Leiden, (In-)Humanität, Widerstand im Dortmund des NS – da ist ein Gesicht: am Hörder Mahnmal für Zwangsarbeiter*innen

Den Opfern ein Gesicht geben: Würdigung von Zwangsarbeiter*innen des deutschen Faschismus am Phoenix-See. Fotos: Thomas Engel

Ein kommentierender Bericht von Thomas Engel

Sie haben gelitten, doch ihre Tränen wurden in der Bundesrepublik zu Eis. Dem Rechtsnachfolgestaat des Hitler-Faschismus – teils organisch besetzt mit altem NS-Personal – waren die Opfer der Diktatur gleichgültig. Heute sprechen rechte Eliten vom Vergessen, sie relativieren oder verunglimpfen versklavte, ermordete Menschen – darunter Zwangsarbeiter*innen, verschleppt aus ihren Heimatländern, auch nach Dortmund. Insbesondere, um die Kriegsindustrie zu stützen, weil junge Männer mit angeblich blauen Augen im Dienste des Rassenwahns an der Front gebraucht wurden. Ihnen in einer wiederauferstandenen, toleranten Stadt würdig zu begegnen, darauf insistierte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). Und die Antifaschist*innen hatten endlich Erfolg, nach langem Kampf: Jetzt wurde am Phönix-See von OB Ullrich Sierau eine Stätte gedenkender wie mahnender Vernunft eingeweiht.

Fast vollständige Zerstörung des Dortmunder Innenstadtbereichs während des 2. Weltkriegs

Dortmund zwischen 1933 und 1945, dem Nationalsozialismus verschrieben. So wie damals der Rest Deutschlands, eigentlich nichts besonderes. Außer vielleicht, dass es die deutsche Großstadt ist, in der – relativ betrachtet – am meisten zerstört wurde: 95 Prozent des Stadtkerns. Am Ende stand so gut wie nichts mehr. Und auf Dortmund gab es am 12. März 1945 den größten konventionellen Luftangriff, der jemals von den Alliierten auf eine europäische Stadt während des 2. Weltkriegs geflogen wurde, gemessen an abgeworfener Bombentonnage.

Mahnmal für die Zwangsarbeiter*innen in Dortmund-Hörde am Phoenix-See

Das ist leider kein Märchen oder ein böser Traum, sondern die blutige Wahrheit: die brutalste Variante staatlichen Unrechts – nackter Terrorismus, im Inneren wie in eroberten Landstrichen, Angst und Schrecken verbreitend – sie fällt irgendwann auf die Bevölkerung zurück, gleich wie Einzelne zum Regime standen. – Machten alle mit? Nein, es gab Widerstandsinseln. – Doch anders als im Uderzo-Gallien, waren es zu wenige der Tapferen.

Oder zu viele von jenen, die den NS-Barbaren folgten oder geflissentlich weg sahen, wenn deren Horden johlend durch die Straßen zogen, um alles, was anders war, gleich zu machen oder zu vernichten. – Das Leben muss ja weitergehen. Doch die Art und Weise, wie aus rassistischer Borniertheit Menschheitskultur in den Dreck getreten wurde, war in den eigenen Lebenswelten nicht zu übersehen. Kaum jemand konnte von sich behaupten, da sei schlichte Ahnungslosigkeit gewesen.

Über 20.000 Zwangsarbeiter*innen mussten auf dem alten Phoenix-Gelände für die Nazis schuften

Die Menschen in der Stadt, sie hätten davon gewusst, lässt Oberbürgermeister Ullrich Sierau dahingehend keine Zweifel aufkommen, anlässlich der Einweihung des Mahnmals am Phoenix-See in Dortmund-Hörde – für die damals in die Stadt verschleppten Zwangsarbeiter*innen. Um sich zugleich explizit von einer Attitüde unter Nachfahr*innen zu distanzieren, die sich mit später Geburt entschuldigt – und auf Großväter und -mütter zeigt. Ihnen wäre das nicht „passiert“, glauben sie zumindest.

Pia Emde mit Ullrich Sierau in der Installation

Nein, in eine Art Sippenhaft werden die Deutschen wegen der Nazi-Verbrechen zwar nicht genommen werden können. Doch unbedingt in eine Verantwortung – als Menschen sozialisiert in einer Kultur, welche die unbegreiflichen Taten erst ermöglichte: nämlich, sich dafür einzusetzen, dass es nie wieder geschehe. Dass Menschen wegen ihrer Herkunft, Kultur, Religion, Einstellung bis zum Tod verfolgt werden.

