Es gilt als eines der schönsten Jugendstilhäuser Dortmunds: das Gebäude an der Lübecker Straße 34/36. Seitlich rahmen es Häuser, die ebenfalls diese Stilepoche repräsentieren. Nach und nach wurden die Fassaden denkmalgerecht saniert und bieten nun einen reizvollen Anblick – Grund genug, sie als Denkmal des Monats vorzustellen.
Jugendstil erfreut sich in der Architektur bis in die Gegenwart großer Beliebtheit
Vor mehr als 100 Jahren kamen weder Architekt*innen, Künstler*innen noch Handwerker*innen am Jugendstil vorbei. Diese Stilrichtung erfreute sich außerordentlicher Beliebtheit, an der sie bis heute nichts eingebüßt hat. Bei diesem positiven Image wundert es kaum, dass so manche Immobilienmakler*innen einige ihrer Objekte mit Jugendstil umschreiben, auch wenn dies mitunter einer stilkritischen Betrachtung nicht standhält.
Der Jugendstil, der in Deutschland seine Blütezeit von etwa 1890 bis 1910 erlebte, ist in anderen europäischen Ländern auch unter Art Nouveau oder in Österreich als Sezessionsstil bekannt. Der Name leitet sich von einer ab 1896 in München erscheinenden Zeitschrift „Jugend“ her, dessen Illustrationen von Architekt*innen und Künstler*innen in der Architektur, der bildenden und angewandten Kunst nachgeahmt wurde.
Am besten ist der Jugendstil in der Behandlung der Fläche erkennbar, die in große, schattenlose und gemusterte Formen gegliedert wird. Dabei werden langgezogene, schwingende und reich gewundene Linien zum Ausdrucksträger. Frauengestalten, Pfauen, Schwäne und Seerosen entwickeln sich zu den Lieblingsmotiven.
Das prächtigste Gebäude: Doppelwohnhaus in der Mitte der Lübecker Häuserzeile
Eine Idee von der Vielfalt dieses variantenreichen Dekorationsstils kann man bei einem Spaziergang durch die Lübecker Straße erleben. Anders als bei einheitlich geplanten Straßenzügen, bei denen dominierende Bauten die Enden einer Häuserreihe fassen, bildet den städtebaulichen Höhepunkt das Doppelwohnhaus Nr. 34/36 in der Mitte der Lübecker Straße.
Es entstand 1902/03 im Auftrag des Bauherrn Karl Tillmann nach Plänen des Dortmunder Architekten F. Meyer. Zwar hat der Architekt die beiden Haushälften symmetrisch aufeinander bezogen, in sich sind die beiden Einzelgebäude jedoch asymmetrisch: Die mittlere Hauptachse mit dem vorspringenden Erker konkurriert mit der seitlichen Doppelachse der Hauseingänge.
Besonders deutlich wird der Einfluss des Jugendstils in den Einzelformen der durch Vor- und Rücksprünge plastisch durchgearbeiteten Fassade und den punktuellen Einsatz roter Backsteine als farblichen Kontrast zur hellen Steinputzfassade.
Im Sinne des vom Jugendstil angestrebten Gesamtkunstwerks sind von den Gittern der Kellerfenster über die Haustüren bis zur Bauzier mit ihren dynamischen Formen alle Elemente aufeinander abgestimmt. Besonders ins Auge fallen die durch schwungvolle Bleisprossen geteilten Oberlichter der Fenster.
Abklingen zu den Enden: Elemente des Jugendstiels sind dünner gesät
An den Häusern links und rechts vom Gebäude Lübecker Straße 34/36 lässt sich gut ablesen, wie der Einfluss des Jugendstils nach und nach zurückgeht. Nach Süden schloss sich mit der Hausnummer 32 bereits 1903 ein Wohnhaus an, das der Bauunternehmer Friedrich Schulte plante und mit seiner Firma selbst bezog. Deshalb findet sich in der asymmetrisch gegliederten Fassade eine Hofeinfahrt.
Neben reichem pflanzlich- und abstrakt-schwungvollem Jugendstildekor sowie den beliebten Masken junger Mädchen ließ der Bauherr mit Winkelmaß, Hammer und Reißschiene Hinweise auf seinen Beruf anbringen.
1904 und 1907/08 folgten weitere Gebäude des Bauunternehmers Schulte. Bei diesen Objekten fällt die Asymmetrie auf den ersten Blick kaum auf. Das Haus Nr. 28 aus dem Jahr 1904 schmücken noch immer Jugendstilelemente in abstrakten oder floralen Formen – dazu gehört auch der Lebensbaum im Eingangsbereich. Die Schmuckelemente sind nun wesentlich sparsamer eingesetzt als noch beim 1903 vom selben Bauherrn errichteten Gebäude Nr. 32.
Noch punktueller und in abstrakter Vergröberung angebracht ist das Dekor am Haus Nr. 26. Auch bei den Gebäuden Nr. 38 bis 42 im Norden der Lübecker Straße (im Vordergrund) nehmen sowohl Asymmetrie als auch Schmuckreichtum zum Ende der Straße hin ab. Sie waren alle 1905 vom Bauunternehmer Paul Thorbauer geplant und nach und nach errichtet worden.
Sukzessive Fassadensanierung: Farbigkeit nach ursprünglichem Erscheinungsbild wieder hergestellt
Trotz mehrerer Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg blieb – bis auf das komplett zerstörte Haus Nr. 30 – die Substanz der Häuserreihe gut erhalten. Vor allem die Dächer waren beschädigt und wurden teilweise vereinfacht wiederhergerichtet. In der Folgezeit, besonders in den 1970er und 1980er Jahren, erhielten einige der Gebäude bunte Anstriche nach den damals verbreiteten Geschmacksvorstellungen.
Bei der sukzessiven Sanierung der Fassaden in den letzten Jahren wurden nicht nur Risse „gekittet“, Gitter entrostet oder Fenster restauriert, sondern sie bekamen nach Farbbefunderhebungen eine dem ursprünglichen Erscheinungsbild angenäherte Farbigkeit zurück. So vermitteln sie ein geschlossenes Straßenbild.
Im privaten Inneren der Gebäude finden sich zudem noch viele originale Details aus der Erbauungszeit wie Treppengeländer, Wohnungstüren, Beschläge oder Stuckdecken.
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