Die Corona-Pandemie und der damit einhergehende Shutdown mit seinen umfangreichen Eindämmungsmaßnahmen hat im April auch den Dortmunder Arbeitsmarkt erreicht und die Arbeitslosmeldungen stark ansteigen lassen, trotz aller Bemühungen, dies durch Kurzarbeit abzufedern. Die Quote liegt aktuell bei 11,2 Prozent, eine vergleichbare Quote verzeichnete die Stadt zuletzt im April 2017. Während 35.450 Menschen arbeitslos gemeldet sind, sinkt die Arbeitskräftenachfrage weiter. Der Bezug von Arbeitslosengeld I wird für Betroffene, deren Anspruch zwischen dem 1. Mai und 31. Dezember 2020 enden würde, auf 15 Monate verlängert. Die angemeldete Kurzarbeit befindet sich branchenübergreifend, wie bereits im März abzusehen, auf sehr hohem Niveau. Valide Zahlen dazu liegen allerdings erst im Frühsommer vor.
Gastronomie und wirtschaftliche Dienstleistungen besonders betroffen
„Die Corona Krise hat von einem Monat auf den anderen die Arbeitslosigkeit flächendeckend in ganz Deutschland steigen lassen – ein Anstieg wie es ihn so in dem Ausmaß zwischen zwei Monaten in Dortmund bisher noch nicht gegeben hat. Die Kurzarbeit federt dabei viel ab, allerdings nicht alles“, resümiert Arbeitsagentur Chefin Heike Betterman. ___STEADY_PAYWALL___
Die Zahl der Menschen, die sich erstmals arbeitslos melden mussten, sei im April deutlich gestiegen, insbesondere in den Bereichen Gastronomie und wirtschaftliche Dienstleistungen; dazu zählen unter anderem auch die Reisebüros. Viele Arbeitgeber würden aber auf Kurzarbeit zurückgreifen und alles daran setzen, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten.
„Sorgen bereiten uns die stark sinkenden Abgänge in Erwerbstätigkeit und Selbstständigkeit. Nur wenige Branchen wie zum Beispiel der Lebensmitteleinzelhandel und die Logistik melden und besetzen derzeit Arbeitsstellen. Bei Arbeitgebern, die Kurzarbeit eingeführt haben, liegen Personalneueinstellungen nahezu vollständig auf Eis“, so Bettermann weiter.
Arbeitslosenquote bei 11,2 Prozent – weiterer Anstieg erwartet
Im April 2020 steigt die Zahl der arbeitslos gemeldeten Personen auf 35.450. Das sind 2.746 Menschen oder 8,4 Prozent mehr als vor einem Monat und 14,2 Prozent oder 4.415 Personen mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote für alle bei Agentur und Jobcenter gemeldeten Arbeitslosen steigt somit um 0,9 Prozentpunkte auf 11,2 Prozent. Im Vorjahr betrug die Quote 9,9 Prozent.
Davon waren 8.852 Personen bei der Arbeitsagentur und 26.598 Menschen beim Jobcenter Dortmund gemeldet. Die spezifische Arbeitslosenquote für die Agentur liegt bei 2,8 Prozent und für das Jobcenter bei 8,4 Prozent.
„Wir verzeichnen im April 1.768 arbeitslose Menschen mehr als im Vormonat. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen liegt es an weniger Abgängen, also weniger Menschen, die in berufliche Qualifizierungen, Aktivierungsmaßnahmen oder neue Arbeitsverhältnisse einmünden. Zum anderen registrieren wir mehr Zugänge, vor allem durch Selbstständige mit geringem und ganz ohne Einkommen“, erläutert Regine Schmalhorst, Geschäftsführerin des Jobcenter Dortmund.
Langfristige Effekte seien noch nicht abschätzbar, jedoch werde zunächst weiterhin mit steigenden Zahlen in den kommenden Monaten gerechnet. Und dennoch gebe es auch positive Nachrichten: Im Lager- und Logistikbereich, im Handel und im Gesundheitswesen werde viel Personal benötigt. Das Jobcenter arbeite hier intensiv an schnellen Vermittlungen.
