Deutliche Worte von Patrick Arens, dem seit vielen Jahren maßgeblichen Dortmunder Akteur in Sachen Schaustellerei: die Absage der geplanten Weihnachtsstadt auf dem Alten Markt – das ist für ihn wegen der Pandemie-Entwicklung der letzten 14 Tage zwar durchaus verständlich. Denn der Gesundheitsschutz geht vor. Aber: So könne das 2021 nicht weitergehen, macht der Vorsitzende des Markthandel- und Schausteller Verbands Westfalen bei der dafür eigens einberufenen PK klar. Was er erwartet, ist ein konsequentes Handeln aus der Politik, um die Branche, die in diesem Jahr wie keine andere gelitten hätte, zu retten.
Nach Berliner Beschlüssen von Mittwoch: Absage des Dortmunder Weihnachtsmarkts alternativlos
Für Schausteller Patrick Arens ist es eine „der traurigsten Pressekonferenzen“, die er in seiner Zeit als Verbandsvertreter hat ausrichten müssen. Die Nachricht hieß: Es wird in diesem Jahr nichts mit dem traditionellen vorweihnachtlichen Markt in Dortmund. Der Grund ist schnell zusammengefasst. ___STEADY_PAYWALL___
Nachdem am Mittwoch die „Elefantenrunde“ in Berlin, bestehend aus den Ministerpräsidenten der Länder, Kanzlerin und Vertreter*innen des Bundeskabinetts verschärfte Corona-Schutzmaßnahmen für den November beschlossen hatten, sind nun gerade die Bundesländer dabei, die Maßnahmen an die Kommunen und Kreise weiterzureichen.
Was das konkret für Dortmund bedeutet, ist allen Beteiligten klar: Zum erneuten Herunterfahren des öffentlichen Lebens wird gehören, dass im kommenden Monat keine Veranstaltungen mehr stattfinden dürfen, bei denen viele Menschen zusammenkommen. – Ob davon juristisch auch der Dortmunder Weihnachtsmarkt betroffen gewesen wäre, sei dahingestellt.
Analoge Veranstaltungen sind für Organisator*innen nicht per se Pandemie-Nester
Darauf jedenfalls wollten es die veranstaltenden Schausteller um Patrick Arens in Abstimmung mit der Stadt erst gar nicht ankommen lassen. Das entscheidende Kriterium der Akteure für ihre Entscheidung, die Veranstaltung abzusagen, war: Vorrang des Infektionsschutzes wegen explosiv steigender Inzidenz in Dortmund.
Gleichwohl: Aufs Ganze gesehen hat der Schaustellerverband-Funktionär Arens Zahnschmerzen, wenn es um die Pandemie-Restriktionen für seine Branche, für die Veranstaltungsbranche insgesamt geht. So als wäre hier ein Superspreader-Zentrum, die gefährlichsten Orte überhaupt, bedeutet er. Sieht dies empirisch falsifiziert.
In der Tat: Als kritisch haben sich in der Vergangenheit vor allem unkontrollierte Feiern u.ä. in geschlossenen Räumen erwiesen (wir berichteten). Dagegen: Einen Stadionbesuch beim BVB etwa halten viele Expert*innen – bei einem durchdachten Infektionsschutzkonzept – für weitaus ungefährlicher.
Erarbeitetes Sicherheitskonzept für den Dortmunder Weihnachtsmarkt hatte überzeugt
Dennoch: Die zweite Corona-Welle ist auf dem Vormarsch, die Veranstalter*innen werden von den Inzidenz-Zahlen de facto überrollt. „Wir haben wirklich lange gekämpft, haben Konzepte geschrieben, haben unsere Pläne oft verändert, auch um unsere Händler mitzunehmen“, sagt Patrick Arens.
Sie hätten, wie von Ordnungsdezernent Dahmen in der letzten Wochen bestätigt, ein Sicherheitskonzept für den Dortmunder Weihnachtsmarkt abgeliefert, das „all die Vorgaben, die in der Pandemie-Zeit gefordert sind“, erfüllt hätte.
Knapp 300.000 Euro wären in diese Maßnahmen seitens der Organisatoren investiert worden, so Arens. Vorab waren es an die 100.000 Euro. Für seinen eigenen Getränkestand wären 40.000 Euro fällig gewesen, um ihn schlussendlich auf dem Weihnachtsmarkt coronakompatibel zu machen.
Veranstaltungsbranche fordert finanzielle Unterstützung und ein Umdenken für 2021
Zunächst war da Optimismus. Solange die Gastronomie, Einkaufsstraßen, Freizeitparks, andere Einrichtungen des öffentlichen Lebens geöffnet gewesen seien, sagt der Schausteller. Dann kamen in den letzten Tagen die Zweifel, dann Berlin und die Erkenntnis, dass sich der vorweihnachtliche Markt für dieses Jahr erledigt hat.
„Insgesamt ist das für uns ein Schlag, der uns fast ans Ende bringt“, befürchtet Arens. Und läutet die Alarmglocken. Zur aktuellen Rede vom Lockdown 2.0 bemerkt er fast bitter: „Wir sind immer noch im Lockdown 1.0.“ Was über das Jahr gelaufen sei: „das war viel zu wenig, um die Veranstaltungsbranche … am Leben zu erhalten“. Daher die Hoffnung: dass das Versprechen der 75 Prozent eingehalten würde. Ansonsten drohe das Ende der Veranstaltungswirtschaft im Lande.