Und dann waren da die Zwangsarbeiter*innen: an die 80.000 gab es in all den Jahren in Dortmund; viele zusammengepfercht im „Stalag VI D“ auf dem Gelände der Westfalenhallen, wo zeitweise bis zu 10.000 Menschen gleichzeitig lebten, schlecht ernährt, der Willkür ausgesetzt.

Über ein Viertel davon hatte für den Hörder Bergwerks- und Hütten-Verein (DHHV) arbeiten müssen, einem offiziellen Außenlager des KZ Buchenwald. Dessen Produktionsstätten, Phoenix-Ost und -West, befanden sich dort, wo heute in aller Beschaulichkeit der 2010 künstlich angelegte, gleichnamige See liegt, mit der Kulturinsel, wo die 4,50 Meter hohe Skulptur nach einem Entwurf der Künstlerin Pia Emde nun eröffnet wurde.

Errichtung eines Mahnmals stößt in Teilen der Dortmunder Stadtgesellschaft auf Widerstand

Entstanden ist das Mahnmal auf Anregung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA). Einem Zusammenschluss, dem bundesdeutsche Behörden gegenwärtig versuchen, den Status der Gemeinnützigkeit zu entziehen. Das spricht Bände. Reaktionäre Politik befindet sich im Aufwind, in diesem Land.

Landessprecher des VVN-BdA: Ulrich Sander.

Auch Ullrich Sierau erinnert an schwierige Diskussionen in der Stadt, nachdem 2014 der Stadtrat endlich einen entsprechenden Beschluss über die Errichtung gefasst hatte. Allein, dass sechs Jahre bis zur Umsetzung vergehen mussten, ist ein deutlicher Hinweis. Von möglicher Ruhestörung sei die Rede gewesen – Ausflüchte freilich – bis zum offenen Hinterfragen, ob es eine solche Gedenkstätte überhaupt geben solle, rekapituliert er.

„Ich bin sehr dankbar, … dass es am Ende des Tages gelungen ist, hier die Kulturinsel für den Standort auszuwählen“, lautet sein Fazit. Abgesehen von der Nähe zu einer Lokalität in Dortmund, die aufs Engste mit der Zwangsarbeit verbunden ist, dem heutigen Phoenix-See, sowie dem „Kontrast zwischen dem Schönen hier und der schrecklichen Vergangenheit, der auch dazu beitragen soll, Erinnerungen wach zu halten oder wachzurufen“, spielen für den OB zwei weitere Gründe dafür eine Rolle, dass es eine gute Wahl war.

Lage der Skulptur: Historisch würdig und gegen Neonazi-Übergriffe gut geschützt

Erstens handelt es sich bei der Kulturinsel am Phoenix-See, die wie eine Halbinsel in ihn hineinragt, allein von ihrer Anlage her um eine stark frequentierte Stelle, die von Besucher*innen gerne betreten wird. „Alle kommen hierher. Die sollen dann hier auch damit konfrontiert werden“, betont er. Wer nur Spaß haben will, kann sich ebenso ein anderes Ausflugsziel suchen, lautet die Botschaft. Südlich des Märkischen Kreises soll es ja auch ganz nett sein.

Zweitens: Es gäbe einige Leute, „die mit der Erinnerungskultur, wie wir sie hier in der Stadt verstehen und betreiben, nicht ganz einverstanden sind“, deutet Sierau auf die notorische Dortmunder Neonazi-Szene und deren Umfeld hin. Die Beschädigung von Denkmälern sei etwas, was Dortmund immer wieder erlebt habe.

Klar: daher muss realistischerweise auch hier so lange mit solchen Versuchen Ewiggestriger gerechnet werden, wie es sie leider in der Stadt gibt. Doch etwaige Abhilfe hat die liebe Nachbarschaft parat. Weil dort die nächste Polizeiwache, mit Ausfahrt zur Faßstraße, liegt.

Und die Beamt*innen infolgedessen keine schlechten Chancen haben, schneller an Ort und Stelle zu sein, als es Polit-Vandalen aus Dorstfeld oder anderswoher gelingen könnte, nach etwaiger Schändung der Mahnstätte von der Halbinsel zu fliehen, bedeutet der OB aufmunternd in Richtung eines vielversprechend lächelnden Polizeipräsidenten. Auch Gregor Lange hatte es sich nicht nehmen lassen, (leicht verspätet) zur Einweihung zu erscheinen. Das spricht für die subjektive Relevanz des Termins.

