Das rechtsextremistische Attentat in Hanau hat nicht nur bundesweit Betroffenheit und Trauer ausgelöst. Sondern ebenso Wut und Widerstand. Auch in Dortmund zeigten und zeigen viele Menschen, zivilgesellschaftliche Organisationen, Parteien und Vertreter*innen religiöser Gemeinschaften Flagge: gegen Hass, Einschüchterung und Gewalt. – Und es gab und gibt Kritik an der AfD. Schlussendlich werden die Rechtspopulist*innen von vielen für den Terror wegen ihrer Dauerhetze gegen alles Fremde mitverantwortlich gemacht. Und damit dürfte auch morgen nicht Schluss sein.
Kreisverband der Dortmunder Grünen: Hetze und Relativierung von NS-Verbrechen tragen Mitschuld
Auf entschiedenen Widerstand bei Kreisverband und Ratsfraktion der Grünen stoßen die Äußerungen des Kreissprechers der AfD zu den rechtsextrem motivierten Morden in Hanau. Der Sprecher hatte eine Mitverantwortung für Partei für die Tat zurückgewiesen.
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„Das Gegenteil ist der Fall. Die AfD ist eine rechtspopulistische Partei, deren Grenzen zum Rechtsextremismus fließend sind. Wer seit Jahren politisch gegen Geflüchtete, Migrant*innen und People of Colour agitiert und hetzt, wer den Nationalsozialismus und seine Verbrechen relativiert, der trägt die Mitschuld für ein gesellschaftliches Klima, in dem sich Menschen inzwischen trauen, der Agitation auch Taten folgen zu lassen“, heißt es in einer Stellungnahme des Kreisverbandes.
Die Konsequenz dessen ist für die beiden Grünen-Sprecher*innen Katja Bender und Julian Jansen unzweideutig: „Die AfD ist eine der geistigen Wegbereiter*innen für die unzähligen Angriffe auf Geflüchtete und Zugewanderte und letztlich auch für die Morde in Halle und Hanau.“
Keine klare Distanzierung zu Höcke: „Die Dortmunder AfD ist ein brauner Wolf im Schafspelz“
Wie nah die Dortmunder AfD dabei anscheinend dem rechtsextremen Flügel der Partei stünde, zeige die Bewertung des thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke – durch besagten AfD-Kreissprecher: „Statt einer klaren Distanzierung von Höcke, der laut Gerichtsurteil Faschist genannt werden darf, hält ihn der Sprecher des Dortmunder Kreisverbands einzig für nicht liberal genug“, kritisieren die Grünen.
Auch das mache wiederum deutlich: „Die Dortmunder AfD ist ein brauner Wolf im Schafspelz, der gerade auch in der anstehenden Kommunalwahl energisch bekämpft werden muss.“
Die Dortmunder Zivilgesellschaft habe in den vergangenen Tagen bei Demos und Mahnwachen deutlich Flagge gegen rechte Hetze gezeigt. Alle demokratischen Parteien hätten mehr denn je die Pflicht, „Rassismus und eine Atmosphäre des Hass, die die AFD verbreitet, zu bekämpfen“.
Mahnwache gegen Hass und Gewalt – Dortmunder Stadtgesellschaft zeigt den Schulterschluss
„Spaltung überwinden, Brücken überschreiten, Vorurteilen entgegenwirken.“ Das sei das einzige Mittel gegen rechte Tendenzen, die Demokratie und Freiheit in unserem Land bedrohten, erklärte Pfarrer Friedrich Stiller, Sprecher des Dortmunder Arbeitskreises gegen Rechtsextremismus bei einer Mahnwache für die Opfer des Gewaltverbrechens von Hanau.
Unterschiedliche Dortmunder Organisationen hatten gemeinsam dazu in der Dortmunder Innenstadt aufgerufen. Mehrere hundert Dortmunder*innen waren dem spontanen Aufruf gefolgt. Zwischen Hauptbahnhof und Stadtkirche St. Petri demonstrierten Vertreter*innen zahlreicher Gruppierungen eindrücklich den Schulterschluss gegen rechte Gewalt und Faschismus.
