Von Anna Lena Samborski
Die Digitalisierung reicht mittlerweile in nahezu alle Lebensbereiche hinein. Somit handelt es sich längst nicht mehr um ein rein technisches Themenfeld. Im Gegenteil: Fragen zur Digitalisierung nach dem „wie“, „für wen“ und „nach welchen Regeln“ sind gesellschaftlich höchstrelevant und hochpolitisch. In der neuen Serie „Digitalisierung, Politik und Gesellschaft“ beleuchtet Nordstadtblogger somit den Stand der Digitalisierung sowie die Digitalisierungsstrategien der Dortmunder Kommunalpolitik und der Stadtverwaltung. Anlass hierzu bieten der nun von der Dortmunder Stadtverwaltung vorgelegte „Masterplan Digitale Verwaltung – Arbeiten 4.0“ und das mit großer Mehrheit im Rat beschlossene „Memorandum zur Digitalisierung 2020 bis 2025“. Außerdem sprach Norstadtblogger mit zivilgesellschaftlichen Akteur*innen der Stadtgesellschaft, die sich für eine nachhaltige, gerechte und demokratische Digitalisierung engagieren.
Daten als Rohstoff der Zukunft: Geschäftsmodelle von Big Tech als Treiber der Digitalisierung
Die Durchdigitalisierung des gesamten Alltags schreitet immer schneller voran. Sie verändert die Gesellschaft, das soziale Leben und die Arbeitswelt in einem revolutionären Ausmaß. In Pandemiezeiten werden die Vorzüge der hohen Vernetzung besonders deutlich. Denn was wären wir ohne Zoom, WhatsApp und Netflix in diesen Zeiten?
Trotzdem werden die negativen Auswirkungen der aktuellen Digitalisierungstrends an vielen Stellen immer deutlicher. Denn sie sind getrieben von den digitalen Geschäftsmodellen der großen Technologiekonzerne wie Amazon, Google und Facebook – auch als Big Tech bezeichnet – mit ihrem unstillbaren Hunger nach den Daten der Nutzer*innen, die nicht selten als Rohstoff der Zukunft bezeichnet werden.
Die Folgen sind verheerend: Die Diskussion in Sachen Datenschutz hat sich schleichend immer weiter zu Ungunsten der Datensouveränität verschoben. Der Aufschrei bei immer neu bekanntwerdenden Skandalen um die Ausspioniertechniken ihrer Nutzer*innen durch Big Tech wird kleiner – der beabsichtigte Gewöhnungseffekt scheint längst eingetreten zu sein.
Digitalisierung kein Selbstläufer – Sondern hochpolitische Gestaltungsfrage
Um mehr von dem Daten-Rohstoff zu bekommen sind die Technologieriesen außerdem zu fast allem bereit, um die Nutzer*innen möglichst lange auf ihren Plattformen zu halten. Und dies scheint mit Filterblasen und Fake News, die an den Fundamenten der Demokratie kratzen, besonders gut zu funktionieren
Die Versprechungen der Demokratisierung durch das Internet von Anfang der 2000er sind somit nicht eingehalten worden. Aber auch das Versprechen einer Dematerialisierung – und somit eines Beitrags zur ökologischen Nachhaltigkeit – ist nicht eingetreten. Ganz im Gegenteil: Eine französische Studie prognostiziert, dass die Digitalisierung bis 2025 einen genauso hohen Energiebedarf haben wird wie der weltweite Verkehrssektor.
Doch es wäre verheerend zu glauben, dass die aktuellen Digitalisierungstrends alternativlos sind – und dass es die Vorzüge von digitalen Leistungen und Kommunikationsmitteln nur gegen die Preisgabe der eigenen persönlichen Daten geben könne. Vielmehr sind die Fragen nach dem „wie“ und „für wen“ in Sachen Digitalisierung hochpolitisch. Digitalisierung ist kein Selbstläufer – eben gerade kein rein technischer Prozess, der im günstigsten Fall nur runter verwaltet werden will.
Dortmunder „Masterplan Digitale Verwaltung – Arbeiten 4.0“ – eine proaktive Digitalisierungsstrategie
Dies ist auch der Dortmunder Stadtverwaltung und der Dortmunder Kommunalpolitik bewusst geworden: Im Februar 2021 verabschiedete der Rat der Stadt Dortmund den von der Verwaltung vorgelegten „Masterplan Digitale Verwaltung – Arbeiten 4.0“ – eine proaktive Strategie zur aktiven Gestaltung der Digitalisierung der Dortmunder Stadtverwaltung.
