Von Rolf Pfeiffer
Acht Leute treffen beim Casting für ein neues Showformat à la „Big Brother“ aufeinander, sind großkotzig und unsicher, haben Streß, produzieren unfreiwillig Komik: So ein Komödien-Setting ist geradezu unkaputtbar, und das mag ein Grund für die „Theatergruppe Glassbooth“ gewesen sein, es für ihr erstes Stück mit dem Titel „Container Love“ zu verwenden.
Tragikomische Mischung ist gelungen – mehr als oberflächliche Schenkelklopfer
Doch erstaunlichweise bleibt es nicht bei schenkelklopfender Heiterkeit mit Oberflächlichkeitsgarantie. Das Stück ist anspruchsvoller geraten, häufig tiefgründiger und kritischer, als man nach manchen Ankündigungen erwarten konnte. Und in seiner tragikomischen Mischung ist es rundum gelungen.
Es spult sich so munter und professionell ab, daß einem 90 Minuten Theater richtig kurz vorkommen. Das Timing funktioniert exzellent, die Darstellerriege zeigt sich charakterstark und hoch präsent – und eigentlich könnte ich jetzt schon aufhören zu schreiben, denn wer wesentlich mehr wissen und sich niveauvoll amüsieren möchte, sollte sich „Container Love“ im Depot einfach ansehen.
Unsichtbarer Regisseur als grundlegendes Strukturelement
Ein paar Bemerkungen gibt es aber doch noch, auch für das bessere Verständnis. Grundlegendes Strukturelement ist der unsichtbare Regisseur, der aus dem Off heraus spricht und den Bewerbern reihum mehr oder weniger sinnfreie Aufgaben stellt. Weil diese Aufgaben mitunter gar nicht konkret formuliert werden oder nebulös bleiben, erfüllen die Bewerber sie naheliegenderweise mit dem, was ihnen gerade dazu einfällt.
So erzählt eine junge Frau (Nora Bauckhorn) im schrillen Schulmädchen-Outfit davon, daß der Onkel sie immer in sein Bett geholt und mit ihr gespielt habe und sie ihm dann nach vielen Jahren aus Rache den Pimmel samt Vorhaut mit Sekundenkleber verklebte. Das ist nicht lustig, sondern abgründig, und rückt gesellschaftliche Wirklichkeit ins Licht , die in den Spielshows quotengeiler Fernsehproduzenten keinen Platz hat. Unversehens wird „Container Love“ da politisch – einige Male jedenfalls, und nicht übertrieben natürlich.
Misslungene Casting-Plots hübsch und harmlos-schräg
Meistens verlaufen die Casting-Plots hübsch harmlos-schräg oder gehen völlig daneben. So, wenn Marlon Bösherz als schüchtern-arroganter Jungmime, Absolvent der Schauspielschule Ernst Busch, sich in mehrere Geschäfte begibt, um als Kunde in Kundenbeziehungen zu scheitern.
Natürlich spielt er in seinem verdrucksten Begehr dann nicht, wie er glaubt, die Hauptrolle, sondern seine Partnerin produziert sich, die ihm ein Brot nicht verkauft, seinen Antrag wegen Fehlen eines Formblatts zurückweist, die Bestellung für ein Frühstück nicht annimmt usw.
Munter reihen sich die Szenen, und es würde den Rahmen dieses Berichts sprengen, auch nur einen kleinen Teil von ihnen wiederzugeben. Bis auf eine sind sie recht akzeptabel. Gegen Ende des Castings jedoch wird den Bewerbern aufgegeben, „richtiges“ Theater vorzuspielen.
Und was sie dann zeigen, ist eine Klein-Fritzchen-Phantasie von modernem Theater, in der sich ein debiler Halbnackter rote Aufkleber auf den Körper pappt und ein anderer in Frischhaltefolie wickelt. Gibt es alles, klar, ist aber doch ein Zerrbild des eigenen Gewerbes, dessen sich Theaterleute enthalten sollten.
Fetzige Tanz- und Gesangseinlage als ein munteres Break
Wenn Szenen ihr Ende finden oder völlig aus dem Ruder zu laufen drohen, vereint sich das Ensemble zu einer kurzen, fetzigen Tanz- und Gesangseinlage, einem munteren Break. Nora Bauckhorn, Marlon Bösherz, Tanja Brügger, Dominik Hertrich, Timo Knop, Dietmar Meinel, Alexandra Schlösser und Anabel Starosta formen unter Leitung von Jens Dornheim das erfreulich homogene Ensemble, alle seien sie gepriesen. Und da weiteres Lob schon am Anfang fiel, ist hier am Schluß jetzt Platz für etwas anders, nämlich zwei Vorschläge.
Potential zur großen Silvesterkomödie
Erstens: Eine heiter farbige Kulisse wäre doch viel schöner als das Existentialisten-Schwarz, gegen den die „Theatergruppe Glassbooth“ hier – wenngleich erfolgreich – anspielen muß. Könnte man sich vielleicht am Farbdesign der einschlägigen Shows orientieren?
Zweitens (aber vielleicht ist das ja auch geplant): Das Stück hat das Potential zur großen Silvesterkomödie. Am letzten Abend des Jahres am besten zwei- oder dreimal spielen und mindestens doppelten Eintritt nehmen! In den letzten Jahren war das Angebot an Silvester-Theater im Ruhrgebiet kümmerlich, „Container Love“ könnte hier vieles zum Besseren wenden.
Weitere Termine:
Theater im Depot Dortmund
- Donnerstag, 25. September, 20 Uhr; Eintritt: VVK 13 € / 8 € erm. AK 15 € / 10 € erm. Theater im Depot, Immermannstraße 29, 441147 Dortmund, www.depotdortmund.de
Zeche Carl Essen
Sonntag, 14. September, 19 Uhr
Orangerie-Theater im Volksgarten Köln
- Donnerstag, 16. Oktober, 20 Uhr
- Freitag, 17. Oktober, 20 Uhr
- Samstag, 18. Oktober, 20 Uhr
- Sonntag, 19. Oktober, 19 Uhr (!)
Rottstraße 5 Theater Bochum
- Freitag, 24. Oktober, 19:30 Uhr
Spielraum Bottrop
- Sonntag, 2.November, 19 Uhr
Weitere Termine werden rechtzeitig bekanntgegeben.
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