Im Schnitt wird jedes vierte Handwerksunternehmen im Kammerbezirk der Handwerkskammer (HWK) Dortmund von einer Frau geführt. Darunter zählt jeder dritte zulassungsfreie Betrieb und auch bei den handwerksähnlichen Gewerben sind mittlerweile 41 Prozent unter weiblicher Führung. Mit 17 Prozent ist der Unternehmerinnenanteil in den zulassungspflichtigen Handwerken konstant geblieben. Insgesamt ist die Zahl der Betriebe mit Frauen als Inhaberinnen in den letzten zehn Jahren beständig gestiegen.
Berthold Schröder: „Die Berufsaussichten und Karrierechancen für Frauen im Handwerk sind enorm.“
„Das Handwerk ist vielfältig, nicht nur durch sein breites Berufsspektrum, sondern vor allem durch die vielen unterschiedlichen Persönlichkeiten, die jeden Tag dafür sorgen, dass der Betrieb läuft“, sagt Berthold Schröder, Präsident der HWK Dortmund. Daher begrüße man es sehr, dass sich immer mehr Frauen für eine Karriere im Handwerk begeistern und damit den Wirtschaftsbereich noch vielfältiger machen. ___STEADY_PAYWALL___
In Zeiten des Fachkräftemangels würden top-ausgebildete Mitarbeiter*innen und künftige Führungskräfte händeringend gesucht – hier würden sich sowohl für Frauen als auch für Männer exzellente Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Durch die Digitalisierung nehme die körperliche Belastung in handwerklichen Berufen zudem immer mehr ab. Gleichzeitig würden kommunikative und kreative Fähigkeiten stärker nachgefragt. „Die Berufsaussichten und Karrierechancen für Frauen im Handwerk sind enorm.“
An der Spitze der Unternehmen unter weiblicher Führung sind die Kosmetikbetriebe mit knapp 87 Prozent. Im Maßschneiderhandwerk sind es knapp 86 Prozent. 2019 wurden alleine im Kosmetikergewerbe 144 Gründungen verzeichnet sowie 68 Existenzgründungen im Friseurhandwerk und jeweils 59 bei den Gebäudereinigern und Fotografen. Aber auch in eher selteneren Handwerken wie dem Sattler und Feintäschnerhandwerk liegt der Unternehmerinnenanteil bei 31 Prozent. Im Zahntechnikerhandwerk bei knapp 22 Prozent und im Orthopädietechnikerhandwerk bei 20 Prozent.
Zwei Handwerksunternehmerinnen geben Einblick in ihre beruflichen Werdegänge
Maren Winklareth-Koch ist Zahntechnikermeisterin, Mutter einer 4-jährigen Tochter und Inhaberin der Dentaltechnik Hubbert e.K. (Ennepetal): „Irgendwann ein Unternehmen mit Mitarbeitern zu führen, war für mich in meinen ersten Gesellenjahren kaum vorstellbar. Zu groß war mein Respekt vor all‘ dem, was in der Selbstständigkeit auf einen zukommt. Mein damaliger Chef hat jedoch Potential in mir gesehen und mir nahegelegt, die Meisterschule zu besuchen. Sein Plan war es, den Betrieb samt Mitarbeitern an mich zu übergeben.“
Und so sei es 2018 dann auch gekommen. „Meine Selbstsicherheit als Unternehmerin wuchs im wahrsten Sinne mit meinen Aufgaben und heute bin ich sogar froh, den Schritt in die Selbstständigkeit gegangen zu sein. Dass ich als Frau ein Handwerksunternehmen leite, hat sich für mich zu keiner Zeit problematisch gestaltet.“
Unter ihren fünf angestellten Mitarbeiter*innen und drei Aushilfen ist der Frauenanteil ebenfalls unbeabsichtigt höher. „Ich finde es gut und wichtig zu sehen, dass immer mehr Frauen auch im Handwerk an den Unternehmensspitzen zu finden sind. Und, dass so eine Karrierelaufbahn auch ohne ein langjähriges Studium zu erreichen ist. Durch meine Selbstständigkeit und das gute Zeitmanagement zwischen mir und meinem Mann, der branchenfremd arbeitet, bekomme ich eine gute Work-Life-Balance hin und kann genug Zeit mit unserer Tochter verbringen. Diese Freiheit zu haben ist für mich viel Wert“.
Vom Azubi zur Geschäftsführerin: Lorena Mattes ging selbstbewusst ihren Weg
Lorena Mattes ist Elektromaschinenbauermeisterin und Geschäftsführerin der Elektromaschinenbau Heinz Dienhart GmbH (Witten): „Für mich kam eine Bürotätigkeit als Ausbildungsberuf damals nicht in Frage. Ich hatte immer schon großen Spaß an handwerklichen Arbeiten, also schickte ich meine Bewerbung ohne Zweifel an ein Unternehmen mit Werkstatt. In meinem Ausbildungsbetrieb war ich die einzige Frau in meinem Beruf.“
Beeinträchtigt oder gar als Rarität beäugt habe sie sich aber nie gefühlt. Höchstens für die Kunden schien es hin und wieder eine nette Abwechslung zu sein, ein neues Gesicht zu sehen. Natürlich sei der Beruf mit körperlicher Betätigung verbunden. Aber wenn sie an ihre Grenzen stoßen würde, täten es die Männer in der Regel auch.
„Meinen Weg an die Unternehmensspitze ebnete mir damals mein Chef. Schon knapp vier Monate nach der bestandenen Meisterprüfung im Februar 2017 übertrug er mir die alleinige Geschäftsführung. Im Gegensatz zu ihm, der das Unternehmen als Maschinenbauingenieur führte, gehe ich es als gelernte Handwerkerin etwas anders an. Das Feedback der Mitarbeiter (sechs Angestellte und ein Auszubildender) ist dahingehend aber durchaus positiv.“
Allerdings sei sie leider kaum noch in der Werkstatt tätig, da ihr Arbeitsalltag sich nunmehr komplett vor dem Rechner und am Telefon abspiele. Dafür habe sie aber auch mehr Freiheiten, sich beruflich zu entfalten und ihre Zeit bestmöglich einzuteilen. „Da sich mein Tätigkeitsfeld als Geschäftsführerin geändert hat, suchen wir aktuell auch wieder einen gut ausgebildeten Elektromaschinenbauer als Verstärkung für unser Team. Mein Wunsch ist es, das Unternehmen in absehbarer Zeit durch einen Kauf vollständig zu übernehmen.“