Wer ist der Chef und wer das Chefchen? In den vergangenen Monaten gab es häufig dicke Luft. Denn in der Kommunalwirtschaft möchte der Stadtrat das sagen haben. Aber einige Stadttöchter und Eigenbetriebe sehen das – teils gestützt auf Unternehmensstruktur und rechtliche Konstruktion – teils deutlich anders. Insbesondere Stadtwerke-Chef Guntram Pehlke brüskierte die Kommunalpolitiker*innen ein ums andere Mal, beispielsweise bei der Berufung des neuen Flughafen-Chefs. Auch die jeweiligen Aufsichtsräte fühlen sich nicht unbedingt dem Rat verpflichtet. Daher will der neue Rat entsprechende Leitplanken einziehen.
Stadtwerke-Chef Pehlke stieß den Stadtrat mehrfach vor den Kopf
„Wahrnehmung der Rechte des Rates nach § 113 GO NRW“ hieß der unscheinbare Tagesordnungspunkt in der Ratssitzung, der es in sich hat. Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, CDU und FDP/Bürgerliste wollen eine Rückkehr zum „Primat der Politik“. Dementsprechend hat der Rat der Stadt Dortmund einstimmig festgestellt, „dass für alle Fragen rund um die kommunalen Unternehmen auf der Grundlage der Gemeindeordnung NRW (…) der Rat vorrangig berücksichtigt werden muss“. Und weiter heißt es: „Der Rat erwartet, dass die Verwaltung und die Vorstände / Geschäftsführungen im Konzern Stadt Dortmund dieses Primat der Politik anerkennen und beachten.“ ___STEADY_PAYWALL___
Punkt 3 präzisiert dies: „Im Zusammenspiel zwischen Bundes- und Landesrecht stellt der Rat der Stadt Dortmund klar, dass er vor einer nach Bundesrecht bindenden Entscheidung im Aufsichtsrat sein Votum zu der entsprechenden Entscheidung abgeben wird. Wir erwarten von der Verwaltung und den Vorständen/ Geschäftsführungen im Konzern Stadt Dortmund, ein solches Ratsvotum abzuwarten, bevor die nach Bundesrecht bindende Entscheidung im Aufsichtsrat getroffen wird“, betont die große Mehrheit der Ratsmitglieder.
Dabei kann es beispielsweise um die Berufung einer neuen Geschäftsführung gehen. Dies war zuletzt am Flughafen der Fall, wo Stadtwerke-Chef Pehlke den Rat mit der Berufung von Ludger van Bebber als Nachfolger von Udo Mager quasi vor vollendete Tatsachen gestellt hatte. Dies soll künftig anders laufen: Daher erwartet der Rat, dass ihm die fortgeschriebene Vorlage „Vertretung der Stadt Dortmund in Unternehmen und Einrichtungen“ für die laufende Wahlperiode vorgelegt wird.
Außerdem erwartet das Gremium von der Verwaltung effektive Vorschläge, wie der Wille des Rates der Stadt Dortmund in den Gesellschafter- und Hauptversammlungen durchgesetzt werden kann (z.B. durch Eintritt von Mitgliedern des Rates der Stadt in die Gesellschafter- und Hauptversammlungen oder die Einrichtung einer Beteiligungskommission), und welche Konsequenzen für Vorstände/Geschäftsführungen festgeschrieben werden können.
Deutliche Kritik an DSW21-Chef: „Es gab ein Übergewicht zu Gunsten der Deggingstraße“
Dass die Probleme in den vergangenen sechs Jahren kein Einzelfälle, sondern wiederkehrende Erfahrungen waren, unterstrich Ulrich Langhorst (Grüne). „Die Erfahrungen mit dem Flughafen haben das beschleunigt. Man kann dem DSW-Vorstand noch nicht mal den Vorwurf machen, dass er seine Möglichkeiten ausnutzt. Aber wir wollen die Lücke möglichst schließen.“
Es müsse wieder klar sein, dass das Primat der Politik gelte und dass der Rat das entscheidende Gremium sein muss, um in städtischen Unternehmen maßgebliche Entscheidungen zu treffen. „Wir wollen das jetzt wieder auf die Füße stellen, wo wir den Eindruck hatten, einiges würde auf dem Kopf stehen“, so Langhorst.
In dieselbe Kerbe schlug Dr. Jendrick Suck (CDU): „Der Antrag ist dem Umgang mit den Erfahrungen der letzten Periode, die wir haben sammeln müssen und dürfen, geschuldet.“ Die Berufung am Flughafen, aber auch die Vertragsverlängerung bei DSW21 waren für ihn entsprechende Beispiele. Dabei hatten die Ratsentscheidungen keine bindende Wirkung für Aufsichtsrat.
