Schwach angefangen und dann stark nachgelassen. So lässt sich sich die selbsterklärt „Frühjahrsoffensive“ der Neonazi-Splitterpartei „Die Rechte“ zusammenfassen. Bei ihren bisherigen Demonstrationen blieben die Neonazis teils deutlich hinter den selbstgesteckten Zielen. So auch am heutigen Samstag (25.05.2019) in Dortmund. Der demokratische Protest war in Hörde deutlich in der Überzahl.
Zahlreiche Gruppen setzten in Hörde lautstarke Zeichen gegen Neonazis
Nur 184 Neonazis (Polizeiangabe), darunter mehrere Dutzend zugereiste Neonazis aus dem europäischen Ausland, fanden sich trotz bundesweiter und sogar internationaler Mobilisierung ein. Die Neonazis selbst hatten 300 Teilnehmende angemeldet.
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Lange vorbei sind die Zeiten, als die Dortmunder Neonazis 1000 und mehr KameradInnen aktivieren konnten. Der Gegenprotest war deutlich zahlreicher: Rund 650 Menschen fanden sich laut Polizeiangaben bei BlockaDO ein.
Rund 700 waren es bei der Kundgebung und der Demo an die Neonaziroute beim Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus. Auch das Bündnis gegen Rechts hatte dazu mobilisiert. Zudem schlossen sich Aktive von BlockaDO an – gemeinsam setzten sie lautstark ein Zeichen gegen Neonazis.
An vielen Straßensperren der Polizei entlang der Strecke hatten sich zudem GegendemonstrantInnen und AnwohnerInnen versammelt, um ihrerseits ihr Missfallen zur artikulieren. Insgesamt blieb es friedlich.
Gegen 15 Uhr blockierten rund 20 Personen des linken Spektrums im Bereich der Reiner-Daelen-Straße in einer Sitzblockade die Aufzugsstrecke der Rechtsextremisten. Polizeibeamte lösten die Blockade auf und stellten die Personalien fest. Wenig später gelangten in der Nähe einige Personen auf die Aufzugsstrecke – Einsatzkräfte brachten sie zurück hinter die Sperrstellen.
Rechtsextreme Ausländer demonstrierten gegen Überfremdung in Hörde
Die Neonazis hatten ihre Demo unter dem Motto „70 Jahre Grundgesetz – wir Feiern nicht“ angemeldet. Startpunkt war am Hörder Clarenberg, den die Neonazis als Hotspot der angeblichen Überfremdung und von Parallelgesellschaften sehen.
Allerdings entbehrte es nicht einer gewissen Ironie, dass die Dortmunder Neonazis dutzende Kameraden aus dem Ausland einluden, um hier gegen angebliche Überfremdung hetzen zu lassen – und das dann noch in Sprachen, die die Deutschen nicht verstanden. Die Kameraden mussten vorbereitete Übersetzungen verlesen.
Der Polizei war es im Vorfeld gelungen, in Kooperationsgesprächen die Route auf rund 2,5 Kilometer zu reduzieren. Die Demo startete mit deutlicher Verspätung und wurde mehrfach unterbrochen, weil es restriktive Auflagen seitens der Polizei gab. Diese werden – wie nach jeder Demonstration – anschließend wieder Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen werden.
Auseinandersetzungen über Wahlplakate und das gerichtliche Nachspiel
Das gilt auch für die Verfügungen von Polizei und Stadt Dortmund, die eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Münster nutzten, um das Abhängen von zwei Neonazi-Wahlplakatmotiven zu erzwingen. Vor allem das antisemitisch eingestufte Plakat „Zionismus stoppen: Israel ist unser Unglück – Schluss damit!“ sowie das Plakat „Wir hängen nicht nur Plakate“ wurden dort beanstandet (Nordstadtblogger berichtete bereits).
Die Parolen seien dazu „geeignet, den Eindruck einer Bedrohung der insbesondere in Deutschland lebenden jüdischen Bevölkerung zu erwecken.“ Das Oberverwaltungsgericht folgt der Begründung des Verwaltungsgerichts weiter: „In einer Zusammenschau mit der Wendung „Israel ist unser Unglück“ spielt der Begriff des Zionismus auf den Topos einer „jüdischen Weltverschwörung“ an.
Dies zeigt sich auch daran, dass die Formulierung „Israel ist unser Unglück“ als eine bloße Abwandlung der in der NS-Zeit propagierten Hassparole „Juden sind unser Unglück“ erscheint.“ Die Erklärung des Oberverwaltungsgerichts führt weiter aus: „Damit dürfte es sich nicht lediglich um eine Kritik am Staat Israel und dessen Politik handeln, sondern um eine gegen die jüdische Bevölkerung als solche gerichtete Aussage.“ Die Frage nach einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit muss nun in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden.