Der Masterplan umfasst 24 Maßnahmen zur Digitalisierung der internen Arbeitsweisen als auch der Dienste für Bürger*innen und Unternehmen. Dabei wird auch hier deutlich, dass es sich in Sachen Digitalisierung um keine rein technische Aufgabe handelt:
Wie sich die Veränderung der Arbeitsweise auf die Mitarbeitenden auswirkt soll nämlich von Anfang an mitbedacht werden – von der Frage nach der Work-Life-Balance im Home-Office, veränderten Hierarchien bis hin zu Bedarfen an Schulungen und Qualifizierungen.
Dortmunder Politik macht oberstes Gestaltungsrecht in Sachen Digitalisierung geltend
Bereits in der zweijährigen Ausarbeitungsphase kamen neue partizipative Arbeitsweisen zum Einsatz: So konnten zum Beispiel Mitarbeitende in verschiedenen Beteiligungsformaten wie sogenannten Barcamps sich aktiv in den Gestaltungsprozess mit ihren Wünschen und Bedarfen einbringen.
Der Masterplan traf in der Dortmunder Kommunalpolitik auf große Zustimmung und wurde nun mit großer Mehrheit im Rat beschlossen. Dennoch macht die Politik zunehmend ihre oberstes Gestaltungsrecht auch in Sachen Digitalisierung gegenüber der Verwaltung deutlich:
Zu Beginn dieser Wahlperiode wurde der „Ausschuss für Personal und Organisation“ in „Ausschuss für Personal, Organisation und Digitalisierung“ umbenannt. Eine eigene Arbeitsgruppe zum Thema Digitalisierung hat sich gegründet.
„Memorandum zur Digitalisierung 2020-2025“: Verbindliche Gesamtstrategie gefordert
Zur Beschleunigung und Steuerung der im Masterplan genannten und allen weiteren Digitalisierungsmaßnahmen der Stadt legten die Fraktionen Bündnis 90/ Die Grünen und die CDU-Fraktion außerdem ein „Memorandum zur Digitalisierung 2020 bis 2025“ vor. Diesem schlossen sich außerdem die Fraktionen der SPD und der Linke+ an, sodass es Anfang des Jahres ebenfalls mit großer Mehrheit beschlossen wurde.
In dem Memorandum fordern die Fraktionen der Verwaltung eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie mit einer Roadmap inklusive verbindlicher Meilensteine ab. Die Bündelung aller Digitalisierungsmaßnahmen solle so über das 2018 etablierte und beim Amt des Oberbürgermeisters angesiedelte Chief Information/Innovation Office (CIIO) erfolgen.
Weiterhin klärt das Memorandum eben gerade einige der wichtigen Grundsatzfragen in Sachen Digitalisierung: Die Digitalisierungsmaßnahmen sollen nicht allein um ihrer Selbstwillen durchgeführt werden – sondern einen tatsächlichen Mehrwert für die Dortmunder Bürger*innen darstellen. Des Weiteren sind weitere öffentliche Interessen wie Datenschutz und Barrierefreiheit verbindlich festgehalten.
Dortmunder zivilgesellschaftliche Akteur*innen setzten sich für Open Source Software ein
Aber auch Akteur*innen der Zivilgesellschaft in Dortmund beschäftigen sich mit dem Thema Digitalisierung in der Verwaltung. Die Bürgerinitiative Do-FOSS setzt sich bereits seit 2014 für eine möglichst breite Verwendung von freier Software bzw. Free and Open Source Software (FOSS) in der Stadtverwaltung ein.
Nordstadtblogger sprach für die neue Serie mit Christian Nähle, Mitbegründer von Do-FOSS, darüber, was es mit freier Software im Detail auf sich hat. Und darüber, wie freie Software zur Stärkung der Transparenz, der Souveränität und des Datenschutzes in einer Verwaltung beitragen kann.
Auch der Dortmunder Medienkünstler und Medienpädagoge Daniel Schlep ist glühender Verfechter von freier Software. In seinen Projekten zur Medienbildung unter anderem an Dortmunder Schulen verbindet er freie Software mit dem Gedanken der ökologischen Nachhaltigkeit: Durch das „Upcycling“ mit freier Software macht er zum Beispiel bis zu 20 Jahre alte Laptops wieder benutzbar.
Im Interview mit Nordstadtblogger betonte Schlep außerdem die Bedeutung von kritischer Medienbildung. Denn Vielen seien die massiven Auswirkungen der durch die Datenwirtschaft getriebenen Digitalisierungen auf den Datenschutz, die Demokratie und die Ökologie nicht bewusst. Um die gesellschaftliche Aufgabe einer sozialen, gerechten und nachhaltigen Digitalisierung zu meistern, sieht Schlep hier dringenden aufklärerischen Nachholbedarf.
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