Von Petra Kappe und Frank Bünte
Am heutigen Samstag (8. August 2020) wird Pfarrer Friedrich Stiller vom Referat „Gesellschaftspolitische Verantwortung“ des Kirchenkreises Dortmund in der Evangelischen Kirche in Eichlinghofen die Trauerfeier für Rainer Zunder im engsten Familienkreis gestalten, der nach schwerer Krankheit mit 77 Jahren in Dortmund gestorben ist. Seine geradlinige Haltung, sein großes Wissen und sein beeindruckendes Engagement werden fehlen.
Ein vielseitig interessierter, kenntnisreicher und urteilsstarker Journalist
Dreißig Jahre lang wirkte Zunder als Politikredakteur der Westfälischen Rundschau. Und nach seiner Pensionierung hatte er das Glück, seiner Mission „Wehret den Anfängen“ als Autor, Publizist und Redakteur auf verschiedenen Nachrichtenkanälen sowie im Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus noch weitere 15 Jahre treu zu bleiben.
Kurz vor seinem Tod blickte er zufrieden auf sein Leben und dabei auch auf die „goldenen Jahre“ des Journalismus zurück, wie er es formulierte. „Wie viel inhaltliche Freiheit hatte er“, zitiert ihn heute seine Tochter Eva, „und wie viel Zeit durfte er in ausführliche Recherche und Reisen stecken!“
Seine Leidenschaft war die Geschichte, das Quellenstudium in einer Gründlichkeit und einem Streben nach Präzision, wie es heute in der arg zerzausten und wirtschaftlich geknebelten Landschaft der Tageszeitungen kaum mehr denkbar wäre. Auch vor diesem Hintergrund empfand Rainer Zunder seine Jahre bei der Westfälischen Rundschau und sein publizistisches Wirken danach als „Glücksfall“.
Seine Handschrift waren Klartext, Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit. Gern baute er kleine Ketzereien ein. Aber noch lieber nutzte er Ausflüge in den gepflegten britischen Humor, den er mit Satire oder Ironie würzte. Das Ausscheiden Englands aus der Europäischen Union begleitete er als überzeugter Europäer mit Wehmut.
„Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“ und „Wehret den Anfängen!“ als Motive des Handelns
Keinen Gedenktag ließ er vorüberziehen, ohne nicht an seine Ursprünge zu erinnern. Themen, die ihm am Herzen lagen, hatten immer zu tun mit den Geburtswehen der Demokratie, mit ihren Feinden und mit dem Widerstand gegen Faschismus, Rechtsextremismus und Menschenverachtung. Die deutsche Freiheitsbewegung bewegte ihn ebenso wie die Frankfurter Paulskirchen-Verfassung oder die Hintergründe der Machtergreifung der Nazis im Jahr 1933.
Der Nationalsozialismus entstand nicht aus dem Nichts, und wem es ernst ist mit dem „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“, der beherzigt auch das „Wehret den Anfängen!“ Dem Journalisten und Buchautor Rainer Zunder war es zutiefst ernst damit. Das entschiedene Eintreten gegen den Rechtsextremismus prägte sein berufliches und zivilgesellschaftliches Wirken über Jahrzehnte – auch persönlichen Anfeindungen und Drohungen der Neonazis zum Trotz.
Ein Politikredakteur der „Westfälischen Rundschau“ war zu seiner Zeit unweigerlich ein Generalist, und Zunder war ein vielseitig interessierter, kenntnisreicher und urteilsstarker Journalist. Gut drei Jahrzehnte berichtete, analysierte, kommentierte und glossierte er für die in Dortmund erscheinende Regionalzeitung.
Gewissenhaft und gründlich in der Recherche, pointiert und standhaft in der Meinungsgebung. Heute heißt das alte Schule, weil dereinst selbstverständliche Standards unter die Räder gekommen sind. Geschichte und Recht, Parteien und Demokratie gehörten zu seinen thematischen Schwerpunkten. Als Verfassungspatriot, Sozialdemokrat und Protestant ließ Rainer Zunder sich von starken Werten und Überzeugungen leiten.
Weder „Gutmensch“ noch „Achtundsechziger“ waren für ihn Schimpfworte
„Achtundsechziger“ verstand er nie als Schimpfwort, auch „Gutmensch“ nicht. Sein ausgeprägter Sinn für Humor und die kleinen Skurrilitäten des Alltags wirkten ansteckend auf die Menschen in seiner Nähe. Den anglophilen Europafreund schmerzte der Brexit.
Nach dem Eintritt in den Ruhestand 2006 brachte er seine vielfältigen Kompetenzen umso stärker in verschiedene Ehrenämter ein und schrieb auch journalistische Beiträge für den Blog der Republik – einige von ihnen erschienen auch auf Nordstadtblogger.
Er arbeitete in der Evangelischen Kirche und im Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus mit. Er stand in der ersten Reihe bei Demonstrationen gegen die Naziszene und erinnerte an die Verbrechen der Nationalsozialisten in seiner Heimatstadt, zuletzt in einer Veranstaltung des Deutschen Evangelischen Kirchentages vor der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache.
„Erschossen in Zicherie“, lautet der Titel eines Buches, das Rainer Zunder zu dem Fall des Rundschau-Reporters Kurt Lichtenstein geschrieben hat. Lichtenstein war nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 das erste Todesopfer an der deutsch-deutschen Grenze. Der Fall wurde erst nach der Wende juristisch aufgearbeitet. Bis dahin hatte Zunder schon alle Archive und sonstige Quellen erschlossen. Unrecht hat er nie auf sich beruhen lassen.
Gastbeiträge von Rainer Zunder für Nordstadtblogger:
CORONA: Diese Branchen und Berufe gelten als systemrelevant – und für sie gibt es Kinderbetreuung
Hier noch etwas zu seinem Kollegen bernd Gutzeit:
Reader Comments
Georg Deventer
Ihr lieben Nordstadtblogger, danke für die Veröffentlichung des Nachrufes von Petra Kappe und Frank Bünte zum Tode von unserem Freund und Weggefährten Rainer Zunder, der viel zu früh von uns gegangen ist.