„Wir wollen wieder zu einem Gleichgewicht von Politik, Beteiligungsverwaltung und kommunalen Unternehmen. Da gibt es ein Übergewicht zu Gunsten der Deggingstraße – das muss wieder klar geordnet werden“, so Suck. „Das soll auch das Leitmotiv in den Einzelentscheidungen in der neuen Wahlperiode werden.“
Demokratisierung der Prozesse zwischen Rat und Unternehmen
Michael Kauch (FDP/Bürgerliste) wollte den Antrag nicht als Antrag gegen die Stadtwerke-Spitze verstanden wissen. So sei DSW21 bei den Diskussionen um die Zukunft der STEAG sehr kooperativ gewesen. „Aber wir haben auch andere Beispiele erlebt in der Vergangenheit. Der Rat als Vertreter der Eigentümer muss klar machen, dass der Eigentümer das Sagen hat.“
Für diese Position gab es die größtmögliche Koalition im Rat: „Letztlich müssen wir als Rat unsere Anliegen vertreten und unsere Rechte wahrnehmen und uns auch durchsetzen können. Der Auftritt von Pehlke hat deutlich gemacht, wie es aussieht, wenn er sich als OB geriert und Sierau daneben immer kleiner wird“, sagte Heiner Garbe (AfD). „Demnächst müssen wir das anders angehen.“
Auch die SPD teilte diese Position: „Das Primat der Politik gilt auch für unsere Fraktion“, betonte Fabian Erstfeld (SPD). Doch beim „ambitionierten Zeitplan“ und vor allem den Sanktionsmöglichkeiten meldete er Bedenken an. „Das würden wir so nicht konkret beschließen, weil rechtliche Hürden entgegenstehen“, sagte er beispielsweise mit Blick auf das Gesellschafts- und Aktienrecht.
Utz Kowalewski (Linke+) betrachtete daher den Antrag als Versuch, einen Prozess einzuleiten, der zu einer Demokratisierung der Prozesse zwischen Rat und Unternehmen führt. „Das wird nicht mit einem Antrag gehen“, sagte Kowalewski und machte – anders die FDP-Vertreter – deutlich, dass auch die Mitbestimmung gewahrt bleiben müsse. Das ist Wechselspiel. Auch Mitarbeiter haben ihre Rechte“, hielt Kowalewski Kauch vor.
OB Thomas Westphal will das Beteiligungsmanagement im OB-Amt ansiedeln
Das Thema möchte auch der neue OB Thomas Westphal geklärt haben, da er selbst im Flughafen-Aufsichtsrat in „Turbulenzen“ kam. „Wir müssen im Zusammenspiel von Rat, Beteiligungsverwaltung und Betrieben einen Neuanfang machen. Als OB habe ich auch Vorstellungen, wie eine Kommunalwirtschaft funktionieren sollte“, so Westphal.
„Ich achte und schätze den Rat – er hat die Gemeindeordnung (GO) auf seiner Seite. Der Rat hat Entscheidungen zu treffen. Doch es gibt weitere Rechte – Aktien-, Bundes- und Mitbestimmungsrechte“, machte er deutlich. Doch nicht nur darum dürfe es bei der Neukonzeption gehen: „In den fünf Jahren müssen wir auch über strategische Ziele der Unternehmen für die Stadt reden. Wir sind ja kein Finanzholding-Investor, sondern wollen die Kommunalwirtschaft zur weiteren Gestaltung der Stadt einsetzen.“
Daher will Westphal das Beteiligungsmanagement im OB-Amt ansiedeln. Dies wollte er nicht als Kritik an Kämmerer Jörg Stüdemann, sondern als eine strategische Entscheidung verstanden wissen, die in enger Abstimmung mit dem Stadtdirektor erfolge. Die Punkte seien nicht abschließend formuliert: „Ich beabsichtige, ihnen eine Gesamtvorlage vorzulegen – auch einen Gesamtplan in Kommunikation und Koordination. Ob ich das zur ersten Sitzung im Februar schaffe, daran mache ich ein Fragezeichen.“ Aber im ersten Quartal solle dies gelingen, so Westphal.
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Guntram Pehlke bleibt Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafens – Schwieriges Jahr für den Dortmund Airport geht zu Ende (PM)
Guntram Pehlke bleibt Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafens –
Schwieriges Jahr für den Dortmund Airport geht zu Ende
In seiner letzten Sitzung im Jahr 2020 hat der Aufsichtsrat des Dortmunder Flughafens Guntram Pehlke einstimmig als seinen Vorsitzenden wiedergewählt. Pehlke ist bereits seit 2006 Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafens und übt dieses Amt nun bis zur nächsten Kommunalwahl aus. Er dankt allen Aufsichtsratsmitgliedern für die Wiederwahl und das damit zum Ausdruck gebrachte Vertrauen. Rüdiger Schmidt von der SPD und Thomas Stegmann, Betriebsratsvorsitzender des Dortmund Airport, wurden als Stellvertreter gewählt.
