Armut in Dortmund: NGG-Gewerkschaft warnt vor Armut bei Minijobbern – Grüne laden zum Diskurs über Kinderarmut

Wenn es am Monatsende zu eng wird: Wegen niedriger Einkommen sind viele Menschen auf Zusatzeinkünfte – wie hier aufs Pfand-Sammeln – angewiesen. Foto: NGG Gewerkschaft

Die gesellschaftliche Schere zwischen Arm und Reich klappt immer weiter auf, auch in Dortmund. Ein großer Teil der 107.000 Menschen, die in Dortmund nur einen Teilzeit- oder Minijob haben, ist nach Einschätzung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) von Erwerbsarmut bedroht. Insbesondere Frauen, die halbtags oder nur einzelne Tage in der Woche arbeiten, fehlt am Monatsende das nötige Geld. Außerdem zeigt der aktuelle Bericht zur sozialen Lage in Dortmund: Fast jedes dritte Kind unter 15 Jahren ist armutsgefährdet. Anlässlich dieser Entwicklung lädt die Ratsfraktion der Grünen unter dem Titel „Alles andere als kinderleicht“ zu einer Diskussionsrunde am 30. September 2019 um 19 Uhr ins Dortmunder Rathaus, um den Ursachen auf den Grund zu gehen und Strategien zur Bekämpfung von Kinderarmut zu erarbeiten.

Wenn ein Kinobesuch oder ein neuer Schulranzen Luxus bedeuten

„Für viele Familien in der Stadt ist ein Kinobesuch oder ein neuer Schulranzen längst zum Luxus geworden“, sagt Manfred Sträter von der NGG Dortmund mit Blick auf aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts. Danach ist jeder fünfte Haushalt (19,3 Prozent) im Regierungsbezirk Arnsberg armutsgefährdet. Im Jahr 2005 waren es noch 14,9 Prozent. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung hat. 

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Gewerkschafter Sträter warnt vor einer „Schieflage in der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt“. Es könne nicht sein, dass sich Tausende nötige Dinge des Alltags nicht mehr leisten könnten. „Dafür haben aber auch die Arbeitgeber eine Mitverantwortung. Wer sich um Tarifverträge drückt und auf prekäre Jobs statt Vollzeitstellen setzt, der sorgt für magere Lohnzettel“, kritisiert der NGG-Geschäftsführer. 

So kommt eine Teilzeitkraft, die 25 Wochenstunden in einer Bäckerei oder Fleischerei arbeitet, die nicht nach Tarif zahlt, auf einen Verdienst von durchschnittlich rund 1.000 Euro brutto im Monat. Die Armutsgrenze für eine Familie mit zwei Kindern liegt nach amtlicher Definition hingegen bei aktuell 2.174 Euro pro Monat – netto. 

Gewerkschaft appelliert an ArbeitgeberInnen, sich zu tariflichen Standards zu bekennen

„Längst nicht nur Alleinerziehende, sondern zunehmend auch DoppelverdienerInnen haben Schwierigkeiten, über diese Grenze zu kommen. Die Leidtragenden sind oft die Kinder“, so Sträter.

Nach einer Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbands stehen den ärmsten zehn Prozent der Paarhaushalte lediglich 44 Euro monatlich pro Kind für Freizeit, Sport und Kultur zur Verfügung. Bei einer durchschnittlichen Familie sind es 123 Euro, bei den reichsten zehn Prozent 257 Euro. 

Die NGG Dortmund ruft Betriebe in der Region dazu auf, sich zu tariflichen Standards und vollwertigen Arbeitsplätzen zu bekennen. Nur so könne Armut „an der Wurzel gepackt“ werden. Aber auch die Politik sei viel stärker gefordert.

„Das neue Bildungs- und Teilhabegesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung, reicht aber nicht“, betont Sträter. Nach dem Gesetz gibt es für Kinder in Hartz-IV-Familien und Geringverdiener-Haushalten seit August einen Zuschuss von 150 Euro pro Schuljahr – etwa für Bücher oder Lernsoftware. Bisher waren es 100 Euro. Wer Wohngeld oder Kinderzuschlag bezieht, ist von Kita-Gebühren befreit. 

„Alles andere als kinderleicht“ – Grüne-Ratsfraktion lädt ein zur Diskussion um Kinderarmut

Der aktuelle Bericht zur sozialen Lage in Dortmund zeigt: Fast jedes dritte Kind unter 15 Jahren ist armutsgefährdet. Das hat konkrete Auswirkungen: Kinder und Jugendliche insbesondere aus sozial benachteiligten Stadtteilen haben eine erheblich geringere Chance auf einen höher qualifizierten Schulabschluss. Ihre Berufs- und Lebenschancen sind deutlich schlechter.

Dortmund in den vergangenen Jahren. Quelle: Bundesagentur für Arbeit

Zusätzlich sind sie stärker gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Einkommensschwache Familien mit geringem Einkommen haben zunehmend Probleme, bezahlbare Wohnungen zu finden.

Die Grüne-Ratsfraktion will am kommenden Montag, den 30. September, öffentlich darüber beraten und diskutieren, welche Forderungen und Impulse für von Armut betroffene Familien und Kinder nötig und umsetzbar sind. Fraktionssprecher Ulrich Langhorst: „Dass so viele Kinder auch in unserer Stadt von Armut bedroht sind, ist nicht hinnehmbar. Unser Ziel ist es, allen Kindern und Jugendlichen und ihren Familien eine gerechte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und gleiche Lebenschancen zu ermöglichen. Inhaltlich geht es uns bei der Veranstaltung deshalb vor allem auch um konkrete Handlungsperspektiven zur Veränderung der Situation.“

Unter dem Titel „Alles andere als kinderleicht“ wollen die Grünen darüber diskutieren mit der Dezernentin der Stadt Dortmund für Schule, Kinder und Jugend Daniela Schneckenburger, der Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes Dortmund und Lünen Uta Schütte, dem sozialpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen Sven Lehmann sowie mit Prof. Dr. Uwe Becker, Professor für Sozialethik an der evangelischen Fachhochschule in Bochum. Der öffentliche Ratschlag der Grünen-Ratsfraktion am 30. September beginnt um 19 Uhr im Rathaus, Friedensplatz, im Saal Westfalia. Der Eintritt ist frei.

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