Die vierte Runde der Cityring-Konzerte in Dortmund war wieder ein voller Erfolg. Trotz durchwachsenen Wetters schafften es die KünstlerInnen das Publikum an drei Abenden mit ihren Performances zu begeistern. Waren schon die Opern- und die Musicalgala gut besucht, so war die Veranstaltung am Sonntagabend restlos ausverkauft. Mehr als 2.500 Menschen kamen auf dem Friedensplatz zusammen, um sich in bester Harry Potter-Manier von den Dortmunder Philharmonikern unter der Leitung von Dirigent Gabriel Feltz von Kompositionen des amerikanischen Filmmusikgenies John Williams verzaubern zu lassen.
Wie die Symbiose von Bild und Ton die ganz großen Gefühle produziert
Sowohl die Filme als auch die Soundtracks haben Geschichte geschrieben. Das Zusammenspiel von Bild und Ton sorgt für die großen Emotionen, die uns anrühren und uns im Gedächtnis bleiben. Was wäre schon eine Abschiedsszene zwischen dem kleinen Elliot und dem lieb gewonnenen E.T. ohne die großartige musikalische Untermalung, die uns zu Tränen rührt?
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Wem ist nicht schon unterbewusst beim Schwimmen im offenen Meer das „Jaws“ (Der weiße Hai) Hauptthema durch den Kopf geschossen und hat unterschwellig eine menschliche Urangst vor der Tiefe und dem Unbekannten aktiviert? Wer hat nicht direkt die Darth Vader-Maske vor Augen, wenn er die ersten Takte des Imperial March aus „Star Wars“ hört und wer ist nicht emotional angerührt, lauscht man dem melancholischen Thema von „Schindlers Liste“?
John Williams versteht es wie kein zweiter den Bildern der Filme durch seine Musik Gefühle einzuhauchen und den ProtagonistInnen durch seine musikalischen Themen Charakter zu verleihen, sie einzigartig zu machen. So muss man sich beispielswiese nur die ersten Takte des Raiders March anhören, um ein Bild von Harrison Ford als Indiana Jones vor Augen zu haben.
Williams Musik haucht den HeldInnen der Leinwand Leben und Charakter ein
Williams sorgt mit seiner virtuosen Musik für Wiedererkennungswert und Identifikation mit den HeldInnen. Sein Lebenswerk zeichnet sich vor allem durch die enge Kooperation mit Regie-Legende Steven Spielberg aus. Lediglich bei drei Spielberg-Produktionen entschied sich der Regisseur für einen anderen Komponisten. So waren im Programm der Dortmunder Philharmoniker am Sonntagabend sechs von zehn Beiträgen dieser Zusammenarbeit entsprungen.
Spielberg weiß Williams Arbeit dermaßen zu schätzen, dass er den finalen Schnitt des Films „E.T-Der Außerirdische“ an den Kompositionen von Williams ausrichtete und nicht wie üblich umgekehrt, wusste Schauspieler und Moderator des Abends Sabin Tambrea zu berichten. Eine größere Wertschätzung könne man einem Komponisten kaum zuteil werden lassen.
Spielberg und Williams Idee für „E.T.“ war es, besonders angesichts der Fahrradsszenen, in denen Elliot und Freunde vom Erdboden abheben, ein ganzes 100-köpfiges Orchester fliegen zu lassen. Williams habe mit mathematischer Präzision an den Kompositionen gearbeitet. Feltz und sein Orchester präsentierten das Stück „Adventure on Earth“, das am Ende des Films fast alle Themen noch einmal in sich vereint und in fulminantem Finale das Raumschiff abheben lässt.
Schindlers Liste in unmittelbarer Nähe zum Platz der Alten Synagoge
Vor allem bei „E.T.“ und der abschließenden „Star Wars“-Suite konnte man die Kraft und Dynamik eines Großorchesters erfahren und erleben. Beide Soundtracks gewannen zu ihrer Zeit einen Oscar. Spielberg und Star Wars-Schöpfer Lucas schufen in den 80er Jahren ihren Helden „Indiana Jones“ und auch für diese Reihe komponierte Williams die charakteristischen Melodien.