Heike Bettermann: „Wir dürfen jetzt nicht hadern mit der Situation.“
Es werde sowohl beim Jobcenter als auch bei der Arbeitsagentur alles dafür getan, den arbeitslosen Menschen wieder eine berufliche Perspektive zu bieten. Das Vermittlungsgeschäft werde Schritt für Schritt wieder aufgenommen, wenn auch zunächst weiterhin ausschließlich durch persönliche telefonische Beratung.
Auch der Arbeitgeber-Service sei dabei, Kontakte zu den Unternehmen zu nutzen, um Stellenmeldungen zu überprüfen und zu generieren. „Erfolge werden sicher nicht schon morgen sichtbar sein, wir werden aber alles daransetzen, dass sie es so schnell und nachhaltig wie möglich sind“, macht Heike Bettermann Mut.
Die wichtigste Aufgabe der Arbeitsbehörden bleibe, die zuverlässige Zahlung von Geldleistungen, um Existenzen zu sichern. Neben dem Kurzarbeitergeld und dem Arbeitslosengeld würden hierzu auch alle Leistungen der Familienkasse gehören.
Angezeigte Kurzarbeit nach rasantem Anstieg auf sehr hohem Niveau
Die Zahl der Anzeigen von Kurzarbeit, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie bei der Agentur für Arbeit eingehen, ist rasant angestiegen. Einem aktuellen Monitoring zufolge, bei dem alle Arbeitsagenturen befragt wurden, sind im März und April 2020 (Zeitraum 1.03 bis 26.04.2020) in Dortmund 4.557 Anzeigen von konjunktureller Kurzarbeit für insgesamt 61.013 Personen bei der Arbeitsagentur eingegangen.
Es ist allerdings nicht sichergestellt, dass jede in den Anzeigen betroffene Person tatsächlich kurzarbeiten wird. Die Anzeige ist eine Vorhersage des Arbeitgebers. Die realisierten Zahlen werden erst durch die Anträge ermittelt. Valide Zahlen dazu liegen im Frühsommer vor.
Nahezu alle Branchen sind gleichzeitig von Kurzarbeit betroffen. Während früheren Wirtschaftskrisen häufig Industriebetriebe und deren nahestehenden Branchen wie die Logistik betroffen waren, sind durch die Corona Pandemie auch Branchen betroffen, die früher selten mit Kurzarbeit in Berührung gekommen sind – zum Beispiel die Reisebranche, die Gastronomie und Hotellerie, Friseure etc.
Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I auf 15 Monate verlängert
Aufgrund der außergewöhnlichen Situation auf dem Arbeitsmarkt haben diejenigen,die bereits vor der Krise arbeitssuchend waren und Arbeitslosengeld I bezogen, derzeit geringere Aussichten auf eine neue Beschäftigung. Hinzu kommt, dass die Vermittlungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten der Agentur für Arbeit aufgrund des Gesundheitsschutzes aktuell eingeschränkt sind. Daher wird das Arbeitslosengeld I für diejenigen um drei Monate verlängert, deren Anspruch zwischen dem 1. Mai und 31. Dezember 2020 enden würde.
Auch der Ausbildungsmarkt in Dortmund gerät im April ins Stocken
Der Ausbildungsmarkt 2019/2020 ist in die zweite Halbzeit gestartet. Bis zum ersten großen Starttermin im August sind es noch rund drei Monate. Die Coronakrise trifft auch den Ausbildungsmarkt. Auswahlprozesse ruhen bei vielen Unternehmen.
Insbesondere kleine Unternehmen tun sich schwer, digitale Auswahlverfahren aufgrund der Kontaktbeschränkungen, umzusetzen. Im April wurden dem Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit Dortmund noch einmal 38 neue Ausbildungsstellen gemeldet. Die Zahl der gemeldeten betrieblichen Ausbildungsstellen liegt damit aktuell bei 3.219.
Dies sind im Vorjahresvergleich 128 Stellen weniger. Seit Oktober 2019 meldeten sich 3.112 Jugendliche bei der Berufsberatung als Bewerber*innen. Das sind 387 Jugendliche oder 11,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Zum jetzigen Zeitpunkt sind davon noch 1.546 ohne Zusage. Weitere 499 haben sich schon eine Alternative gesucht, sind aber nach wie vor an Ausbildung interessiert.