Zwangsarbeiter*innen überall in Dortmund unter unmenschlichen Bedingungen ausgebeutet

Und die hat Gründe, gute Gründe. Zwangsarbeiter*innen wurden während des deutschen Faschismus in Dortmund nicht nur auf dem Phoenix-Gelände unter unmenschlichen Bedingungen wie Vieh gehalten und dorthin tagein tagaus zur Arbeit getrieben.

Vertreter*innen der Dortmunder Stadtgesellschaft

In Hörde bei der Stahlindustrie ging es um die Kriegswirtschaft: darum, Waffen für NS-Eroberungsphantasien zu produzieren, mitfinanziert vom Ruhrkapital, resultierend in Verbrechen gegen die Menschlichkeit – ein historischer Wirkungskomplex.

Doch die brutale Ausbeutung der aus fremden Ländern mit Gewalt rekrutierten Menschen setzte sich in anderen Teilen Dortmunds fort. Die Deutschen mussten im Totalen Krieg ja irgendwie bei Laune gehalten werden. Da nehmen sich Opfer in den eigenen Reihen, zumal wenn umfänglich, propagandistisch nicht gerade als Verkaufsschlager aus.

Es gab für die kommunalen Ruhrgebietsschergen Hitlers schönere Szenen als die im März 1945, als es beim besagten größten Luftangriff der Alliierten in Europa während des Krieges am Südeingang des Dortmunder Hauptbahnhofs nach Berichten von Zeitzeug*innen über 1.000 Tote gab. Unter denen, die nicht rechtzeitig in den Bunker fliehen konnten. Von denen, die ihn zuvor verlassen mussten, ganz zu schweigen. Sie hat vermutlich niemand gezählt. Es waren ja nur Arbeitssklav*innen.

Verschleppte Menschen bauten im NS-Dortmund den vermutlich größten Tiefbunker Europas

Sie, die Zwangsarbeiter bauten unter Dortmund den (vermutlich) größten zivilen Tiefbunker Europas – heute: konstante Temperatur 13 Grad, ein verborgenes Labyrinth, teils hüfthoch unter Wasser, das sich bis über etwa 4,3 Kilometer und drei bis fünfzehn Meter tief unter der Stadt erstreckt, Faulgase in der Dunkelheit eine beständige Gefahr – auch der OB käme da nicht rein.

Foto: LJOE

Auf ihm, über den vergessenen Stollen wurde nach dem Krieg mit strammem Blick nach vorn – und die Lästigkeiten der Vergangenheit abschüttelnd – die neue Dortmunder Innenstadt gebaut, so wie wir sie heute kennen. Der Bunker von damals reicht unter anderem bis in den Westpark, wo es seinerzeit eine große Baustelle gab, verzweigt sich ins Nirwana. Historischen Berichten zufolge kam damals beim Bunkerbau über die Nazi-„Organisation Todt“ auf zehn Zwangsarbeiter etwa ein Nazi-Aufseher.

Bei alliierten Angriffen mussten jene, die dort wie auf Phoenix ausgemergelt unter „arischen“ Augen schufteten, die Tiefbaustellen verlassen, die vielen Namenlosen, um für die selbsternannten „Herrenmenschen“ Platz zu schaffen – und waren wie an den Westfalenhallen den Bomben schutzlos ausgesetzt, die Nazi-Deutschland im Aggressionskrieg gegen fast den Rest der Welt dringend erbettelt hatte. Jetzt kam, was bestellt wurde, einschließlich Quittung. Die Sirenen der Luftabwehr begannen zu heulen.

Den Menschen ohne Namen und Gesicht etwas zurückgeben: sich an sie erinnern

Hier am Nordausgang des Dortmunder Hauptbahnhofs gab es für Parteimitglieder der Nazis einen gesonderten Eingang in den Tiefbunker

Einen gesonderten Eingang für Parteimitglieder gab es bei Luftangriffen am Nordeingang des Dortmunder Hauptbahnhofs. Gezahlt aber haben vor allem die „Untermenschen“, die Zwangsarbeiter*innen. Schutzlos, getrieben aus dem Bunker. Der, wäre er fertiggestellt worden, bis zu 100.000 „Volksdeutschen“ Obdach geboten hätte. Die Anderen, die Fremden, die waren egal.