Darunter Religionsgemeinschaften, Parteien, die Stadt Dortmund, der kurdische Kulturverein und der türkische, demokratische Arbeiterverein DIDF. Auch der „Dialogkreis der Abrahamsreligionen“, dem evangelische und katholische Kirche, der Rat der muslimischen Gemeinden und die jüdische Kultusgemeinde angehören, hatte sich dem gemeinsamen Aufruf angeschlossen.
Rabbiner Baruch Babaev: Angst „fesselt uns und gibt uns nicht die Liebe, aufeinander zuzugehen.“
Rabbiner Baruch Babaev sprach den Angehörigen der Getöteten, aber auch der gesamten Gemeinde, denen sie angehörten, sein Beileid aus. Er verwies auf ein jüdisches Kinderlied, das mit den Zeilen beginne: „Man soll keine Angst haben“. Angst, so der Rabbiner, „fesselt uns und gibt uns nicht die Liebe, aufeinander zuzugehen.“ Er strecke allen Andersdenkenden seine Hand aus und lade sie ein, zu ihm zu kommen.
Aziz Aslandemir, Vorsitzender der Alevitischen Gemeinde in Dortmund, zitierte den ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog: „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen“, auch angesichts der rechtsextremistischen Gewalt sei das dringend notwendig.
Der Vertreter des Rats der Muslimischen Gemeinden, Emre Gülec, appellierte an alle freiheitsliebenden Demokraten: „Wir sind traurig und – ja – auch wütend. Aber wir werden uns von diesen hasserfüllten Menschen keine Angst einflößen lassen.“
Gegen Einzeltäter-Theorie – AfD versucht, „Klima der Einschüchterung und Ausgrenzung“ zu schaffen
Dass es bei rechtsextremistischen Gewalttaten keineswegs nur um einzelne Straftäter gehe, machte Pfarrer Friedrich Stiller klar. „Die Einzeltäter-Theorie sollten wir endlich aufgeben“, forderte der evangelische Theologe. Er verwies auf offenkundige Verbindungen rechter Gewalt zu rechtspopulistischer Stimmungsmache. „Der Tabubruch zeigt Wirkung“, stellte der Leiter des Referats für gesellschaftliche Verantwortung im Evangelischen Kirchenkreis Dortmund. Er gehe von Strömungen aus, die das Gift des Hasses verspritzen.
Hier wiederum schließt sich der Kreis zur AfD. Auch in Dortmund versuche die AfD ein Klima der Einschüchterung und Ausgrenzung zu schaffen, so der Sprecher der Grünen-Ratsfraktion, Ulrich Langhorst. „Alles, was eine offene, freie, pluralistische und demokratische Stadtgesellschaft ausmacht, verachten sie und wollen es streichen. Damit stoßen sie auf unseren entschiedenen Widerstand“, macht er klar.
Und nennt konkrete Beispiele: „Vorherrschendes und so gut wie einziges Thema der AfD im Rat und in den Ausschüssen ist immer wieder der vermeintlich unrechtmäßige Aufenthalt von Geflüchteten in Dortmund und ihre schnellstmögliche Abschiebung.“ Viel mehr käme da nicht.
Gleichzeitig habe die AfD in den Haushaltsberatungen gefordert, „die Mittel für die Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie, für das kommunale Integrationszentrum, die Ombudsstelle für Bürgerinteressen und -initiativen oder auch für die Koordinierungsstelle für Lesben, Schwule und Transidente zu streichen“.
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Erstes „Rathaus-Sturm“-Verfahren: Neonazi wegen Körperverletzung und versuchter Nötigung verurteilt
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Ulrich Sander
10:1 in Hanau 2020, 3:1 in Dortmund 2000 – Was wäre uns erspart geblieben, wenn der Fall Berger untersucht und die Hintergründe ausgeklärt worden wären?!
Ich fand diesen Artikel wieder:
Schredderaktion nach 16 Jahren bekannt geworden
Bei der Aufzählung der Amokläufer fehlt neben der politischen Motivation von Amokläufern immer der Name Michael Berger, der im Jahr 2000 drei Polizisten und sich selbst erschoss. Die Neonazis bekannten sich anonym zu ihm: „Er war einer von uns. 3:1 für Deutschland.“ Dennoch wurde der Fall nie untersucht; der Täter war ja tot.