Fluggastentwicklung
Insgesamt nutzten von Januar bis November 2020 1.165.166 Passagiere den Dortmund Airport für ihre Reise. Damit ist die Anzahl der Fluggäste im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 53 Prozent gesunken. „Auch wenn wir derzeit im Vergleich mit dem Durchschnitt aller Airports in Deutschland besser durch die Corona-Krise kommen, können wir mit diesem Ergebnis natürlich nicht zufrieden sein“, so Airport-Chef Ludger van Bebber. Auf Bundesebene sanken die Passagierzahlen von Januar bis Oktober 2020 bereits um 72 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Wir gehen davon aus, dass es im Jahr 2021 eine substanzielle Erholung des Luftverkehrs geben wird. Nur wann diese eintritt, kann momentan niemand vorhersagen. Zu viele Einflussfaktoren wie Impfstoffzulassung, Impfstart, Impfquote, Entwicklung der Risikogebiete und Inzidenzen auch in den Zielländern machen eine valide Prognose nahezu unmöglich.“
Bei einer Erholung des Luftverkehrs zum Sommerflugplan 2021 rechnet der Dortmund Airport ca. mit 2,3 Mio. Passagieren im Jahr 2021. Im Jahr 2019 nutzten rund 2,7 Mio. Passagiere den Flughafen. „Die Base-Eröffnung, die im August 2020 bereits dazu geführt hat, dass wir 71 % unserer Fluggäste wieder begrüßen durften, gibt uns allen Grund zur Hoffnung, dass wir 2021 wieder einen deutlichen Schritt in die richtige Richtung machen werden. Wir gehen davon aus, dass wir 2022 die Werte aus dem Rekordjahr 2019 wieder erreichen können, wenn die Corona-Pandemie bis dahin keine oder nur noch eine geringe Rolle im Luftverkehr spielt“, so van
Bebber.
Umbaumaßnahme
Dass der Dortmund Airport nach der Corona-Pandemie wieder an das Wachstum und die Passagierzahl aus 2019 anknüpfen will, zeigen auch aktuelle Umbaumaßnahmen: „Wir nutzen die ruhige Phase derzeit, um die Einreisesituation für unsere Besucherinnen und Besucher aus Non-Schengen Staaten zu optimieren“, so van Bebber.
Die Anzahl der Arbeitsplätze der Bundespolizei an der Einreise 0-2 wird durch die Umbaumaßnahme von 4 auf 6 erweitert. Damit kann die Wartezeit für ankommende Passagiere deutlich reduziert werden. Auch die Wartesituation wird an dieser Stelle verbessert. Der ca. 400 m² große Wartebereich, der sich draußen befindet, soll komplett überdacht werden. Die Umbaumaßnahmen sollen vorrausichtlich im März 2020 abgeschlossen sein.
Weitere Initiativen zur besseren Kontrolle der kommunalen Unternehmen und Beteiligungen (PM FDP/ Bürgerliste)
Weitere Initiativen zur besseren Kontrolle der kommunalen Unternehmen und Beteiligungen
Die Ratsfraktionen Bündnis 90/Grüne, CDU und FDP/Bürgerliste ergreifen weitere Initiativen zur besseren Kontrolle kommunaler Unternehmen und Beteiligungen. Bereits im Dezember 2020 hatte der Rat mit entsprechender Mehrheit einen Katalog von Maßnahmen beschlossen, um das Primat der Politik insbesondere im Stadtwerke-Konzern durchzusetzen. „In der Vergangenheit hat es leider immer wieder Entscheidungen an den gewählten Ratsvertretern vorbei gegeben – sei es von der Verwaltung, sei es von den Vorständen der Stadtwerke. Das wollen wir ändern. Die kommunalen Unternehmen dürfen sich nicht verselbständigen“, so Michael Kauch, Fraktionsvorsitzender von FDP/Bürgerliste.
Im Rat steht in Folge des Beschlusses vom Dezember am Donnerstag eine Vorlage der Verwaltung zur Abstimmung. Hier geht es um die Schaffung eines Beirats der Kommunalwirtschaft, in dem die Vorsitzenden der Ratsfraktionen frühzeitig in strategische Entscheidungen einbezogen werden sollen. Die Jamaika-Fraktionen haben dazu einen Änderungsantrag eingebracht, der den Beirat über die laufende Ratsperiode hinaus festschreibt, eine regelmäßige Einberufung sicherstellt und die Beratungsgegenstände konkretisiert. Außerdem wird der Verwaltung eine Frist gesetzt, um den Dortmunder Public Corporate Governance Kodex zu aktualisieren.
Desweiteren liegt dem Rat ein Antrag der drei Fraktionen vor, die Einflussmöglichkeiten des Rates beim defizitären Fußballmuseum zu stärken. Dieser Antrag wird am Donnerstag im Zusammenhang mit der beantragten Eigenkapitalstärkung des Museums beraten.
Bereits am vergangenen Freitag hat der Finanzausschuss des Rates auf Antrag von Grünen, CDU und FDP/Bürgerliste der Stadtverwaltung eine Frist gesetzt, die fehlende Umsetzung zweier Punkte des Ratsbeschlusses vom Dezember bis zur September-Sitzung des Finanzausschusses nachzuholen. Dabei geht es um Konsequenzen für Vorstände kommunaler Unternehmen, die entgegen der Regeln am Rat vorbei agieren, sowie um die qualitative Weiterentwicklung des Beteiligungsmanagements der Stadt.