300 Zwangs- und Kriegsgefangenenlager gab es nach bisherigen Erkenntnissen des Stadtarchivs in Dortmund. Im Mai 1943 waren nach Aufzeichnung des Ernährungsamtes über 30.000 sog. Ausländer in der Stadt interniert. Wer überlebte, wer starb, ist unbekannt, wie viele namenlose Augen des Schreckens, von Furcht, Tod, Erleichterung. Wer immer übrig blieb, das waren sie, die Vergessenen, teils Gesichtslosen, von dort aus dem Tiefbunker, vom Hörder Phoenix-Gelände, oder von anderswo, irgendwo in Dortmund, traumatisiert. Das hat auch etwas mit der deutschen „Vergangenheitsbewältigung“ zu tun, die nie eine war.

„Man hat in Deutschland insgesamt die historische Aufarbeitung der Zwangsarbeit viel zu lange liegen lassen“, legt Sierau die Hand in die Wunde der politischen Seite des Vergessens. Dadurch, dass Zeitzeugen damals nicht befragt worden seien, die viel hätten erzählen können, „ist da sehr viel Wissen, sehr viel Kenntnis verschollen und untergegangen.“

Ein Fall für den Staats-Psychotherapeuten? – In der (frühen) Bundesrepublik fehlt es an Erinnerungskultur

Erst 1998 wurde von der damaligen Schröder-Bundesregierung das Thema wieder hochgefahren, natürlich nicht selbstlos, sondern unter der Androhung von Sammelklagen und Boykott, insbesondere aus dem Exportland USA. Wirtschaftsinteressen meet Moral. Doch Ullrich Sierau, auch nicht gerade als Wirtschaftsfeind aufgefallen, ist hier klar wie Kloßbrühe: Das wäre auch früher möglich gewesen, und meint damit eindeutig die Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit als Staatsaufgabe.

Er jedenfalls fände das: „beschämend“. – Deutliche Worte. Viel zu spät für ihn. Und das ist für den OB keine Geschmacksfrage, sondern kommt aus Überzeugung; da scheint Haltung durch.

„Umso wichtiger war es uns, neben vielen anderen Orten der Erinnerung in dieser Stadt, auch diese Gedenkstätte zu schaffen.“ Dabei ginge es nicht nur um Erinnerung, der Blick richtet sich nach vorn: sondern eben auch darum, eine Zukunft zu schaffen, „die vielfältig, die tolerant ist“, so das Gegenbild.

Ein würdiges Mahn- und Gedenkmal auf der Hörder Kulturinsel – auf insistentes Drängen des VVN-BdA hin – gewidmet den Opfern, teils in den letzten Kriegstagen wie an der Bittermark hingerichtet, unbekannt, entkommen, Namen vielleicht, ein Hauch im Winde. Zu sehen, zu berühren in der begehbaren Skulptur auf der Kulturinsel am Phoenix-See.

Am Ende steht für die vor dem Mahnmal versammelten Repräsentant*innen der Dortmunder Stadtgesellschaft eins, soll es eine Zukunft geben, wie auch immer die demokratischen Fraktionen sie zu gestalten gedenken: „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“

Reader Comments

  1. Ulrich Sander

    Aus meinem Referat vom 10. Mai 2000 in der Geschichtswerkstatt in Dortmund-Hörde – vor allem über das dortige ehemalige Auffanglager und die Recherche der VVN-BdA dazu:

    Die Historikerin Dr. Gabriele Lotfi hat jetzt mit ihrem Buch “KZ der Gestapo”, Arbeitserziehungslager im Dritten Reich (Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart München 2000), aufsehenerregende und zum Teil wichtige neue Informationen über einen bisher nicht erforschten Zweig des NS-Terrorsystems vorgelegt und zudem noch die Mittäterschaft großer Teile der deutschen Wirtschaft beim Vorgehen gegen deutsche und ausländische Arbeiterinnen und Arbeiter besonders während des Krieges nachgewiesen. Ausführlich beschäftigt sich das Buch mit Hunswinkel, dem KZ der Gestapo bei Lüdenscheid.

    Zugleich haben das Internationale Rombergparkkomitee und die VVN-BdA zusätzliche Informationen über ein bisher so nicht bekanntes industrieeigenes KZ in Dortmund-Hörde – das Auffanglager Hüttenwerk der Gestapo – erhalten und veröffentlicht. Es handelt sich auch um zusätzliche Erkenntnisse zu den Kriegsendphasenverbrechen der Nazis in und um Dortmund und Lüdenscheid im Frühjahr 1945 an Jüdinnen, Widerstandskämpfern und Ausländerinnen und Ausländern.

    Historiker und geschichtsbewusste Menschen fordern vom Rat der Stadt Dortmund und der Bezirksvertretung Hörde Denkmalschutz für die Stätte des KZ-Lagers der Gestapo auf dem Werksgelände. Beispielhaft sei die Gedenkstätte an der Versetalsperre, die für das Arbeitserziehungslager Hunswinkel von der Stadt Lüdenscheid geschaffen wurde.