Appell an die Jugend: Abwarten und den Kopf in den Sand stecken ist keine Lösung
„In diesen außergewöhnlichen Zeiten raten wir dennoch allen Jugendlichen, die in diesem Jahr ihren Schulabschluss machen, trotz Corona-Krisenmodus ihre beruflichen Perspektive nicht aus den Augen zu verlieren und sich mit der Ausbildungsplatzsuche oder Studienwahl weiter zu beschäftigen“, appelliert Heike Bettermann.
Abwarten und den Kopf in den Sand stecken, sei die falsche Reaktion. Unternehmen hätten ihre Nachwuchsgewinnung jetzt nicht eingestellt. Die Berufsberaterrinnen und Berater stünden zwar nicht für ein persönliches Gespräch zur Verfügung, sie würden aber Fragen beantworten und Hilfestellung gerne per Telefon oder via Email geben.“
Anstieg auch bei der Jugendarbeitslosigkeit – Arbeitskräftenachfrage sinkt stark
Rechtskreisübergreifend ist die Jugendarbeitslosenquote im Vergleich zum März um 1,1 Prozentpunkte auf 10,0 Prozent gestiegen. Im April waren damit 3.250 junge Menschen unter 25 Jahren arbeitslos gemeldet. Das ist ein Anstieg um 341 Personen gegenüber dem Vormonat.
Im April ist die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften deutlich gesunken. Die Dortmunder Unternehmen und Verwaltungen befinden sich aktuell im Krisenmodus, viele haben Kurzarbeit angezeigt, Personalneueinstellungen rücken demzufolge in den Hintergrund. Der Agentur für Arbeit wurden im aktuellen Berichtsmonat 642 neue Stellen gemeldet.
Das sind 519 Stellen weniger als im März. Der aktuelle Stellenbestand ist mit 5.106 offenen Stellen um 12,1 Prozent niedriger als im Vormonat. Arbeitskräfte werden aktuell im Lebensmittel-Einzelhandel, in der Logistik, in der Verwaltung und im Gesundheits- und Sozialwesen gesucht.
Zu- und Abgänge sorgen für viel Bewegung auf dem Arbeitsmarkt in Dortmund
Arbeitslosigkeit ist kein fester Block, vielmehr gibt es auf dem Arbeitsmarkt durch die Zu- und Abgänge in bzw. aus Arbeitslosigkeit viel Bewegung. In der Stadt Dortmund wurden im April 6.091 Männer und Frauen erstmals oder erneut arbeitslos registriert. 2.259 Personen kamen davon aus einer Beschäftigung am 1. Arbeitsmarkt.
Das sind 407 Personen mehr als im Vormonat. 3.361 meldeten sich im April bei der Arbeitsagentur und dem Jobcenter aus der Arbeitslosigkeit ab. 1.018 Menschen beendeten wegen der Aufnahme einer Beschäftigung am 1. Arbeitsmarkt ihre Arbeitslosigkeit. Das sind knapp 600 weniger als im Vormonat.
Auch hätten sich viele Menschen, die zuletzt eine Weiterbildung, eine Qualifizierung, eine Sprachförderung oder ein Coaching abgeschlossen haben, zunächst arbeitslos gemeldet. Der Arbeitsmarkt sei krisenbedingt aktuell wenig aufnahmefähig.
Unterbeschäftigung leicht gesunken
In der Unterbeschäftigung werden zusätzlich zu den registrierten Arbeitslosen auch die Personen erfasst, die nicht als arbeitslos im Sinne der Sozialgesetzbücher (SGBIII und SGBII) gelten, weil sie zum Beispiel wegen der Teilnahme an Qualifizierungs-, Trainings- oder Beschäftigungsmaßnahmen, wegen Krankheit oder vorruhestandsähnlicher Regelungen nicht als arbeitslos gezählt werden.
Die Unterbeschäftigung ist in diesem Monat gestiegen. Insgesamt sind im April 47.256 Personen in der Unterbeschäftigung registriert. Das sind im Vergleich zum Vormonat 1.464 Personen oder 3,2 Prozent mehr. Der Anteil der Arbeitslosigkeit an der Unterbeschäftigung ist im April um 3,6 Prozentpunkte auf 75,0 Prozent gestiegen. Die Unterbeschäftigungsquote liegt im Berichtsmonat April bei 14,5 Prozent (Vorjahr: 13,5 Prozent).
