Nicht nur die Baugeschichte der Gebäude, sondern auch deren Nutzung hat sich unser Heimatforscher Klaus Winter angesehen. Diese beleuchtet er im dritten und letzten Teil unserer Mini-Serie zur Geschichte des Depot.
Von Klaus Winter
1925 wurden auf dem Betriebshof Immermannstraße neben den schienengebundenen Fahrzeugen auch Omnibusse untergebracht. Die Dortmunder Straßenbahnen GmbH versicherte mit Schreiben vom 7. Juli 1925 der städtischen Baupolizei-Verwaltung, dass es sich dabei um eine provisorische Maßnahme handeln würde, da unklar sei, ob und wie lange der Omnibusbetrieb aufrecht halten werden würde. ___STEADY_PAYWALL___
Ein Jahr später stand fest, dass der Omnibusbetrieb Bestand hatte. Ein Teil der 1923 fertiggestellten Wagenhalle wurde für die Busse ausgebaut. 1929 wurde auch eine Tankanlage auf dem Gelände hergestellt. Schließlich wurden in der zuletzt gebauten Halle die Oberleitungsbusse („Obusse“) untergebracht. Als das geschah, war der Zweite Weltkrieg bereits ausgebrochen.
Aufgabenbereiche der Hauptwerkstätte
Über den Betrieb in der Hauptwerkstätte zwischen den beiden Weltkriegen finden sich in den Geschäftsberichten der Dortmunder Straßenbahn GmbH einige Hinweise.
Gemäß den Berichten aus dem Zeitraum von 1919 bis 1938 teilte sich das Aufgabengebiet der Hauptwerkstätte in die Bereiche Hauptrevisionen, (größere) Reparaturen, die nach Verkehrsunfällen nötig wurden, und Lackierarbeiten. Außerdem wurden auch Schienenfahrzeuge selbst gebaut.
Die Zahl der Trieb- und Beiwagen, die einer Revision unterzogen, stieg von Jahr zu Jahr. Waren es im Geschäftsjahr 1919/20 noch 138 Straßenbahnfahrzeuge, waren es rund zehn Jahre später bereits 166 Triebwagen und 93 Beiwagen sowie ein Schienenreinigungswagen, drei Selbstentlader, ein Werkswagen, ein Bahnmeisterwagen und drei Autobusse.
Die Zahl der Straßenbahnen, die vor allem nach Verkehrsunfällen repariert werden mussten, schwankte im Zeitraum 1919 bis 1929 um vierzig. Eine Ausnahme bildete das Geschäftsjahr 1923/24, in dem nur 14 Trieb- und drei Beiwagen nach Unfällen mit Lastkraftwagen wiederhergestellt werden mussten.
Stark ausgelastet war die Lackierwerkstatt. Ihren absoluten Höhepunkt erreichte dieser Betriebsteil im Geschäftsjahr 1924/25, in dem – nach vorangegangener gründlicher Instandsetzung – 24 Trieb- und 96 Beiwagen lackiert wurden. Zufrieden stellte man anschließend fest, dass „nun alle Betriebsmittel über den angestrebten einheitlichen Anstrich verfügen.“
Neuentwicklungen und Umbauten
Neben der Pflege des Fuhrparks beschäftigte man sich in der Hauptwerkstätte auch mit dem Neubau von Bahnen, insbesondere von Spezialfahrzeugen. Schon 1919 wurde ein Aufenthaltswagen für Streckenarbeiter entwickelt. Im selben Jahr erhielt die Werkstatt den Auftrag, ein Schienenreinigungswagen zu bauen, der dann auch im Folgejahr in Betrieb genommen werden konnte. Wieder ein Jahr später stand die Entwicklung eines Versuchswagens auf der Auftragsliste.
Von 1924 bis 1926 wurden nach der Vorgabe „aus zwei mach eins“ kleine Beiwagen in größere umgewandelt. Nachdem der Umbau der Anhängerwagen abgeschlossen war, wurden noch fünf mit einachsigen Drehgestellen ausgestattete Triebwagen umgebaut und in Form und Ausstattung den Wagen angepasst, die 1925 neu angeschafft worden waren.
1931 wurden die Schmalspurwagen der ehemaligen Hörder Kreisbahn, die 1927 von der Dortmunder übernommen worden war, umgerüstet. Von nun ab konnten alle Fahrzeuge auf einem Schienennetz mit einheitlicher Spurweite betrieben werden.
Ausstattung der Hauptwerkstätte
Zur Bewältigung des Aufgabenspektrums mussten im Laufe der Zeit weitere Maschinen angeschafft und neue Anlagen gebaut werden. Kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs konnte man nicht davon ausgehen, nur neuwertige Produkte erwerben zu können. So heißt es im Bericht für das Geschäftsjahr 1919/20, dass außer einer Federprüfmaschine eine gebrauchte größere Drehbank beschafft worden war. Die vorhandenen Maschinenanlagen für die Metallverarbeitung wurden 1924/25 erweitert.