Für Menschen und Familien, „für die das nicht nur ein Beruf, sondern eine Lebenseinstellung ist“, so Arens mit leidenschaftlichem Appell. Dringend benötigt würde, eigentlich schon gestern, „vernünftige finanzielle Unterstützung“. „Wenn da nichts passiert, wird das zu einer Insolvenzwelle in der Veranstaltungswirtschaft führen.“
Deutliche Kritik der Schausteller*innen am Duktus in Teilen der Sozialen Medien
Dann wären da noch die Sozialen Medien. Die hat Patrick Arens aufmerksam verfolgt und fühlt sich und seine Branche ziemlich missverstanden; beziehungsweise unzulässig diskreditiert, in der digitalen Welt.
Sicher, was dort an Debatten in diesen Räumen stattfindet, spiegelt teils eine relevante gesellschaftliche Position zur Pandemiebekämpfung wider, deren Kerngedanke lautet: Um uns vor der Pandemie zu schützen, sollte unabhängig von jeglichen wirtschaftlichen Interessen alles vermieden werden, was deren Ausbreitung weiter befördern könnte.
Doch für den Schausteller aus einer Traditionsfamilie geht es um mehr, um viel mehr. Kann deshalb wenig Verständnis dafür aufbringen, wenn es dort hieße: „Endlich haben die Idioten abgesagt.“ Zumal auch er klar sagt: „Wer uns kennt, der weiß, dass die Gesundheit der Besucher an allererster Stelle steht.“
Respekt vor der jahrzehntelangen Leistung des schaustellerischen Gewerbes gefordert
Der Lockdown beträfe nicht nur sie, sondern an der Möglichkeit, am Markt teilzunehmen (was in diesem Jahr in seinen Augen so gut wie gar nicht gegeben war), daran hinge eine weitverzweigte Branche – immerhin die sechstgrößte in der Bundesrepublik: etwa auch Veranstaltungstechniker, die Promotion, regionale Zulieferfirmen etc.
Und sieht für 2021 darin eine „ganz große Aufgabe“ – also offensichtlich darin, dass dies in der Politik endlich als dezidierter Hilferuf wahrgenommen wird. In Dortmund sei es immerhin um knapp 300 Stände gegangen, knapp 1000 Arbeitsplätze, 4000 Familienmitglieder, „die davon gelebt hätten“. Für sie alle würde „die Weihnachtszeit sehr sehr dunkel“.
Seine tieferliegende Begründung lautet: „Man kann nicht Veranstaltungen betrachten wie eine Sache.“ Veranstaltungen seien: „Arbeitsplatz“, „Hoffnungen“, „Leben“. Ein bezeichnender Satz von ihm: Neben den finanziellen Verlusten, da sei das Schlimme: „dass wir das ganze Jahr nicht mit Menschen zusammenkommen konnten“. Denn davon lebe der Beruf.
Vor 120 Jahren ist der Dortmunder Weihnachtsmarkt von Schaustellern vor Ort gegründet worden, ursprünglich um Beschäftigungsmöglichkeiten in den Wintermonaten zu schaffen, wie Patrick Arens erläutert. Wurde auch mit dem Baum zu einer der größten Veranstaltungen in der Bundesrepublik, rangierend unter den Top 10. Für die darin steckende „Arbeit“, „Leidenschaft“, „Zeit“ fordert er Respekt ein. Vor dem, was da geleistet wird (und wurde).
Stadt Dortmund zur Absage der Weihnachtsstadt 2020 – die Presseerklärung im Wortlaut
Stellvertretend für die Stadt Dortmund erläuterte abschließend Pressereferent Maximilian Löchter die Stellungnahme der Stadt zur Absage der Weihnachtsstadt. Im Folgenden die Erklärung der Stadt im Wortlaut.
„Mit Blick auf die Beschlüsse, die am Mittwoch, 28. Oktober, durch die Bundesregierung getroffen wurden, sieht die Stadt Dortmund zur Absage der diesjährigen Weihnachtsstadt keine Alternative. Die veranstaltenden Schausteller um Patrick Arens handeln mit der Absage der Weihnachtsstadt 2020 verantwortungsvoll, da so weniger Anlässe geschaffen, sich mit dem Covid19-Erreger anzustecken. Dennoch bedauert die Stadt Dortmund die Absage, da die Weihnachtsstadt für viele Dortmunder*innen und für viele Menschen über die Stadtgrenzen hinaus in der Weihnachtszeit unverzichtbar ist.
Die Stadt Dortmund weiß um die angespannte Situation der Schaustellerbranche und erwartet hier eine schnelle und unbürokratische finanzielle Hilfe für die Betroffenen durch den Bund.
Bis zum Zeitpunkt der Absage war die Stadt Dortmund stets in Kontakt mit den veranstaltenden Schaustellern, um zu unterstützen und die Weihnachtsstadt möglich zu machen. Rechts- und Ordnungsdezernent Norbert Dahmen zu dem ständigen Austausch: „Im Sommer haben uns die Schausteller in Dortmund gezeigt, dass sie mit dem Pop-Up-Format FunDOmio einen Erlebnispark realisieren können, der eine sichere Veranstaltung für alle Besucher*innen ermöglicht. Auf den im Sommer gesammelten Erfahrungen wurde das Konzept für die Weihnachtsstadt erstellt, welches uns als Stadt Dortmund überzeugt.“
Es wird derzeit geprüft, ob an dem durch die Stadt Dortmund mit 300.000 Euro finanzierte Weihnachtsbaum weiter festgehalten wird.“
Mehr zum Thema bei nordstadtblogger.de:
Dortmund soll einen großen Weihnachtsmarkt bekommen – Hochzeiten entwickeln sich zu Corona-Hotspots
Dortmund soll einen großen Weihnachtsmarkt bekommen – Hochzeiten entwickeln sich zu Corona-Hotspots
Dortmund soll einen großen Weihnachtsmarkt bekommen – Hochzeiten entwickeln sich zu Corona-Hotspots