Alle Zahlen und Daten zum Arbeitsmarkt können hier nochmal detailliert eingesehen oder heruntergeladen werden: Arbeitsmarktreport April 2020
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NGG Dortmund (Pressemitteilung)
4.557 Anträge bis Ende April – Lockdown in Dortmund: Mehr als jede dritte Firma in Kurzarbeit
Mit Kurzarbeit durch die Krise: In Dortmund hat seit Beginn der Coronavirus-Pandemie mehr als ein Drittel aller Unternehmen (36 Prozent) Kurzarbeit angemeldet. Das teilt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mit. Die NGG beruft sich hierbei auf neueste Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA). Danach haben bis Ende April 4.557 der insgesamt 12.779 Betriebe in der Stadt Kurzarbeitergeld bei der BA beantragt. Zum Vergleich: Zu Beginn der Corona-Krise im März waren es noch 376 Firmen. In ganz Nordrhein-Westfalen haben bislang rund 152.000 Betriebe Kurzarbeit angemeldet – das ist ebenfalls gut jeder dritte Betrieb. Torsten Gebehart, Geschäftsführer der NGG-Region Dortmund, spricht von einer „Erschütterung auf dem heimischen Arbeitsmarkt“.
Besonders betroffen ist das Gastgewerbe. „Die Branche liegt seit Wochen weitgehend brach. Gerade kleinere Hotels und Gaststätten kämpfen ums Überleben. Es ist gut, dass die Bundesregierung ein riesiges Rettungspaket für die Unternehmen geschnürt hat. Aber für die Beschäftigten kommt die beschlossene Erhöhung des Kurzarbeitergeldes zu spät“, sagt Gebehart. So steigt das Lohnausfallgeld erst nach sieben Monaten Kurzarbeit auf 80 Prozent (Eltern: 87 Prozent) des Netto-Einkommens. Für Köchinnen, Kellner und Hotelangestellte sei das eine enorme Durststrecke. „Vielen wird nur der Gang zum Sozialamt oder zum Job-Center bleiben“, warnt Gebehart.
Eine Mitverantwortung für die Lage trage auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga): Anders als etwa in der Systemgastronomie (u.a. McDonald’s, Starbucks, Nordsee) weigerten sich die Arbeitgeber bis heute, das Kurzarbeitergeld per Tarifvertrag aufzustocken.
Umso wichtiger sei nun, eine Perspektive für die langsame Wiederbelebung des Gastgewerbes zu finden – „vorausgesetzt, der Gesundheitsschutz für Beschäftigte und Gäste ist sichergestellt“. Bei jedem Restaurant, das in Dortmund wieder öffnen wolle, müssten die Behörden kontrollieren, ob die Schutzmaßnahmen für die Gäste ausreichen, so die NGG. „Gaststätten, Cafés und Bars sind eigentlich Orte der Geselligkeit. Jetzt müssen die Gäste darauf vertrauen können, dass sich keiner ansteckt“, macht Geschäftsführer Gebehart deutlich.
Um die Beschäftigten optimal vor Infektionen zu schützen, sei eine gründliche Gefährdungsbeurteilung nötig. „Darüber hinaus braucht es ausreichend Personal, das sich neben Küche und Service darum kümmert, dass die Hygiene- und Abstandsregeln wirklich eingehalten werden: Kellnerinnen, die darauf achten, dass Tische und Stühle nicht zusammengeschoben werden. Und ebenso genug Köche in der Küche, damit es keinen Wartestau beim Essen und damit ein zu volles Lokal gibt. Kein Restaurant sollte hier auf Sparflamme kochen, sondern die Wiedereröffnung frühzeitig akribisch planen“, so Gebehart.
Doch bis wieder ein „Stück Normalität“ in die Branche einziehe, bleibe der Schaden für Beschäftigte und Betriebe groß. Nach Angaben der Arbeitsagentur haben bis Ende April bundesweit 751.000 Betriebe Kurzarbeit angemeldet – 115.000 davon im Hotel- und Gaststättengewerbe. Das sind 72 Prozent aller Betriebe der Branche.