Gute Stimmung im Dortmunder Rathaus: In Rekordgeschwindigkeit hat die Bezirksregierung in Arnsberg den Doppelhaushalt für die Jahre 2020/2021 genehmigt. Das Gesamtvolumen für 2020 liegt bei rund 2,7 Milliarden Euro. Regierungspräsident Hans-Josef Vogel übergab im Beisein von Ferdinand Aßhoff (Abteilungsleiter der Kommunalaufsicht der Bezirksregierung) den Bewilligungsbescheid. Zudem gab es viel Lob für die Arbeit von Stadt und insbesondere Kämmerei.
Dortmund kann nun frühzeitig die Investitionen in Höhe von 285,2 Millionen Euro starten
Das Entscheidende: Mit dem Testat aus Arnsberg kann Dortmund nun das riesige Investitionspaket auslösen. Der Doppelhaushalt sieht 285,2 Mio. Euro in 2020 und in Höhe von 289,3 Mio. Euro in 2021 an Investitionen vor. Nun können u.a. die Bauaufträge vergeben werden – es riesiges Konjunkturpaket insbesondere für die regionale Wirtschaft.
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Der Rat der Stadt Dortmund hat in seiner Sitzung am 12.12.2019 die Haushaltssatzung für die Jahre 2020 und 2021 beschlossen. Damit hat er von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, mit einem „Doppelhaushalt“ den finanziellen Handlungsrahmen der Stadt gleich für die kommenden zwei Jahre festzulegen. Dieser wurde nun von der Bezirksregierung genehmigt.
In der Satzung ist für beide Jahre eine Verringerung der sog. „allgemeinen Rücklage“ vorgesehen. Dies bedeutet, dass die Erträge im städtischen Haushalt die veranschlagten Aufwendungen nicht in voller Höhe decken. Diese Verringerung bedarf nach der Gemeindeordnung NRW der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Die erforderliche Genehmigung überreichte heute Regierungspräsident Hans-Josef Vogel an Oberbürgermeister Ullrich Sierau.
Bezirksregierung Arnsberg genehmigt mit Rekordtempo Dortmunder Doppelhaushalt
„Die Einreichung des Doppelhaushalts im Januar 2020 und seine Genehmigung im Januar 2020 ist Rekord – das hat es so noch nicht gegeben. Unser Dank gilt der Bezirksregierung und dem Regierungspräsidenten Hans-Josef Vogel“, so der OB nahezu überschwänglich.
„Wir sind schon seit vielen Jahren eine Kommune, die ohne Haushaltssicherungskonzept auskommt und nie Teil des Stärkungspakts war – wir können also weiterhin aus eigener Kraft arbeiten“, sagte Sierau.
Bereits in den vergangenen zwei Jahren gab es die Bewilligung jeweils am 13. Februar. In seiner Neujahrsrede hatte Sierau den anwesenden Regierungspräsidenten „herausgefordert“, ob dessen Behörde die Genehmigung auch wieder zum 13. Februar hinbekomme – zur Not auch wegen des Doppelhaushalts einen Tag später zum Valentinstag.
Vogel nahm es sportlich und die Herausforderung an – um intern dem Leiter der Kommunalaufsicht den Wunsch mit auf den Weg gegeben, noch eine Schippe drauf zu legen und bis Ende Januar fertig zu werden.
„Neben der sportlichen Herausforderung ist es aber in Zusammenarbeit mit Dortmund kein Hexenwerk, das in vier bis fünf Wochen zu prüfen“, kommentierte Ferdinand Aßhoff. „Wir erleben den Haushalt in Durchführung und Aufstellung mit. Mit Dortmund ist es eine ausgesprochene einfache Arbeit, die man gerne tut.“
Kein Anlass für „Spendierhosen“ trotz deutlich gestiegener Wirtschaftskraft
Auch wenn die Stimmung geeignet gewesen wäre, die Sektkorken knallen zu lassen, bemühten sich alle Seiten, Wasser in den Wein zu gießen. Sie warnten insbesondere mit Blick auf den Doppelhaushalt darauf, die Spendierhosen anzuziehen.
„Nicht alles, was jemand haben will, ist bezahlbar“, so Aßhoff, der zugleich deutlich machte, dass auch der genehmigte Haushalt wieder ein Minus von 50 Millionen Euro ausweise.
Dennoch sah auch Arnsberg die Stadt Dortmund auf einem sehr guten Weg. Nicht nur die Einwohnerzahlen, auch die Wirtschaftskraft sei deutlich gestiegen. So war der Dortmunder Anteil an der Einkommenssteuer von 148 Millionen Euro in Jahr 2006 auf 251 Millionen in 2018 angewachsen. „Das ist eine Zahl, die sich nicht jede Kommune im Ruhrgebiet anheften kann“, betonte der Chef der Kommunalaufsicht.
Welche Bedeutung Dortmund nicht nur als größte Stadt im Regierungsbezirk hat, liegt auch an der Prognose, dass sie wohl die einzige Stadt sein wird, die bis 2040 einwohnermäßig weiter wächst. „Das hat auch für die benachbarten Städte eine positive Wirkung, wenn hier etwas wächst“, verdeutlichte Vogel.
OB Ullrich Sierau – ein Fan von Statistiken und Rankings zumindest aus dem eigenen Haus – verwies dabei auch gleich auf die aktuellste Einwohner*innen-Zahl: Waren es am Jahresende 603.609 Menschen, die in Dortmund leben, waren es Ende Januar erneut schon wieder rund 1.000 Menschen mehr.
