Interview mit HWK-Abteilungsleiter: Was ist gegen den Fachkräftemangel im Handwerk zu tun, Herr Schmidt?

Das Handwerk benötigt qualifizierten Nachwuchs. Foto: HWK Dortmund
Der Fachkräftemangel und die damit verbundene Suche nach Nachwuchskräften bleibt weiterhin eines der beherrschenden Themen im Handwerk. Allein im Kammerbezirk stehen aufgrund des demographischen Wandels in den nächsten Jahren 20 Prozent der Betriebe zur Übergabe an. Foto: HWK Dortmund

Handwerk ist wieder im Trend, die Ausbildungszahlen von 2019 zeigen dies. Doch den Nachwuchs für sich zu begeistern, ist gar nicht so leicht für Betriebe. Tobias Schmidt, Leiter der Ausbildungsberatung der Handwerkskammer (HWK) Dortmund, steht Rede und Antwort. 

Wie attraktiv ist das Handwerk im Jahr 2020? 

Attraktiver als noch vor ein paar Jahren. In 2019 ist es uns nach sieben Jahren erstmals wieder gelungen, bei den neu abgeschlossenen Lehrverträgen im Kammerbezirk Dortmund die 4.000-Marke zu knacken. Ein großer Erfolg! 

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Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass sich viele Berufe im Handwerk gerade sehr stark wandeln; dazu gehören etwa effizientere Verarbeitungstechniken, Vereinfachungen schwerer Arbeiten und, natürlich, zahlreiche digitale Instrumente und Hilfsmittel. Das Handwerk ist up to date, was unsere Berufe wieder attraktiver macht. Der „klassische“ Allround-Handwerker wird aber deshalb nicht verschwinden, er ist weiterhin gefragt. 

Was glauben Sie, womit lassen sich junge Menschen für eine duale Ausbildung begeistern?

Tobias Schmidt ist Leiter der Ausbildungsberatung der Handwerkskammer (HWK) Dortmund. Foto: HWK

Mit guten Karrierechancen. Man kann als Praktikant starten und binnen weniger Jahre als Unternehmer sein eigener Chef sein. Mit gutem Gehalt. Man kann als Azubi so begeistert sein vom Lernen, dass man später ein Studium an der FH aufnimmt, wenn man das möchte. Ebenso können Quereinsteiger im Handwerk erfolgreich ihren Weg gehen. 

Außerdem gibt es so viele Fort- und Weiterbildungen, mit denen man sich später auf einzelne Segmente spezialisieren kann. Nichts ist unmöglich, solange man mit Begeisterung bei der Sache ist! Die Novelle des Berufsbildungsmodernisierungsgesetzes tut ein Übriges, eine Ausbildung im Handwerk attraktiver zu machen. 

Zum einen mit den neuen internationalen Bezeichnungen „Bachelor Professional“ und „Master Professional“, die eine bessere Vergleichbarkeit zu akademischen Profilen ermöglichen sollen, zum anderen etwa mit der Mindestausbildungsvergütung. Vielleicht wären ja auch coolere Bezeichnungen für Berufe, wie von BiBB-Präsident Prof. Hubert Esser schon öfter gefordert, ein probates Mittel zur Attraktivitätssteigerung. 

Immer mehr Ausbildungsbetriebe klagen, keinen passenden Nachwuchs zu finden. Was sind die drei Hauptgründe dafür?

Erstens: Die demographische Entwicklung. Bis 2035 sinkt die Zahl der Erwerbstätigen voraussichtlich um mindestens 4 Millionen. Zweitens: Die wachsende Akademisierung. Das Handwerk, gerade auch hier im Kammerbezirk, konkurriert mit einer ganzen Reihe von Hoch- und Fachhochschulen. Allein in Bochum und Dortmund studieren rund 75.000 Personen. Im gesamten Kammerbezirk gibt es über alle Lehrjahre hinweg über 10.000 Auszubildende. 

Die Einzugsbereiche von Hochschulen sind natürlich größer als die des Handwerks in der Region, doch, wenn wir nicht ins Abseits geraten wollen, müssen wir viel mehr als bislang die Mobilität und den Zugang zu überregionalen Ausbildungsangeboten fördern. Auch bauen wir auf positive Effekte durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das im März in Kraft treten soll. Und Drittens: Die mangelnde Kenntnis über Karriere- und Entwicklungswege im Handwerk. 

Wie müssen sich die Betriebe heutzutage aufstellen, um gute Azubis zu finden?

Die Dortmunder Kammer hat den Smartphone-Videowettbewerb „Mein Job ist mein Ding“ für Auszubildende gestartet.
Beispiel, wie man die jungen Leute erreichen kann: ein Smartphone-Videowettbewerb für Azubis. Foto: HWK

Sie müssen klar kommunizieren, warum es sich lohnt, bei ihnen ausgebildet zu werden. Am besten mit digitalen Medien, weil die jungen Leute nun einmal primär dort unterwegs sind und sich informieren. Parallele Angebote wie Doppelqualifizierung und Auslandspraktika, Teilnahmen an Wettbewerben und betriebliche Benefits steigern die Attraktivität eines Ausbildungsunternehmens natürlich deutlich. 

