SERIE Nordstadt-Geschichte(n): Im Jahr 1896 strandete ein Finnwal im Garten des Apollo-Theaters am Steinplatz

Apollo-Theater, Münsterstr. 12 (Slg. Klaus Winter)
Apollo-Theater, Münsterstr. 12 (Slg. Klaus Winter)

Von Klaus Winter

Gast- und Schankstätten gab es im Dortmund um 1900 wie den berüchtigten Sand am Meer. Wen es dürstete, der hatte in der Regel nur einen kurzen Weg bis zur nächstgelegenen Wirtschaft. Dort gab es Geselligkeit, Branntwein und Bier und vielleicht Musik aus einem mechanischen Automaten. Kapellen konnten, weil sie eine Bühne benötigten, natürlich nur dort auftreten, wo auch größere Räume zur Verfügung standen. Die Zahl solcher Wirtschaften war auch in Dortmund schon deutlich geringer. Und noch kleiner fiel das Angebot aus, wenn die Unterhaltung aus mehr als Konzerten bestehen sollte.

Exotische Tiere ließen bei Wirten die Kassen klingeln

Um Gäste anzulocken, setzten die Wirte größerer Lokalitäten auf die Darbietung von Attraktionen jeder Art. Das konnten Menschen mit besonderen Fähigkeiten oder aus fernen Ländern sein. ___STEADY_PAYWALL___

Auch mit exotischen Tieren ließ sich Publikum anlocken. Affen, Löwen und einige andere nicht heimische Tierarten kannten man in Dortmund schon aus verschiedenen Vorführungen und Ausstellungen. Aber einen echten Wal nicht. Das war neu!

Die Münsterstr. 12 in der Nordstadt entwickelte sich zu einem Publikumsmagneten

Das Haus Münsterstr. 12 war Sitz des Apollo-Theaters von Heinrich Kappert (Slg. Klaus Winter)
Das Haus Münsterstr. 12 war Sitz des Apollo-Theaters von Heinrich Kappert (Slg. Klaus Winter)

An der Münsterstraße, zwischen Burgtor und Steinplatz, brummte seit den 1870er Jahren das Dortmunder (Nacht-) Leben. Gleich mehrere sogenannte Tingel-Tangel sorgten hier für einen lebhaften Betrieb.

Aus einigen dieser verrufenen Lokale entwickelten sich im Laufe der Zeit stadtweit bekannte Publikumsmagnete. Dazu gehörte dasjenige im Haus Münsterstr. 12.

Wirt Schlengermann hatte eine
Freilichtbühne in seinem Garten

In den 1880er Jahren hatte der Wirt Schlengermann hier seinen Konzertsaal. Wie der Name seines Hauses besagte, setzte Schlengermann auf Musik, doch traten bei ihm auch schon viele Kleinkünstler auf.

Ein besonderer Pluspunkt von Schlengermanns Etablissement war der zu seinem Haus gehörende Garten. Denn in diesem war eine Freilichtbühne aufgebaut – angeblich die erste in Dortmund!

Heinrich Kappert übernahm Schlengermanns Konzertsaal

1889 hatte Heinrich Kappert den Schlengermannschen Konzertsaal übernommen und in Apollo-Theater umbenannt. Wie sein Vorgänger setzte er auf eine Kombination aus Konzert und Kleinkunst, um seine Gäste zu unterhalten.

Und Kappert nutzte auch den Garten mit der Bühne oder stellte ihn anderen Unternehmern für ihre Zwecke zur Verfügung.

Schausteller Zibell stellte ein gewichtiges Ausstellungsobjekt aus

Werbeinserat (Dortmunder Zeitung, 29.04.1896)
Werbeinserat (Dortmunder Zeitung, 29.04.1896)

Der Schausteller H. Zibell nutzte Ende April /Anfang Mai 1896 den Garten des Apollo-Theaters.

Seine Attraktion war wegen ihrer Länge von zehn Metern, einem Umfang von 20 Fuß und dem Gewicht von 180 Zentnern auch nicht ohne weiteres in einem Gebäude wirkungsvoll unterzubringen.

Denn Zibell zeigte einen Wal! Genauer: einen Finn-Wal („Balaena rostrata“), wie die „Dortmunder Zeitung“ meldete.

Wal kam im April 1896 per Eisenbahn in Dortmund an

Ein Bassin benötigte Zibell im Garten des Apollo-Theaters nicht. Der Wal war bereits Ende 1894 erlegt, ausgenommen und konserviert worden. Details sind nicht überliefert, weshalb über den Zustand des Kadavers auch nichts bekannt ist.

Wahrscheinlich war der Wal per Eisenbahn nach Dortmund transportiert worden. Am 30. April 1896 wurde er erstmals im Garten des Apollo-Theaters gezeigt.

Die Presse-Resonanz auf diese Attraktion war allerdings mäßig. Redaktionelle Beiträge, die den Wal im Garten an der Münsterstraße zum Thema hatten, finden sich kaum.

War der riesige Wal auch wirklich eine große Attraktion?

Werbeinserat (Dortmunder Zeitung, 07.05.1896)
Werbeinserat (Dortmunder Zeitung, 07.05.1896)

Während der gesamten Ausstellungsdauer wurde jedoch ununterbrochen geworben. Die Werbeanzeigen waren aber von kleinem Format. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Attraktion zwar beachtliche Ausmaße hatte, aber so groß eigentlich nicht war.

Von 9 Uhr vormittags bis 9 Uhr abends war der Garten des Apollo-Theaters für Besucher geöffnet. Sie zahlten 30 Pfennig Eintritt, Kinder 20 Pfennig.

Wal wurde zum Skelettieren nach Darmstadt gebracht

In den letzten Ausstellungstagen erhielt jeder Erwachsene bei seinem Besuch eine „Beschreibung“ gratis. Auch wurde der Eintrittspreis für Erwachsene auf 20 Pfennig und für Kinder auf 10 Pfennig reduziert.

Werbeinserat (Dortmunder Zeitung, 10.05.1896)
Werbeinserat (Dortmunder Zeitung, 10.05.1896)

Der 10. Mai, ein Sonntag, war der letzte Tag der Wal-Ausstellung. Der präparierte Kadaver wurde am folgenden Tag nach Darmstadt gebracht, wo er skelettiert werden sollte.

Für Heinrich Kappert war die Walfisch-Ausstellung nur eine von vielen Episoden in seiner Zeit als Betreiber des Apollo-Theaters, das er bis nach dem Ersten Weltkrieg leitete.

Der Wal aber war in Erinnerung geblieben! In einem 1933 in der „Dortmunder Zeitung“ erschienenen Artikel, der sich mit der Geschichte der Münsterstraße beschäftigte, heißt es: „Dann kam Schlengermanns Garten. In diesem Garten war die erste Freilichtbühne. Hier traten auf schöne und häßliche Damen, je nach Geschmack, Zauberkünstler, tote Walfische und wer weiß was noch alles.“

 

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