Stadt Dortmund ließ Plakate der Partei „Die Rechte“ abhängen
Die Polizei machte die Auflage, dass die Neonazis die entsprechenden Motive auf der Strecke entfernen müssten, weil sie sonst die Demo auf eine Standkundgebung reduzieren werde. Dieser Aufforderung kamen die Neonazis nach, um die Restriktionen zu vermeiden.
Nach eigenen Angaben seien drei Plakate ausgetauscht worden. Als Antwort habe man aber weitere andere Motive aufgehängt und so die Zahl der Plakate an der Demoroute verdreifacht, sagte Anmelder Michael Brück in einem Redebeitrag.
Noch einen Schritt weiter ging die Stadt Dortmund. Sie hatte verfügt, dass die Partei bis Samstag um 9 Uhr die beiden beanstandeten Plakatmotive im gesamten Stadtgebiet abhängen müsse. Um dies zu unterstreichen, ließ die Stadt in Dorstfeld und Hörde den Worten Taten folgen. Unter den Augen von Ordnungsdezernent Norbert Dahmen und Baudezernent Arnulf Rybicki – sowie einer Gruppe Neonazis – hingen Bedienstete des Tiefbauamtes die beanstandeten Plakate auf dem Wilhelmplatz ab.
Auch dies wird mit Sicherheit ein gerichtliches Nachspiel haben: Sowohl die Rechtmäßigkeit der Verfügung als solche wird die Partei „Die Rechte“ gerichtlich überprüfen lassen. Zudem hängte die Stadt teils auch andere Plakate mit ab, weil diese zumeist als Pärchen an den Laternenmasten hingen.
Beim Abschneiden nahmen die Bediensteten dann notgedrungen jeweils beide Plakate ab – die nicht beanstandeten Motive erneut aufzuhängen, lehnte Ordnungsdezernent Norbert Dahmen ab.
Massive Einschränkungen für das öffentliche Leben in Hörde
Das Demonstrationsgeschehen legte das öffentliche Leben in weiten Teilen Hördes lahm. So wurde der Busverkehr am Bahnhof Hörde über Stunden eingestellt – einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Stadt. Auch bei der Stadtbahn kam es insbesondere in der Anreisephase zu Behinderungen. Die Geschäftsleute mussten massive Einnahmeeinbußen hinnehmen, da viele KundInnen und Gäste an diesem Samstag den Stadtteil mieden.
Neben der offen Kampfansage an die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union warben die Neonazis dafür, am morgigen Sonntag ihre Partei(en) zu wählen. Insbesondere setzen die Neonazis darauf, durch ein gutes Wahlergebnis die notorische Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck – die 90-Jährige sitz derzeit in Bielefeld in Haft – ins Europaparlament zu entsenden. Sie geben vor, damit zu rechnen, dass die Überzeugungstäterin dann aus der Haft entlassen werden müsste.
Die Neonazis selbst veranstalteten neben der Auftaktkundgebung am Clarenberg noch eine Zwischenkundgebung am Neumarkt sowie eine Abschlusskundgebung am Bahnhof. Anschließend war der braune Spuk beendet.
Der Leitende Polizeidirektor Udo Tönjann, Einsatzleiter heute, zieht ein vorläufiges Fazit: „Insgesamt verlief der heutige Einsatztag überwiegend friedlich. Es kam vereinzelt zu Störungen, denen wir mit starken Kräften konsequent begegnet sind. Zudem haben wir hier in Dortmund einen starken bürgerlichen Gegenprotest erlebt. Diese Menschen haben gezeigt, dass rechtsextremistisches Gedankengut bei uns nicht erwünscht ist.“
„Stoppt Rassismus!“ und andere Botschaften illuminierten Gebäude am Hauptbahnhof
Mit einer Kundgebung (Motto: „Rechts ist die falsche Richtung“) und einer Lichtkunstpräsentation in der Dortmunder Innenstadt setzten Migrantenorganisationen bereits am Freitagabend ein sichtbares Zeichen gegen Extremismus.
Direkt gegenüber des Hauptbahnhofs (an der Katharinentreppe) illuminierten sie die Seitenwand der Stadt- und Landesbibliothek. Mit Botschaften wie „Stoppt Rassismus!“, „Europa: Gemeinsam für Vielfalt und Respekt“ und „Zusammen gegen Menschenfeindlichkeit“ wurde an einem zentralen und prominenten Ort klar gemacht: Dortmund ist mehrheitlich eine vielfältige Stadt, geprägt von einer offenen und kulturelle Grenzen überwindenden Stadtgesellschaft.
