In den letzten Wochen sind nach und nach die Umhüllung und das Gerüst des Turms der Stadtkirche St. Petri gefallen – pünktlich vor dem Tag des offenen Denkmals am 8. September. An diesem Tag finden auch in St. Petri Kirchenführungen statt. Der Turm scheint auf den ersten Blick wieder so auszusehen wie vorher, vielleicht ist die Farbe ein bisschen frischer. Der Eindruck täuscht jedoch – ein guter Anlass, um die bewegte Geschichte des Turms der St. Petrikirche im Rahmen des Denkmals des Monats September 2019 vorzustellen.
Steinerner Turm ist jüngster und zugleich ältester Baukörper von St. Petri
Ältere DortmunderInnen können sich vermutlich noch daran erinnern, wie der Kirchturm bis 1981 aussah: Mächtig ragte er auf quadratischer Grundfläche auf, so breit wie das Mittelschiff. Den massiven Eindruck verstärkte der flache Dachabschluss. Für mehr hatten die Mittel nach dem späten Wiederaufbau 1967 nicht ausgereicht.
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Erst nachdem durch verschiedene öffentliche Geldgeber, reichliche Spenden und viele Erlöse aus Tombolas und anderen Veranstaltungen die nötigen Summen aufgebracht waren, konnte in einer großartigen Aktion 1981 ein neuer Turmhelm aufgesetzt werden, der an den Zustand vor der Kriegszerstörung anknüpft.
Was wie ein Widerspruch in sich klingt, löst sich durch einen Blick in die Chronik von St. Petri schnell auf. Nachdem man 1322 mit dem Bau des Langhauses der neuen Stadtkirche begonnen hatte, konnte 1353 der Chor von St. Petri eingeweiht werden. Damit waren die beiden wichtigsten Elemente für den Gottesdienst, Langhaus für den Platz der Gemeinde, Chor für den Altar und die Messfeier, nach einer relativ kurzen Bauzeit von 30 Jahren fertig.
Es vergingen wiederum rund 30 Jahre, bis man 1396 mit dem Auswerfen eines haustiefen Fundaments für den Turm starten konnte. Und erst 1523 wurde der von Meister Hermann „mit der Hasenscharte“ entworfene, hohe Turmhelm auf den Turmunterbau gesetzt. Den Bombenangriff von 1943 überlebten weder Langhaus noch Chor. Damit ist der steinerne Turm unterhalb des hohen Turmhelms der älteste erhaltene Baukörper von St. Petri.
Es bröckelt: Wegen der Verkehrssicherheit musste der Fassadenbereich 2007 eingerüstet werden.
Gegliedert ist der Turmschaft bis zum Dachansatz des Langhauses nur an der Westseite durch ein Portal mit darüber liegendem Fenster, zusammengefasst von einem gotischen Bogenlauf, im Fachjargon Archivolte genannt. Zwar hatten die Außenmauern des Turmes mehr oder weniger gut die Jahrhunderte und die Kriegszerstörungen von 1943 überstanden. Innen musste aber beim Wiederaufbau ein neues Gewölbe eingefügt werden.
Seit den 1960er Jahren wiesen dann die Außenmauern teils erhebliche Schäden auf. Einerseits zeigten sich nun erst die Folgen der starken Hitzeeinwirkung beim Brand der Kirche nach der Bombardierung 1943. Andererseits nahmen allgemein die Schäden durch Umwelteinflüsse zu. Die Zeitabstände zwischen den notwendigen Sanierungen wurden immer kürzer. Im März 1991 stellten die Verantwortlichen „eine akute Unfallgefahr durch herabfallende Steine bzw. Mörtelreste“ fest.
„Maßwerk und Fenstergewände über dem Turmeingang [sind]brüchig“, befindet ein weiteres Gutachten. Im September 2015 heißt es dann: „Die Befahrung mit dem Hubsteiger hat gezeigt, dass die Fassade oberhalb des ersten Gesimses am Turm ein klares Schadensbild aufzeigt. Der Ruhrsandstein zeigt erhebliche Tendenz zur Schalenbildung. Die Fugen sind teilweise offen und lassen sich ohne Mühe herausnehmen“.
Sanierung und Sicherung: Ab 2015 musste der Turm daher für über eine Million Euro saniert werden.
Die herabfallenden, vom Stein gelösten Schalen waren inzwischen bis zu 1,5 cm dick. Eine Reihe der alten Ruhrsandsteine war bis zu einer Tiefe von 10 cm geschädigt und musste ausgetauscht werden. Abgewitterte Schmuckformen waren zu erneuern.
Seit Kurzem hält eine Kalkschlämme „als Verschleißschicht den fortschreitenden Verlust der Gesteinsdicke und mithin Mauerwerksdicke der äußeren Schale“ auf, wie eine Protokollnotiz in der Akten der Denkmalbehörde ausweist. Um eine optische Einheit mit dem steinsichtigen Kirchenschiff zu erreichen, ist die schützende Schicht farblich abgestimmt und dünn aufgetragen, damit die Struktur der Steine sichtbar bleibt. Nicht nur die Verkehrssicherheit um St. Petri, sondern auch eines der bedeutendsten Denkmäler der Stadt ist damit optimal wieder hergestellt.
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