Insgesamt wurden Williams Kompositionen im Laufe seiner Karriere mit fünf Oscars, drei Emmies, vier Golden Globes und 24 Grammies ausgezeichnet. Als wichtigste Arbeit des von jüdischen Eltern abstammenden amerikanischen Regisseurs Spielberg gilt seine Holocaust-Verfilmung „Schindlers List“. Als Williams die Rohfassung des Films gesehen hatte, soll er zunächst tief ergriffen einen Spaziergang gemacht haben, um den Kopf frei zu kriegen. Als er dann zu Spielberg zurückgekehrt sei, habe er gesagt: „Steven, dieser Film ist Dein Meisterwerk. Aber Du wirst einen besseren Komponisten brauchen, als mich.“
Spielbergs Antwort: „Da magst Du vielleicht Recht haben, aber die sind bereits alle tot.“ Im Rahmen der Cityring-Konzert-Filmmusikgala waren in unmittelbarer Nähe des Platzes der alten Synagoge, die in der Pogromnacht 1938 in Flammen stand, ausgewählte Stücke des Soundtracks zu hören.
Spielberg und Williams haben sich ein Stück ihrer Kindheit bewahrt
Durch das virtuose Spiel und die tolle Beschallung rührte das Violinenspiel des traurigen Hauptthemas das Publikum sichtlich an. Die erste Geige konnte ebenso bei der virtuosen Williams Adaption des Musicals „Anatevka“ überzeugen. Für diese Arbeit erhielt Williams 1972 seinen ersten Oscar.
Als Williams 2015 für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde soll er gesagt haben: „Eigentlich fühle ich mich und bin ich dafür noch viel zu jung.“ Zu diesem Zeitpunkt war er bereits 84 Jahre alt. Aus diesem Grund entschlossen sich die OrganisatorInnen, das Konzert mit „The Flight to Neverland“ aus Spielbergs Peter Pan-Verfilmung „Hook“ zu beginnen.
Peter Pan an sich ist ein tolles Motiv für die Zusammenarbeit zwischen Spielberg und Williams, zeichnen sich doch beide Künstler dadurch aus, sich das Kindliche bzw. ein Stück Kindheit bis heute bewahrt und dadurch eine so tolle und lebhafte Phantasie entwickelt zu haben. Nicht umsonst sieht man im Film „E.T.“ die meisten Erwachsenen bis auf ein paar Ausnahmen nur von der Hüfte abwärts. Spielberg wollte den Film aus der Sicht von Kindern filmen und erzählen.
Williams komponiert auch die nächste „Star Wars“-Episode
Und auch die Filmusikgala hat es geschafft, bei den Anwesenden Kindheitserinnerungen wachzurufen. Neben den bereits genannten Soundtracks wurden auch Auszüge aus „Harry Potter“ und „Jurassic Park“ präsentiert. Zudem eine Ouvertüre zu dem John Wayne-Klassiker „The Cowboys“ aus den Anfängen von Williams Karriere und ein Stück aus Spielbergs Weltkriegsdrama „Saving Private Ryan“.
Insgesamt kamen die ZuschauerInnen über rund zwei Stunden in den Genuss erstklassiger Kompositionen der amerikanischen Filmmusiklegende. Das spektakuläre Finale bildete die „Star Wars“-Suite. Und auch wenn die Zeiten der großen orchestralen Filmkompositionen in Hollywood vorbei zu sein scheint, wird doch versucht an dieser Stelle an Produktionskosten zu sparen, so sind die Themen und Melodien des Maestros für die Ewigkeit geschaffen worden und werden auch noch Generationen nach Spielberg und Williams die Menschen begeistern.
