Tauwetter zwischen Land und Stadt: In Sachen Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen ist Bewegung gekommen: „Die Hilfe kommt jetzt quasi auf Zuruf“, berichtet Ordnungsdezernentin Diane Jägers. Vor einem Monat hatte die Stadt auf Krisenmodus umgeschaltet und das Land massiv kritisiert. Durch die Skandale in landeseigenen Einrichtungen in Burbach, Essen und Bad Berleburg ist nun aber auf Landesebene Bewegung in die Diskussion gekommen.
Sieraus „Brieffreundschaft mit dem Innenminister“ zeigt Wirkung
OB Ullrich Sierau erinnerte an seine „Brieffreundschaft“ mit dem Innenminister: Zwei Jahre lang hatte die Stadt vergeblich um Unterstützung gebeten und die Eröffnung weiterer Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) des Landes gefordert.
Passiert war jedoch nichts. Stattdessen gab es eine harsche Reaktion von Innenminister Ralf Jäger (SPD), dem die Kritik der Stadt Dortmund nicht schmeckte.
Das hat sich in den vergangenen Wochen nachhaltig geändert – wohl auch durch personelle Änderungen bei Bezirksregierung und im Ministerium, mutmaßt der Dortmunder Oberbürgermeister.
Zusätzliche Notunterkünfte im Kreis Unna sorgen für Entlastung in Hacheney
„Nach unserer Wahrnehmung kam zu einer Reihe von Verbesserungen“, zieht Sierau ein Fazit. Nachdem Dortmund mehr als deutlich die ständige Überfüllung der EAE in Hacheney angeprangert hatte, sind nun kurzfristig Notunterkünfte in Unna-Massen (600 Plätze) und in Kamen (200 Plätze) eröffnet worden.
In Unna-Massen wird zudem in der kommenden Woche eine Außenstelle der EAE Hacheney eröffnet. Dann können die Asylbewerber bereits dort registriert werden und müssen nicht erst nach Hacheney gebracht werden.
Die entsprechende finanzielle und personelle Ausstattung mit acht Stellen wurde quasi über Nacht bewilligt, lobte Sierau: „Das ist eine neue Geschwindigkeit und Qualität der Zusammenarbeit.“
Fortschritte beim Ausbau der Unterbringungskapazitäten und bei der Registrierung
Auch bei Unterbringung, Registrierung und dem Ausbau der Kapazitäten gebe es deutliche Fortschritte – die Situation hat sich ein Stück entspannt. Oder besser: „Sie ist nicht mehr ganz so kritisch.“
Denn der Zustrom von Asylbewerbern werde weiter anschwellen oder zumindest auf stabil hohem Niveau bleiben. Die Nachbarländer Syriens können nicht mehr – der Libanon hat die Grenzen geschlossen. Das Land hat 4,4 Millionen Einwohner und schon rund 1,4 Millionen Flüchtlinge aufgenommen.
Daher werden wohl noch mehr Menschen nach Europa kommen. „Wir gehen davon aus, dass wir weiterhin ganz erheblichen Zustrom haben werden“, prognostiziert Ullrich Sierau.
Weiter Überbelegung in Hacheney – Aber eine Entlastung in Sicht
Nachwie vor gibt es landesweit nur zwei Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) – in Dortmund kommen 27 Prozent aller in Deutschland ankommenden Bürgerkriegsflüchtlinge und Asylbewerber durch.
„Daher müssen wir weit mehr machen. Wir haben daher auch adminstrativ in die Speichen gegriffen“, verdeutlicht Rechtsdezernentin Diane Jägers. Die Bezirksregierung sei täglich auf der Suche nach neuen Notunterkünften. Aktuell gibt es 15 solcher Einrichtungen.
Dies führt zu einer leichten Entspannung: War die EAE Hacheney im September noch an 23 von 30 Tagen mit deutlich mehr als 350 Menschen belegt, war dies im Oktober bisher „nur“ an zwölf Tagen der Fall. „Das stimmt uns vorsichtig optimistisch, dass wir wieder in geordnete Strukturen kommen“, so Jägers.
„Wir sind noch nicht über den Berg, die Überbelegung bleibt. Wir sind noch nicht im geordneten Regelbetrieb – aber langsam nähern wir uns dem wieder an.“
Montag kommt zusätzliches Personal für Hacheney und Unna-Massen
Dazu beitragen soll auch zusätzliches Personal in Hacheney: Am 3. November fangen externe Kräfte an – für ein Jahr eingestellt und bezahlt vom Land.