Nun wird die Frage neu gestellt: War der Polizistenmörder Michael Berger ein V-Mann des Verfassungsschutzes? Dieses Gerücht hält sich hartnäckig, seit er im Juni 2000 den größten Polizistenmord in der BRD-Geschichte beging und eine Polizistin und zwei weitere Polizisten in Dortmund und in Waltrop erschoss. Um diese Frage zu klären, hat der Bundestagsabgeordnete Erich G. Fritz (CDU) im Februar 2007 eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Er möchte wissen: „War der 31jährige M. B. in irgendeiner Form Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW, eines anderen Sicherheitsdienstes oder als V-Mann tätig? Gab es gelegentliche oder regelmäßige Kontakte zwischen Sicherheitsdiensten und M. B., die klären könnten, dass B. gegenüber mehreren Personen erklärt haben soll, er halte den Druck nicht mehr aus, einerseits der rechtsextremen Szene anzugehören und andererseits als V-Mann zu arbeiten?“ Der MdB bekam keine Antwort und beruhigte sich wieder.
Nun ist mehr als ein Gerücht zu diesem Thema wieder da. Im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtages von Nordrhein-Westfalen wurde bekannt: Am selben Tag, an dem Berger und die Polizisten starben, ging ein Fax des Verfassungsschutzes in Dortmund ein: Berger sei Mitglied der DVU und der NPD nahe stehend gewesen. War das alles? Nein, es gab eine ganze Akte über Berger, die Akte KK1540077, die am selben Tag gelöscht wurde. Gefragt, warum es geschah, wußte der ehemalige Referatsleiter Hans Peter Lüngen keine Auskunft zu geben.
Die „Ruhrnachrichten“ fanden heraus, was in der geschredderten Akte stand. An Stelle der vernichteten war eine neue Akte angelegt worden, in der nichts von Wert stand. In jedem Fall hat Berger mit dem inzwischen verbotenen Nationalen Widerstand in Verbindung gestanden, er taucht auf Fotos mit Hitlergruß auf, ebenfalls in Telefonlisten. Ein Waffenarsenal von beträchtlichem Format war bei Berger gefunden worden. Im Untersuchungsausschuss in Düsseldorf wurde nun gesagt, dass in der Akte KK 15400077, die Berger nur kurz überlebte, „eventuell Erkenntnisse von Interesse gewesen sein könnten.“ Doch nun ist es zu spät.
Ulrich Sander
Multikulturelles Forum e.V.: Stellungnahme zum Jahrestag des rechtsterroristischen Anschlags von Hanau
Multikulturelles Forum e.V.: Stellungnahme zum Jahrestag des rechtsterroristischen Anschlags von Hanau
Wir trauern und erinnern an die Opfer des rechtsterroristischen Anschlags von Hanau – Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin.
Vor einem Jahr, an Tag eins nach dem Anschlag, forderten wir, die Dinge beim Namen zu nennen und endlich über Rassismus zu sprechen – dass dies nun seit einiger Zeit in den Medien, der Politik und der öffentlichen Diskussion geschieht, ist ein wichtiger Schritt. Ebenso wichtig finden wir es, dass die Opfer ein Gesicht bekommen, dass ihre Namen präsent sind, Betroffene und Hinterbliebene zu Wort kommen.
Doch noch immer ist ein weiter Weg zu gehen: Noch immer ist viel zu oft die Rede von „Einzeltaten“, die Kontinuität und das Ausmaß des Problems wird noch zu häufig verkannt. Noch immer werden rassistische Äußerungen als hinnehmbar und Rassismuserfahrungen als Befindlichkeiten deklariert. Rechte und rechtspopulistische Stimmen sind noch immer laut und überschreiten wiederholt die einst geltenden Grenzen des Sagbaren. Der gesellschaftliche Kontext, in dem rassistische Haltungen zu Handlungen werden, ist noch immer aktuell.
Gerade mit Blick auf den Umgang mit den Überlebenden und Hinterbliebenen des Anschlags in Hanau werden Erinnerungen an den NSU-Komplex wach. Auch die Versäumnisse und Unklarheiten in der Aufarbeitung des Anschlags wecken Befürchtungen, das eine umfassende Aufklärung erneut ausbleiben könnte. Deshalb schließen wir uns den Angehörigen, Überlebenden und Betroffenen des Anschlags, die sich zur Initiative 19. Februar Hanau zusammengeschlossen haben, an und teilen ihre Forderungen: Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung und Konsequenzen.
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