auch durch Ad-Hoc
    Überwachungsmaßnahmen gerichtliche Überprüfungen sowie ggf. richterliche
    Einschränkungen der Überwachungsmaßnahmen erschwert werden, da die
    Maßnahmen ohne Ankündigungen durchgeführt werden.

    Nichtsdestotrotz bewertet die Initiative den Abbau der Kameras positiv.
    „Wir erwarten nun, dass die Polizei bei ihrer ersten Evaluation der
    Daten aus der Münsterstraße zu dem selben Ergebnis kommt und
    konsequenterweise auch dort die Kameras abbaut“, so Artuhr Winkelbach,
    ebenfalls Teil der Initiative.

    ## Dokumentation zeigt mangelnde Transparenz ##

    Parallel veröffentlichte der WDR in den Abendstunden des 11. Oktobers
    die Dokumentation „Eine Straße voller Kameras: Muss die Polizei alles
    sehen?“, die im Sommer aufgezeichnet wurde. In der Dokumentation wird
    deutlich, dass vielen Anwohner*innen bis heute unklar ist, wann und ob
    Kameras eingeschaltet sind und welche Bereiche die Kameraüberwachung
    wirklich erfasst. Sie zeigt, dass ein Kommunikations- und
    Transparenzkonzept fehlt und offenbar keine Planungen existieren, die
    bestehenden Unklarheiten bei Anwohner*innen der Münsterstraße zu
    beheben. Auch ein am Anfang interviewter Polizeibeamter kann das Konzept
    mit grünen und roten Aufklebern nicht schlüssig erklären und der
    Polizeipräsident kann am Ende nur behaupten „man müsste erkennen“ welche
    Kameras ausgeschaltet seien.

    Rechtlich interessant war in der Dokumentation ebenfalls die Frage von
    Schwärzungen bestimmter Bereiche im Überwachungsgebiet. So ist den
    betroffenen Geschäften, deren Besucher*innen und auch den Anwohner*innen
    bis heute nicht klar, welche außengastronomischen Bereiche geschwärzt
    wurden und welche nicht und auf welcher Entscheidungsgrundlage dies
    geschieht. Die Initiative hatte im Rahmen der Klage mehrfach auf diesen
    Missstand hingewiesen, ohne dass hier Klarheit geschaffen wurde. „Wir
    freuen uns, dass nun immerhin öffentlich wird, dass es überhaupt
    Schwärzungen gibt. Leider sind diese nicht ausreichend“, so Martin
    Pilpul,: In der Dokumentation ist sichtbar, dass Hauseingänge von
    Wohnhäusern nicht geschwärzt sind – dies stellt nach Ansicht die NOCAMDO
    Initiative aber einen massiven Eingriff in das Grundrecht auf
    Privatssphäre dar.

    Ebenfalls nicht geschwärzt sind die KFZ-Kennzeichen, hierzu liegt nach
    einer richterlichen Anordnung des Verwaltungsgerichtes Köln bzgl. der
    Kameraüberwachung in Köln zur Schwärzung eben dieser, ein offenes
    Verfahren beim Oberverwaltungsgericht in Münster vor. Bisher ist nach
    Aktenlage und technischer Konzeption keinerlei Ansatz erkennbar einen
    Grundrechtsschutz für KFZ-Halter*innen vorzunehmen.

    Ebenfalls in der Dokumentation zu Wort kommt ein Mitarbeiter der
    Hilfsorganisation „Train of hope“, der eindrücklich auf eine Problematik
    hinweist, vor der die Kritiker*innen der Kameraüberwachung stets gewarnt
    haben. Durch die Überwachung in Kombination mit rassistischen
    Stereotypen bei Polizeibeamt*innen kommt es nun vermehrt zu
    polizeilichen Kontrollen aufgrund der vermuteten Herkunft. Die schon
    lange bestehende Problematik des Racial Profiling wird durch die
    optische Totalerfassung des Raums der Münsterstraße somit nicht
    zurückgedrängt, sonder vielmehr noch weitergehend verstärkt und quasi
    institutionalisiert in alltägliches polizeiliches Handeln.

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