Bestes Beispiel hierfür sind die aktuellen Fortsetzungen der „Star Wars“-Saga, für deren Hauptstrang, also die Episoden sieben bis neun, wieder John Williams komponiert und basierend auf seinen alten Kompositionen, das „Star Wars“-Universum für eine neue Generation erweitert. Die ZuschauerInnen auf dem Friedensplatz waren jedenfalls rundum begeistert und so konnte man auf dem Weg nach Hause in der Bahn den ein oder anderen die Melodien seines Lieblingsfilms summen hören.
Im nächsten Jahr feiert die Veranstaltungsreihe fünfjähriges Jubiläum
Einen Abend wie diesen habe es zuvor im Rahmen der Cityring-Konzerte noch nicht gegeben, betonte der Initiator und Vorsitzende Dirk Rutenhofer. Er betonte die Leistung der Dortmunder Philharmoniker die an drei Abenden bei schlechten Wetterverhältnissen professionell abgeliefert hätten. Außerdem lobte er die intensiven Probevorbereitungen, denn es sei alles andere als einfach oder besser gesagt äußerst anspruchsvoll, die komplexen Partituren der Williams-Kompositionen mit einem Großorchester perfekt umzusetzen.
Oberbürgermeister Ullrich Sierau kommentierte dies schlicht mit den Worten: „Simply the Best, die können einfach alles.“ Und angesichts der bereits am Freitag präsentierten Operngala blickte er zufrieden auf ein tolles Wochenende auf Dortmunds „Piazza della Pace“ zurück.
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Mark Fijneman
Ein sehr schöner detaillierter Bericht, keine schnelle Randnotiz! Es hat lange gebraucht bis diese Kunstform auch in Deutschland eine adäquate Anerkennung im breiten Spektrum gefunden hat. Noch vor dreißig Jahren wurde Filmmusik von zahlreichen selbst ernannten Besserwissern oft noch als zweitklassig degradiert. Das hat sich zum Glück relativiert. John Williams ist ein fabelhaftes, energiegeladenes Ausnahmetalent. Unglaublich flexibel und äußerst Vielseitig. War er doch neben seiner Arbeit in Hollywood noch über eine Dekade lang nebenher der Chefdirigent des Boston Pops Orchestra. Ein hin und her zwischen West und Ostküste der USA. Und dann noch all die kreativen Werke jenseits von Hollywood wie zum Beispiel seine hervorragenden Kompositionen für Flöte, Cello, Fagott, Piano und vor allem das Violinenkonzert das er seiner ersten Frau, die auf tragische Weise viel zu früh zu Tode kam, gewidmet hat. John Williams ist trotz seiner legendären Karriere immer ein sehr freundlicher, bodenständiger Mensch geblieben. In den frühen 90er Jahren habe ich eine Weile in San Francisco gelebt und hatte das Glück, über den Verein „Musicians Union“ an seine Telefonnummer heranzukommen. Da war ich 20 Jahre alt. Seinen Geburtstag kann ich mir gut merken weil der nur wenige Tage nach dem meinen liegt. Also rief ich ihn zu seinem 60. Geburtstag an und tätsächlich ging er ans Telefon!! Mit nervös geprägter Stimme vermittelte ich ihm dann in spontaner „Fanboy-Manier“ meine Bewunderung. Zum Ende des Telefonats sagte ich ihm schließlich das ihn so sehr bewundere wie Ludwig van Beethoven. Seine Antwort darauf: „ Ach Junge, das ist sehr süß von Dir das Du das so empfindest….Aber ich wäre schon völlig zufrieden mit mir wenn ich nur halb so gut werden könnte wie er es einst war…“ Vielen Dank an die Nordstadtblogger für diesen ausführlichen, aufschlussreichen Bericht über einen Mann der in meinen Augen und Ohren eine lebende Legende darstellt. „May the Force be with him“!!!