Bis dahin wird die Stadt weiter aushelfen, um möglichst viele der Ankommenden zu registrieren, damit diese in ein geordnetes Verfahren gehen können. „Wir registrieren hier aktuell 300 Menschen pro Tag. Früher waren das 300 pro Woche“, verdeutlicht Jägers die Kraftanstrengung.
Daher werden gerade zusätzliche Büroflächen ämterübergreifend mit Unterstützung des Landes hergerichtet. Allerdings werden die Dortmunder nicht müde zu betonen, dass es sich hier nun um eine Interimslösung handelt. Ziel müsse es sein, wieder auf den Normalbetrieb von 300 Menschen plus 50 Plätze Reserve zu kommen.
Ohne zusätzliche Kapazitäten in den EAE ist kein geordnetes Verfahren möglich
Dabei helfen die zusätzlichen Unterbringungsplätze im Kreis Unna. Die Registrierungs-Infrastruktur wird hier binnen vier Tagen aufgebaut – koordiniert wird das von Dortmund aus. „Ohne einen geordneten Anfang des Verfahrens kommen wir keinen Millimeter weiter“, verdeutlicht Jägers.
Denn alle neuen Asylsuchenden müssen erst durch eine Erstaufnahmeeinrichtung (EAE). Dort sind sie – im Regelfall – drei bis fünf Tage. Anschließend kommen die in eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE), wo sie bis zu drei Monate bleiben. Dann werden sie nach einem komplizierten Verteilungsschlüssel auf Kommunen verteilt.
Die Menschen kommen dann beispielsweise in Dortmund im Grevendiecks Feld an – in einer sogenannten Zentralen Kommunalen Unterkunft (ZKU).
Doch durch die Kapazitätsmängel in den EAE ist schon der Beginn eines geordneten Verfahrens gestört. Die Menschen müssen daher teilweise in Notunterkünften „zwischengeparkt“ werden, bis sie registriert und geröntgt werden können. Das Röntgen ist nötig, um Erkrankungen wir Tuberkulose auszuschließen. Doch auch hierfür fehlen häufig die Kapazitäten.
Zugeständnisse: Stadt Dortmund kommt den Anwohnern in Hacheney entgegen
Trotz allen Drucks bemüht sich die Stadt Dortmund, mit den Anwohnern in Hacheney im Gespräch zu bleiben und Proteste zu verhindern. Daher wird nun auch ein dringend benötigter Röntgencontainer an einem anderen Platz aufgestellt, auch wenn dies zu weiteren Verzögerungen von rund vier Wochen führt.
Die Verlegung ist ein Ergebnis des Runden Tischs, zu dem Bezirksbürgermeister Sascha Hilgeris eingeladen hatte. „Auch Kritiker waren mit dabei. Sie haben sich dem Dialog nicht mehr verschlossen, sondern sich eingesetzt“, erinnert Sierau.
Daher habe man der Verlegung des Röntgen-Containers zugestimmt, auch wenn dies zu einer vierwöchigen Verzögerung führt: „Die Anwohner sollen das Gefühl bekommen, dass nicht über ihre Interessen hinweg entschieden wird. Gleich vor Ort wurde diskutiert, wo er stattdessen hin soll.“
Die Kritik hält sich daher auch trotz der Belastungen in Grenzen. Und es gebe auch viele positive Reaktionen: „Wir haben sogar Nachbarn, die Kleiderständer vor allem mit Kinderbekleidung vor die Tür gestellt haben, um den Menschen zu helfen“, verdeutlichen die Stadtvertreter.
Mehr zum Thema und den Problemen gibt es auf Nordstadtblogger.de:
- Mehr Personal, mehr Kapazitäten und neuer Wachschutz: In Flüchtlingsfragen stellt Dortmund auf „Krisenmodus” um
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Frank Binder
In der Erstaufnahmeeinrichtung fehlen Kindersitze und Kinderwagen
Aktuell fehlen in der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (EAE) im Stadtteil Dortmund-Hacheney Pkw-Kindersitze für kleine und große Kinder. Erforderlich sind diese Kindersitze für die zahlreichen Bustransfers. Dies teilt Frank Binder, Referent im Ordnungsamt für Flüchtlingsfragen, mit.
Auch Kinderwagen, insbesondere klappbare Buggys, sind momentan Mangelware in der Einrichtung. Wer zuhause im Keller, auf dem Dachboden oder in der Garage alte Kindersitze oder Kinderwagen findet, die nicht mehr benötigt werden, darf diese gerne als Spende in der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in der Glückaufsegenstraße 60 abgeben.
Eine kurze telefonische Anmeldung bei Frau Saib unter der Rufnummer (0231) 52 51 53 11 wäre prima.