Die Kundgebung des VMDO an der Petri-Kirche wurde unterstützt und begleitet von Aysun Tekin, der Vorsitzenden des Integrationsrates in Dortmund. Anlass der Aktion war der Aufmarsch der Neonazis in Dortmund-Hörde am Samstag. Initiiert wurden Lichtkunstaktion und Kundgebung vom Verbund der sozial-kulturellen Migrantenvereine in Dortmund e.V. (VMDO) und dem Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V. (BV NeMO).
„Viele Migrantinnen und Migranten setzen sich tagtäglich in Dortmund für ein gutes, respektvolles Miteinander ein“, sagt Jeyakumaran Kumarasamy, Vorstandsvorsitzender des VMDO. „Kurz vor der Europawahl ist es uns deshalb besonders wichtig, dieses Engagement sichtbar zu machen und zu demonstrieren, welche Werte in Dortmund tagtäglich mit Leben gefüllt werden.“
Umgesetzt wurde die Lichtkunstprojektion vom gemeinnützigen Künstlerkollektiv PixelHELPER. Sie arbeiten mit einem weltweiten Netzwerk von KünstlerInnen und AktivistInnen zusammen, um auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen.
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Wolfgang Richter
Am 25. Mai benutzten die bürgerlichen ‚Antifaschisten‘ den Aufmarsch der alten und neuen Nazis in Hörde nur dazu, einen bereits verlorenen Wahlkampf „für Europa“ zu skandieren und ihn schamlos als „Europafest“ auszubreiten. Unisono verhießen die Europäer das Gegenteil von dem, was sie seit langem tun und weiter tun werden – Deutschland an der Macht halten, Grenzen draußen dichtmachen, drinnen soziale Spaltung weiter führen und für Sicherheit und Ordnung sorgen.
Ein Kampf gegen die faschistoide Pest wurde einmal mehr nur theatermäßig gespielt, choreografiert als Propagandaschau aus selbstgefälligen Worten und Taten. Aus der Parole von Politik und Polizei – „Keinen Fußbreit den Nazis“ – wurde wieder einmal das Gegenteil: Nazis marschierten durch Hörde – demokrtische Gener/innen durften an einem vorbereiteten Platz mal kurz schauen und pfeifen. Auseinandersetzung, Widerstand, Zurückdrängen des rassistischen Mobs, Ermutigung – Fehlanzeige. Die Parole „bunt statt braun“ verflacht zusehends zu „bunt mit braun“.
Bündnis Dortmund gegen Rechts
Ula Richter zur Auftaktkundgebung des Bündnis Dortmund gegen Rechts mit VVN-BdA und DKP Dortmund am 25. Mai an der Schlanken Mathilde in Hörde
Viele ‚Stolpersteine‘ in Hörde weisen auf vielfältiges jüdisches Leben in diesem Stadtteil hin, das es vor der Nazizeit hier gegeben hat, und sie weisen hin auf die vielen Opfer des Naziterrors. Auch die Hörder Synagoge ging in Flammen auf. Wir stehen hier am Stolperstein für Moritz Schild, der 1869 geboren und 1942 nach Theresienstadt deportiert und im gleichen Jahr in Treblinka ermordet worden ist.
„Israel ist unser Unglück“ steht auf Wahlplakaten der Partei Die Rechte. Sie knüpft da an, wo geschürter Judenhass 6 Millionen Männer, Frauen und Kinder in die Vernichtungslager und in den Tod getrieben hat. Ein Skandal, dass die Plakate nicht sofort von der Politik verurteilt und von Justiz und Polizei beschlagnahmt wurden. Erst auf den Druck von Bürger/innen und jüdischen Gemeinden wurden sie verboten. Die Rassisten und Antisemiten mussten sie selbst an der Strecke ihres Marsches wieder abhängen, sonst hätten sie ihn knicken müssen.
In diesen Tagen wird viel vom Grundgesetz geredet und wie wichtig es doch sei. Dabei wird es Artikel für Artikel ausgehöhlt bzw. missachtet. Max Reimann hatte als kommunistisches Mitglied des Parlamentarischen Rates 1949 gesagt: „Wir unterschreiben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben!“ Wie weitsichtig.
Würden Politik und Justiz dieses Grundgesetz ernstnehmen und es anwenden, gäbe es weder die antisemitischen Hetzplakate, noch den heutigen Nazimarsch durch Hörde und keine Partei Die Rechte. Es gäbe überhaupt keine Nachfolgeparteien oder –organisationen der NSDAP. Sie sind nach Artikel 139 GG verboten und unter Strafe zu stellen.
Es gäbe auch keine Vorbereitung und Beteiligung von Angriffskriegen, würde das Grundgesetz angewendet, und es gäbe das Recht auf Asyl für alle Verfolgten!
Nehmen wir das Grundgesetz beim Wort:
Nie wieder Faschismus!
Nein zum Krieg!
Internationale Solidarität!