„Wir nutzen unseren Körper als Kulturträger, als menschliche Skulptur“, erklärt Susanne Bosch, eine der vier Künstler und Künstlerinnen, die aktuell im Rahmen des Projektes der Machbarschaft Borsig 11, „Public Residence“, für ein Jahr Quartier am Borsigplatz bezogen haben. Die Künstlerin hat zu einer Trash-Tour rund um den Platz im Dortmunder Norden eingeladen.
Klebestreifen auf weißen Einweg-Anzügen dienen als Kulturträger
Dazu bedarf es eines weißen Einweg-Overalls, der über die Kleidung gestreift wird. Angesichts der Temperaturen, die an diesem Samstag herschen, kein leichtes Unterfangen für viele der Teilnehmer.
Versehen mit doppelseitigen Klebeband, an denen, die auf dem Weg durchs Viertel gefunden Materialen angebracht werden, geht es los durchs Quartier.
Zuvor haben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Exkursion schon auf bestimmte Dinge spezialisiert, mit denen sie ihren Anzug verzieren möchten.
Susanne Bosch, selbst hat es Papier abgesehen, eine andere Teilnehmerin auf Plastikverpackungen, eine weitere auf Zigarettenkippen, ein Vierter, auf Kronenkorken.
An achtlos weggeworfenen Materialien dieser Art mangelt es auf den Gehwegen und Grünflächen, die die Tour besucht, nicht.
Die wandelden Skulpturen sorgen für Aufmerksamkeit im Viertel
Der „Trash“, der Müll vom Wegesrand, erfährt so eine neue Inwertsetzung, indem er als Objekt der Kunst wiederverwendet wird.
Das ist schon eine kurios aussehende Truppe, die da durch die Straßen am Borsigplatz zieht und Meter um Meter werden die Anzüge bunter.
Passantinnen und Passanten bleiben stehen, schauen sich um und blicken sehr ungläubig auf die kuriosen Spaziergängerinnen und Spaziergänger.
Eine alte Frau fragt, was das denn für eine Demo sei und ob man denn damit die Müllproblematik lösen könnte.
Zigarettenkippen-Skulptur, Kronenkorken-Mann und Plastikfrau auf der Suche nach Fundorten ihrer bevorzugten Materialien
Amanda Bailey – die Zigarettenkippen-Skulptur – findet, dass ihr bevorzugtes Material zu den Dingen gehört, die als erstes einfach auf den Boden geworfen werden. „Bei anderen Dingen suchen die Menschen schon eher einen Mülleimer in der Nähe“.
Die Nichtraucherin entdeckt in der Nähe der Oesterholz-Grundschule ihr Zigarettenkippen-Paradies.
Kronenkorken-Mann Guido Meincke von Borsig 11, durchlebt an dieser Stelle eine Durststrecke. Sein Eldorado findet er wenige Meter weiter am „Kleinen Borsigplatz“. Hier sind die Verschlüsse der Bierflaschen zu Hauf zu finden.
Die Häufigkeit des gefundenen Mülls berichtet von der Nutzung eines Ortes
„Die Häufigkeit der gefundenen Materialien, lassen auch Schlüsse über die Nutzung der Orte zu“, sagt Künstlerin Bosch.
Während das am „Kleinen Borsigplatz“ noch sehr eindeutig ist, zumal die Produzenten des Materials in unmittelbarer Nähe sitzen, fällt es am zuvor begangenen Ort an der Oesterholzschule schwer.
Hier wird dann spekuliert: „Möglicherweise sind das Leute, die ihre Kinder von der Schule abholen, hier einen Parkplatz finden und noch ein Zigarette rauchen“, vermutet einer der Tour-Teilnehmer. „Ich glaube es sind Hundehalter, die ihre Vierbeiner in den nahegelegenen Rabatten scheißen lassen und dabei rauchen“, vermutet ein anderer.
Einkaufswagen aus dem Gebüsch sorgt als Transportmittel der Arbeitsmittel für Erleichterung auf der Tour
Plastikfrau Teresa Grünhage von der Montag-Stiftung für Kunst und Gesellschaft, die im Projekt „Public Residence“, Kooperationspartner von Borsig 11, ist hat sich derweil weiter bei der Auswahl der Materialien spezialisiert.
Ihren Anzug zieren ausschließlich Verpackungen, die vormals Lebensmittel enthalten haben. Als krönenden Abschluss setzt sie sich einen Plastikbecher, der möglicherweise mal ein Dessert enthalten hat, auf ihr Haupt.
An anderer Stelle finden die Tour-Gänger im Gebüsch dann noch einen Einkaufswagen. Praktisch! Dieser dient ab nun als Transportmittel für die Materialien wie Klebeband, Anzüge und Sonstiges, die vor diesem Fund noch getragen werden mussten.
Damit geht es nun zurück zum Borsigplatz vor die Türen von Borsig 11, wo an der Litfaßsäule vor dem Haus, die Anzüge angebracht werden und so spontan für alle Augen ausgestellt werden. Susanne Bosch gelingt es an diesem Tag gesellschaftliche Problematiken , wie den Wert und die Bedeutung von Dingen, je nach Sichtweise und Verwendung zu hinterfragen.
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