Haushaltsausgleich bleibt in weiter Ferne, so lange das Land nicht Aufgaben refinanziert
Apropos Zahlen: Trotz aller Anstrengungen konnte jedoch kein ausgeglichener Haushalt erreicht werden. So steht im Jahr 2020 rund 2,68 Mrd. Euro Aufwendungen ein Ertragsvolumen in Höhe von rund 2,63 Milliarden Euro gegenüber.
Für das Jahr 2021 werden bei Gesamtaufwendungen in Höhe von 2,77 Milliarden. Euro Erträge in Höhe von rund 2,71 Milliarden Euro erwartet.
Damit fehlen zu einem Haushaltsausgleich im Jahr 2020 etwas 54,3 Mio. Euro, im Folgejahr erhöht sich das vorläufige Defizit auf 57,3 Mio. Euro. Nach der aktuellen Planung werden in den Jahren 2022 und 2023 mit 58,9 Mio. Euro und 58,2 Millionen Euro ähnlich hohe Verluste erwartet, erst danach reduziert sich der Fehlbetrag auf etwa 43,5 Millionen Euro.
In allen Jahren liegen die erwarteten Fehlbeträge unter der sogenannten „5-%-Grenze“, die nach der Gemeindeordnung NRW die Pflicht zur Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzepts auslöst, was nahezu zwangsläufig mit Einschnitten bei den kommunalen Leistungen verbunden wäre. In den Vorjahren 2017 bis 2019 hat die Stadt Dortmund weit besser abgeschnitten als geplant. Das erwartet sie auch für 2020 und 2021.
Rückendeckung aus Arnsberg für Dortmunder Kritik an Bund und Land
Kritik für den Griff in die Rücklagen gab es dafür nicht aus Arnsberg: „Das ist in Ordnung, dafür ist die Rücklage da. Wir haben volles Vertrauen in die Stadt, dass sie verantwortungsvoll arbeitet“, so der Regierungspräsident.
Wenn die genannten Planzahlen für die Folgejahre auch noch von großen Unsicherheiten geprägt seien, so zeigen sie nach Ansicht der Dortmunder Stadtspitze doch: „Ein echter Haushaltsausgleich ist trotz größter Anstrengungen für die Stadt Dortmund in den nächsten Jahren kaum erreichbar.“
Nicht zuletzt deshalb, weil Bund und Land den Kommunen weiterhin Aufgaben aufbürdeten, ohne sie ausreichend zu finanzieren. „Umso wichtiger ist, dass das Land als verlässlicher Partner seiner Verantwortung nachkommt, übertragene Aufgaben auch angemessen zu finanzieren“, sagte Sierau u.a. mit Blick auf die Übernahme der Altschulden sowie der Kosten für die Flüchtlingsintegration, die die NRW-Kommunen seit Jahren einfordern.
Für die Kritik gab es indirekt auch Rückendeckung aus Arnsberg: „Ich komme aus der Kommunalverwaltung. Mich hat immer aufgeregt, wenn die Genehmigung des Haushalts erst Mitte des Jahres kam“, sagte Vogel, früher Bürgermeister in Arnsberg. Ihn habe auch immer aufgeregt, „wenn Bund und Land Aufgaben übertragen, aber den Scheck dafür vergessen haben“.
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Dortmunder Ratsfraktion DIE LINKE & PIRATEN (Pressemitteilung )
Kommunalfinanzbericht: Ruhrgebietskommunen weiter in finanzieller Schieflage
Zum aktuellen Kommunalfinanzbericht des Regionalverbandes Ruhr (RVR) äußert sich der finanzpolitische Sprecher Utz Kowalewski der Dortmunder Ratsfraktion DIE LINKE & PIRATEN besorgt. „Der Finanzbericht behandelt das Hochkonjunkturjahr 2018. Damals hat Dortmund – wie auch die meisten anderen Ruhrgebietsstädte – erstmals einen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet. Dennoch sind die strukturellen Probleme des Ruhrgebietes auch auf dem Höhepunkt der wirtschaftlichen Entwicklung nicht gelöst worden“, so Kowalewski.
Der Finanzbericht des RVR beschreibt ein gleich 5-faches Dilemma:
1) Durch den Strukturwandel wurde die Steuerbasis der Kommunen erodiert.
2) Die Sozialabgaben sind im Vergleich zum Rest des Landes überdurchschnittlich angestiegen und wurden durch den Bund unterfinanziert.
3) Die Realsteuerhebesätze wurden als Gegenreaktion drastisch erhöht.
4) Die Investitionen wurden abgesenkt und Sparprogramme aufgelegt.
3) und 4) konnten aber die durch 1) und 2) entstanden Haushaltslöcher nicht kompensieren.
5) Durch die Dauerfinanzierung der Defizite durch Liquiditätskredite baute sich eine überdurchschnittliche Zinsbelastung auf, die ebenfalls nur durch weitere Liquiditätskredite getragen werden konnte. Die Liquiditätskredithöhe entspricht rund dem 11-fachen des Durchschnitts der übrigen westdeutschen Flächenländer. Diese fünf Punkte wurden als Vergeblichkeitsfalle beschrieben, die nur durch Hilfe von Land und Bund verlassen werden kann.
Utz Kowalewski, der auch OB-Kandidat der Linken ist, fordert daher eine baldige Entschuldung des Ruhrgebietes. „Über Jahrzehnte hinweg haben wir als Ruhrgebiet den Rest der Republik wirtschaftlich stabil gehalten. Nun brauchen wir selbst Hilfe – es wird Zeit für eine umfassende Entschuldung des Ruhrgebietes durch die Bundesregierung. Das Konjunkturhoch ist vorbei. Die wirtschaftliche Entwicklung trübt sich wieder ein. Aus eigener Kraft wird das Ruhrgebiet es nicht schaffen“, so Kowalewski.