Gleichzeitig muss ein Betrieb, der Auszubildende sucht, sich stark vernetzen, um bei der Findung zu punkten Sie können sich an Vermittlungsprojekten beteiligen, Schulpartnerschaften pflegen oder mit der Arbeitsagentur und Bildungsträgern kooperieren. 

Sind Prämien / Boni / Dienstwagen / E-Bikes / Ähnliches gute Helfer für die Besetzung freier Lehrstellen?

Selbstverständlich haben solche „Goodies“ Einfluss, es wäre naiv, dies von der Hand zu weisen. Vordergründig sollte es aber um die Vermittlung fachlicher Inhalte gehen. Die jungen Leute müssen den Eindruck gewinnen, dass der Betrieb an ihnen als Mensch und Fachkraft interessiert ist und ihnen eine gute berufliche Zukunft bieten kann. 

Welche Unterstützungsangebote gibt es für die Handwerksbetriebe von der Kammer?

Die „Qualitätsinitiative betriebliche Ausbildung“ (QiA) von der Handwerkskammer (HWK) Dortmund hat zum Ziel, dass Fachkräfte und Nachwuchs durch Verbesserungen in der Ausbildung gesichert werden. 
Foto: HWK Dortmund

Die Handwerkskammer und auch die Kreishandwerkerschaften unterstützen die Betriebe mit Beratung und Vermittlung. Wir präsentieren die Berufe und die Angebote für unsere Betriebe auf verschiedenen Messen und Veranstaltungen. Wir helfen den Unternehmen beim Finden geeigneter Auszubildender. 

Wir stellen unsere Angebote für Betriebe vor und sensibilisieren in wachsendem Maße für Chancen und Potenziale, die die Ausbildung junger Leute mit sich bringt. Aktuell bieten wir folgende Projekte an: 

Passgenaue Besetzung – Unterstützung von Betrieben bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen, Beruflicher Bildungslotse – Beratung von Schülerinnen und Schülern beim Übergang in den Beruf, Ausbildungsoffensive im Handwerk – Beratung von Betrieben, die lange oder noch nie ausgebildet haben, Unterstützung beim Wiedereinstieg in die Ausbildung sowie Willkommenslotse – Beratung von Geflüchteten und Betrieben bei der Integration in Ausbildung, Praktikum oder Arbeit. 

Warum sollten wieder mehr Betriebe als bisher junge Menschen ausbilden?

Weil sie Fachkräfte brauchen, die man am besten durch eine fundierte Ausbildung qualifiziert und an sich bindet. Ohne ein Team geht es nicht weiter, da braucht man keine Pläne schmieden – nicht in naher Zukunft und nicht in ferner. Denken Sie doch nur an die vielen Betriebsübergaben, die in den nächsten Jahren in deutlich wachsender Zahl anstehen. 

Allein bei uns im Kammerbezirk sind es rund 20 Prozent der Betriebe, die in den nächsten Jahren zur Übergabe anstehen. Das sind de facto 4000 Chancen für leistungsstarke Talente, als junge Unternehmer durchzustarten und mit guten Mitarbeitern etwas fortzuführen und auszubauen. Das geht am besten mit einer guten Ausbildung als Basis sowie der Meisterqualifikation und dem Betriebswirt des Handwerks on top.

 

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  1. Handwerkskammer (HWK) Dortmund (Pressemitteilung)

    HWK-Präsident zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Wichtiger Baustein für qualifizierte Zuwanderung

    Am 1. März tritt das Fachkräfteeinwanderungs- gesetz der Bundesregierung in Kraft. Hierzu erklärt Berthold Schröder, Präsident der Handwerkskammer (HWK) Dortmund:

    „Das Gesetz ist ein wichtiges Instrument, um der Fachkräfteknappheit entgegenzuwirken. Der Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern wird in den kommenden Jahren immer weiter steigen.“ Schon heute hätten viele Handwerksunternehmen Probleme, freie Stellen zu besetzten. „Daher begrüßen wir es sehr, dass das Fachkräfteeinwanderungsgesetz die Zuwanderung beruflich Qualifizierter deutlich erleichtert.“

    Um die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts zu erhalten, müsse man schon heute gezielt handeln und sämtliche Fachkräftepotentiale erschließen, die zur Verfügung stehen. Die Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland bilde hierbei eine wichtige Säule.

    Um die Chancen des Fachkräfteeinwanderungsgesetztes voll auszuschöpfen, sei es zudem notwendig, dass die Umsetzung möglichst unbürokratisch erfolge. Schröder: „Wir dürfen unsere Attraktivität für Fachkräfte aus dem Ausland nicht durch unnötige bürokratische Hürden gefährden.“

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