1936 wurde in der Hauptwerkstatt ein Prüfstand für Kraftomnibusmotoren eingebaut, im Folgejahr eine Anker-Auswuchtungsmaschine aufgestellt. In der mechanischen Abteilung leitete man 1938 anlässlich der Ersatzbeschaffung von vier Drehbänken, einer Gewindeschneidemaschine und einer Hobelmaschine die Umstellung auf Einzelantrieb ein. Der aufgrund der stark angestiegenen Schweißarbeiten dringend erforderlich gewordene weitere Schweißumformer wurde beschafft. Gleichzeitig wurden zur Leistungssteigerung Werkzeuge durch Neubeschaffung ersetzt.
Personal
Über das in der Hauptwerkstätte beschäftigte Personal lassen sich nur wenige Nachrichten feststellen. Vor 1928 wurde in den Geschäftsberichten die Zahl der Arbeitnehmer der Werkstatt mit denen der Schneiderei zusammengefasst; eine Aufteilung ist nicht möglich.
Ab 1928 erfolgte dann ein separater Ausweis des Werkstattpersonals in den Geschäftsberichten – nun sogar nach Geschlechtern unterschieden:
- 1928: 137 Männer, 1 Frau
- 1929: 126 Männer, 1 Frau
- 1930: 134 Männer, 1 Frau
- 1931: 134 Männer, 1 Frau
- 1932: 109 Männer, 1 Frau
- 1933: 102 Männer, 1 Frau
- 1934: 99 Männer, 1 Frau
Weitere Zahlen liegen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg nicht vor.
Streik, Inflation, Ruhrbesetzung – alle Krisen trafen den Betriebshof
Die Geschäftsberichte überliefern auch nur wenige zusätzliche Informationen zum Personal an der Immermannstraße. So erwähnt der Bericht für das Geschäftsjahr 1919/20 einen einwöchigen Streik um höheren Lohn (04.-11.11.1919).
Im Krisenjahr 1923, als die große Inflation in Deutschland wütete und Franzosen und Belgier das Ruhrgebiet besetzten, um die Reparationsforderungen durchzusetzen, verloren viele Arbeiter der Werkstätte ihren Arbeitsplatz. Die Entlassungen betrafen auch den alten Personalstamm. Um weitere Entlassungen zu vermeiden, wurden Feierschichten eingelegt. 1924 besserte sich die Situation wieder.
1929 wurde die Lösung eines wohl schon längere Zeit währenden Problems in Angriff genommen: Die Unterkunftsräume des Personals waren unzureichend. Nun wurde, um zusätzlichen Raum zu gewinnen, das an die Hauptwerkstätte angebaute Kleidermagazin aufgestockt.
1933, als die Nationalsozialisten an der Macht waren, wurde den Straßenbahn-Beschäftigten ein Vorschuss ausgezahlt, um ihnen die Beschaffung von SA- und NSBO-Uniformen zu erleichtern.
1935 wurde „den Teilnehmern an Lehrgängen und Kursen der Partei sowie den kurzfristig zu Wehrmachtsübungen Einberufenen“ der volle Lohn weitergezahlt mit der Einschränkung „unter Kürzen des Erholungsurlaubes um ein Drittel, jedoch um nicht mehr als 10 Tage.“
Der Zweiter Weltkrieg bedeutete einen massiven Einschnitt
Auch die Vorbereitungen auf einen möglichen Krieg wurden begonnen. Im Geschäftsbericht für 1936 hieß es: „Die vom Werkluftschutz geforderten Schutzmaßnahmen wurden auch im Berichtsjahre weiter durchgeführt.“ Der tatsächliche Nutzen dieser Maßnahmen ist unbekannt.
Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs erlitt der Gebäudekomplex der Straßenbahn schwere Zerstörungen, die nicht sämtlich nach Kriegsende beseitigt wurden. Von den drei aneinander gebauten Hallen wurde nur die mittlere wieder aufgebaut.
Das Werkstattgebäude wurde ebenfalls wieder hergestellt. Nach der Wiederinbetriebnahme erfolgten dann immer wieder Modernisierungen, die sich teilweise noch heute am Äußeren des Gebäudes ablesen lassen.
Der Straßenbahn-Betriebshof wurde 1973 geschlossen. Heute erheben sich auf dem Gelände, auf dem die drei großen Hallen erbaut worden waren, die vier Häuserzeilen der sogenannten Papageien-Siedlung. (Der Volksmund hat der Siedlung den Namen aufgrund ihren farblichen Gestaltung verliehen.)
Die Hauptwerkstätte blieb bis 1996 in Betrieb. Dann wurden alle Arbeitsbereiche zum Betriebshof Dorstfeld verlagert. In das Werkstatt-Gebäude zogen Kulturschaffende ein und verwandelten die alte Hauptwerkstätte in das KulturDepot.
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Reader Comments
Bebbi
Danke für die Serie.