Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Das Depot stellt vor“ steht der nächste Künstler in den Startlöchern. Und mit Wolfgang Schmidt ist kein Unbekannter, sondern einer der renommiertesten Depot-Künstler an der Reihe. So ist seine Installation im Rahmen der Kulturhauptstadt 2010, bei der 100 Ruhr-Figuren aus Edelstahl im ganzen Ruhrgebiet verteilt wurden, die in ihrer Gesamtheit von oben aus der Luft betrachtet wieder genau diese Ruhr-Figur ergaben, unvergessen – eine präzise durchdachte Großaktion, die überregional für viel Anerkennung sorgte. In der Galerie im Depot stellt er nun Grafiken aus, die sich auf Grundlage seiner-Ruhr-Figur mit dem Oberthema Europa auseinandersetzen. Unter dem Titel „Europeana“ werden kulturell, politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich relevante Themen, die in den jeweiligen Ländern aktuell vorherrschen, künstlerisch verpackt, reduziert, komprimiert und auf die Figuren übertragen.
Europa im Wandel: Ausstellung einer offenen Serie, die noch erweitert wird
Wolfgang Schmidt variiert in seiner künstlerischen Arbeit ein einziges Thema: eine aufrecht stehende, stark abstrahierte Figur. In immer neuen Zusammenhängen findet er auch nach fast 30 Jahren immer neue Lösungen für alles, was ihn künstlerisch bewegt
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„Europeana“ ist ein weiterer Beweis dafür, wie sich der Künstler stets selbst neu erfindet und zeigt seine unglaubliche kreative Vielfalt und Bandbreite, die er mit viel Hingabe und Humor in nur einer einzigen Figur zu realisieren weiß.
So schrieb die Kunsthistorikerin Linda Walther über seine Arbeit: „Durch seine motivische Beschränkung auf „seine“ Figur, gewinnt er auf überraschende Weise größte Unbeschränktheit. Die Reduktion der Mittel bringt klarere Aussagen.“
Wie der Titel bereits verrät, beschäftigt sich die Ausstellung mit Europa. Es gibt Werke zu nahezu allen europäischen Ländern, lediglich fünf fehlen noch, sollen aber in absehbarer Zukunft das Werk noch erweitern. Es handelt sich bei der Ausstellung um Werke einer offenen Serie, denn so wie sich Europa im Wandel befindet, ist auch der künstlerische Prozess nicht abgeschlossen, sondern geht unentwegt weiter.
Das Einzelwerk soll sich dem Gesamtkonzept unterordnen
Wolfgang Schmidt betont, dass sich das Einzelwerk, dem Konzept unterzuordnen habe, und dem übergeordneten Konzept somit eine höhere Gewichtung zukommt.
„Europeana umfasst ausschließlich grafische Arbeiten, die größtenteils digital am Rechner entstanden sind. Ansonsten arbeite ich mit den unterschiedlichsten Materialien und Techniken.
In der Ausstellung werden neben den Grafiken einige ausgewählte Skulpturen zu sehen sein. Da wird dann auch schonmal zur Laubsäge gegriffen und die Figur ausgesägt“, so der sympathische Künstler.
Hauptsächlich werden jedoch digital erstellte Grafiken zu sehen sein, die durch Skulpturen ergänzt werden.
Die Arbeiten entstehen meist zunächst als Bleistiftzeichnungen, bevor sie dann digital am Rechner mit Programmen wie Freehand oder Illustrator in Vektorgrafiken umgewandelt werden.
Da die „Europeana“-Arbeiten oftmals auf den ersten Blick sehr abstrakt wirken, sind die Titel der Werke so gewählt, dass sofort klar wird, um welches Land es gerade geht und welche Problematik verarbeitet wurde.
Beschränkung auf ein einzelnes Motiv als absolute Gestaltungsfreiheit
Man versteht die Arbeit des Künstlers am ehesten, wenn man verinnerlicht, das für Wolfgang Schmidt die Beschränkung auf ein einzelnes Motiv die absolute Gestaltungsfreiheit bedeutet. Was zunächst abstrakt erscheint, erschließt sich jedoch beim Betrachten seiner Arbeiten.
Als Betrachter*in ist man verblüfft, wie es Schmidt gelingt, komplexe Sachverhalte auf die Formate seiner Figur zu übertragen und zu komprimieren.
Was im Gespräch, in der Zeitung, im Radio oder im Fernsehen viele Worte braucht, um erklärt zu werden, erschließt sich vielleicht nicht immer auf den ersten Blick, aber spätestens bei genauerer Betrachtung ist man verblüfft vom Einfallsreichtum des Künstlers.
So zeigt beispielsweise die Grafik mit dem Titel „Über GB“ die Figur zur Hälfte in rot und zur anderen Hälfte in blau gefärbt. Die Farbbereiche sind durch eine gezackte Linie im Brustbereich der Figur voneinander getrennt. Inhaltlich hat sich Schmidt bei dieser Arbeit mit der Scheidungsrate in England beschäftigt.
Ungeheure Themenvielfalt zeigt, was Europa aktuell bewegt
Eine weitere Grafik mit dem Titel „Über NL“ beschäftigt sich mit der Entwicklung der Erdölförderung in den Niederlanden. Sie zeigt eine waagerechte Figurenreihe unterschiedlicher Größe. Durch Anordnung und Größe ergibt sich hier eine Art Diagrammkurve, die die Entwicklung der Erdölförderung in den Niederlanden widerspiegelt.
Die Grafik „Über Island“ fällt im ersten Moment durch ihre Buntheit ins Auge. Doch wer denkt, der Künstler spiele hier mit der Kolorierung, der irrt. Denn die Figuren und ihre Einfärbung beziehen sich auf die Sitzverteilung der unterschiedlichen Parteien im isländischen Parlament Althing.
Weitere Arbeiten beschäftigen sich unter anderem mit den unterschiedlichen Ethnien im Kosovo. Hier ergeben die einzelnen Figuren der Arbeit den geografischen Umriss des Kosovo auf der Landkarte. Es geht ferner um so vielfältige und unterschiedliche Themen wie die häufigsten Todesursachen in Deutschland, die Entwicklung der Internetnutzung in Tschechien, den Drogenkonsum in Portugal, die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Spanien, die verschiedenen Religionen in Russland, die Unfallstatistik Irlands und vieles vieles mehr.
Ausstellung ist bis zum 23. Februar zu sehen – der Eintritt ist frei
Die Ideen zu Wolfgang Schmidts Arbeiten entstehen oft bei der Internetrecherche. Meist startet er eine Google-Bildersuche zum jeweiligen Land und lässt sich überraschen, welche Themen vorherrschen. Besonders angesprochen fühlt sich der studierte Grafik- und Objektdesigner hierbei von statistischen Darstellungen wie Kreis- oder Balkendiagrammen.
„Solche Darstellungen regen immer besonders meine Fantasie an“, so Schmidt. Es sei eine besondere Herausforderung, denselben Sachverhalt völlig anders darzustellen. Das gilt für seine Arbeit im allgemeinen. Sie zeichnet sich durch die serielle Wiederholung aus, die jedoch immer wieder anders erscheint, transformiert und neu erfunden wird.
Die Ausstellung wird am Donnerstag, den 6. Februar 2020, um 19 Uhr eröffnet. Sie wird vom 7. bis zum 23. Februar immer donnerstags und freitags im Zeitraum von 17 bis 20 Uhr und samstags und sonntags von 16 bis 19 Uhr zu sehen sein. Weitere Termine können mit dem Künstler vereinbart werden (mail-Adresse im Anhang des Artikels). Der Eintritt ist kostenlos.
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