    Die künftige Planung für das ehemalige Hoesch-Krupp-Thyssen-Gelände dürfe nicht im Rahmen der Schaffung des Hörder Sees zur vollständigen Beseitigung der authentischen Stätte der Erinnerung an den Naziterror und seiner Opfer führen.

    Wenn bisher bekannt war, daß sich auch auf dem Gelände des Dortmund Hörder Hüttenvereins und der Westfalenhütte (später Hoesch, heute Thyssen Krupp AG) Zwangsarbeiterunterkünfte befanden, so weisen Gabriele Lotfi und das Internationale Rombergparkkomitee nun zusätzlich nach, daß sich in Kellerräumen unter der Vergüterei in Hörde ein Auffanglager für Arbeitssklaven befand. Dies stellte in den letzten Kriegsmonaten eine Durchgangsstation in den Tod dar, die vor allem russische Zwangsarbeiter aus dem Ruhrgebiet durchliefen. Inhaftiert waren hier aber auch Deutsche und Angehörige anderer Nationen, darunter jüdische Menschen. Viele von ihnen wurden dann in der Bittermark und im Rombergpark im März und April 1945 ermordet.

    Die Insassen des Lagers, vornehmlich Russen, wurden bis Anfang 1945 innerhalb und außerhalb des Werkes unter Bewachung eingesetzt. Geleitet wurde das Lager, das mit der Gestapo kooperierte, von den Mitarbeitern des Hüttenwerkes Dr. Hans Bühler, Johann Preuss, Vollrath Hoeck und Emil Krause. Letzterer hatte einen SS-Dienstgrad und hielt den Kontakt zur Gestapo, und zwar zu Kriminalsekretär Stomber. Er nahm sich nach Einmarsch der Amerikaner das Leben.

    Preuss und Krause misshandelten häufig die Gefangenen, denen Diebstahl und ähnliche Delikte vorgeworfen wurden. Um die Gefangenen zu misshandeln, wurden auch russische Hilfspolizisten, erkennbar an Armbinden, herangezogen. Die Misshandelten konnten sich im Anschluss an die Tortur nicht mehr auf den Beinen halten. Das Lager wurde bisweilen von Personen betreten, die dem Pförtner eine Gestapo-Marke zeigten.

    Die Pförtner des Hüttenwerkes vom Emschertor berichteten laut Akte 10 Js 155/49: Eines Nachts, etwa 14 Tage vor dem am 12. April 1945 erfolgten Einmarsch der US-Amerikaner, wurden 50 bis 60 deutsche und ausländische Gefangene, vornehmlich solche, die kurz zuvor erst angekommen waren, von Männern in SS-Uniform abgeholt. Sie kamen nicht zurück. Ausgewählt und somit zum Tode verurteilt hatten sie die betrieblichen Bewacher Preuß und Krause. Es blieben nur noch rund 25 Gefangene zurück, die Preuß kurz vor Einmarsch der Amerikaner bei der Gestapo in der Benninghoferstraße in Hörde ablieferte.

    Das Hörder Gestapo-Auffanglager fungierte für alle Ruhrgebietsdienststellen der Gestapo als Sammel- und Rückführungsstelle. Eingeliefert wurden u.a. mehr als hundert Essener Polizeigefangene und ehemalige AEL(Arbeitserziehungslager)-Häftlinge. Ferner deutsche “politisch Unzuverlässige” aus Gelsenkirchen. Dann die Essener Jüdinnen Julie Risse und Klara Adolph, die bis dahin überlebt hatten -, sie wurden später im Rombergpark ermordet. Lotfi: “In den Kellerräumen unter der Vergüterei war bereits eine unübersehbare Zahl von Personen aller Nationalitäten, Männer und Frauen, zusammengepfercht.” Weiter: “Zahlreiche Gefangene des Hörder Auffanglagers wurden zusammen mit Insassen des Dortmunder Polizeigefängnisses im Rombergpark und in der Bittermark hingerichtet.” Es sei sicher, “daß die Erschießungen nach den Methoden der östlichen Einsatzgruppen auf grausamste Art und Weise ausgeführt wurden. Zahlreiche Gefangene waren mit Stacheldraht gefesselt. Einige wurden schwer verletzt zu ihrer Hinrichtung geführt, nachdem sie zuvor in Vernehmungen brutal misshandelten worden waren.”

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