Reportage: Die Nordstadt-Hofmärkte haben wieder die Türen für Feilscher und Antiquitätenjäger in Dortmund geöffnet

In diesem Innenhof gab es von Tomatenpflanzen bis hin zu Brettspielen Allerlei zu entdecken. Fotos: Lisa König.

Von Lisa König

In der Nordstadt haben nun schon das vierte Jahr in Folge BewohnerInnen ihre Innenhöfe und Garagen zu kleinen Flohmärkten umgewandelt. Trotzdem habe ich erst vor kurzem das erste Mal davon gehört. Deshalb bin ich losgezogen, um mir selbst mal ein Bild davon zu machen.

Viele Standbesitzer haben wegen des Wetters erst später oder gar nicht geöffnet

Für uns war die gute alte Karte am Ende doch die beste Möglichkeit zur Orientierung.

Die Plakate habe ich in den letzten Tagen oft gesehen, aber so ganz vorstellen konnte ich mir das trotzdem noch nicht. Man läuft also von Haus zu Haus und überall sind kleine Stationen – ein bisschen wie eine Stadtrallye. Das habe ich mir gleichermaßen witzig wie chaotisch vorgestellt. Also bin ich mit meinem Mitbewohner Pascal losgezogen, um dem Mal auf den Grund zu gehen.

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Im Internet gab es eine Karte mit den einzelnen Nummern und Adressen. Geordnete Menschen konnten sich vorab ihre Route zusammenstellen und so ganz systematisch vorgehen – aber das ist nichts für mich, habe ich vorher gedacht.

Lieber mit einem Auge auf das Handy schielend in die Pedale treten und sich spontan für einen Hof entscheiden. Die ersten Locations haben wir so leider glorreich verpasst, weil ich mich mit den Straßen nicht so gut auskenne und die ganze Zeit das Handy in der Hand zu halten doch ein bisschen unpraktisch war.

Deshalb haben wir recht schnell beschlossen, die Fahrräder erst mal abzustellen und zu Fuß weiter zu schauen. Die Suche nach der ersten Nummer stellte uns aber trotzdem vor unerwartete Schwierigkeiten. An der eingezeichneten Adresse gab es zwar einen Innenhof, aber irgendwie weder Leute noch Trödel. Nur ein oder zwei Plastiktische standen verlassen herum.

Später haben wir herausgefunden, dass viele der Standbesitzer sich spontan entschlossen haben, wegen des schlechten Wetters später zu starten oder gar nicht mitzumachen. Aber zu dem Zeitpunkt hat es mich doch kurz daran zweifeln lassen, ob ich mich nicht im Tag geirrt habe.

Auch im 21. Jahrhundert ist die Karte noch das bewährteste Mittel

Theresa und Sarah (v.l.) wohnen seit kurzem zusammen und sind große Fans von der Nordstadt.

Bei den nächsten Locations hatten wir mehr Glück: Die Besitzer dort waren sichtlich froh, als wir um die Ecke bogen. „Im letzten Jahr war es um diese Uhrzeit schon viel voller“, erzählt uns Sandra, die jetzt das zweite Jahr mit ihrem Stand dabei ist.

„Bei uns im Umfeld machen leider kaum Leute mit, deshalb sind wir etwas abgelegen. Wir hatten schon Angst, man findet uns hier gar nicht.“ Sandra lebt in dem angrenzenden Haus. Ursprünglich aus Duisburg hat sie in der Nordstadt ein neues Zuhause gefunden. „Ich habe eine kleine Tochter und finde es toll, dass sie hier aufwächst. Sie bekommt das volle Leben mit, von arm bis Gut-Verdiener.“

Die beiden Mädels am Stand nebenan sind ganz ihrer Meinung. „Wir wohnen hier zusammen“, erzählt mir Sarah. „Theresa hat schon vorher in der Nordstadt gewohnt, ich bin jetzt frisch hier hergezogen. Ich musste auch gar nicht überzeugt werden, ich war schon vorher großer Nordstadt- Fan.“

Für die beiden ist es das erste Jahr, in dem sie selbst einen Stand haben. Dafür sind sie letztes Jahr als Besucherinnen dabei gewesen. Sie geben uns den Tipp, dass es in Richtung Hafen rund um den Rekorder sehr coole Stände geben soll.

Das kommt uns gelegen, wo wir doch bisher eher planlos unterwegs waren. Also auf zum Hafen – jetzt sind wir doch ganz froh über unsere Fahrräder. Vom Borsigplatz aus ist es zu Fuß nämlich ganz schön weit.

Unterwegs halten wir immer mal bei Höfen an, wenn es sich anbietet. Pascal hat sich eine ausgedruckte Version der Karte mitgenommen, die überall an den Ständen ausliegt. Das macht das dauernde Handygeschiele glücklicherweise überflüssig.

Manchmal ist die neuste Technik eben nicht unbedingt die Praktischste. Generell haben wir den Tag über nur eine Person gesehen, die sich wirklich mithilfe der App orientiert hat – und zwar in dem Moment, als die sich gerade aufgehängt hatte.

Auch für Nicht-Nordstadt-Fans eine Möglichkeit, ihr Zeug loszuwerden

Kathi (links) verkauft mit ihren Nachbarn die Sachen, die sich in den letzten Jahren angesammelt haben.

In einer von außen eher unscheinbar wirkenden Garage treffen wir Kathi. Sie verkauft vor allem Kinderklamotten, was für uns eher weniger interessant ist. Deshalb kommen wir dazu, ein bisschen zu plaudern.

„Ich wollte meinen Kram loswerden“, erzählt sie lachend. „Ich habe drei Kinder, da sammelt sich so einiges an.“ Sie wohnt selbst seit zehn Jahren in der Nordstadt. Aber wenn es nach ihr ginge, würde sie lieber woanders hin.

„Früher war es hier anders, da hat es mir gut gefallen. Aber mittlerweile ist das kein guter Ort mehr für Kinder. Ich bekomme bei meinem Jüngsten schon immer mit, was er hier für Scheiß in der Schule aufschnappt.“

Sie sei eher ein Dorfmensch und die Gegend sei ihr mittlerweile zu kurios geworden. „Aber die Kunden, die wir bisher hatten, waren alle sehr lieb. Auch, wenn viele nur nach dem Weg fragen wollten.“

Im letzten Jahr ist sie selbst von Hof zu Hof gelaufen. „Von hier bis zum Hafen und wieder zurück. Da waren wir den ganzen Tag unterwegs. Das hat schon Spaß gemacht – aber heute bin ich noch nicht sicher, ob ich mich noch auf den Weg mache.“

Auf unserem Weg kommen wir an ganz unterschiedlichen Ständen vorbei. Manche in riesigen Innenhöfen, zu manchen kommt man nur durch eine Spinnenweben- verhängte Gasse. Und ein Team hat es sich besonders leicht gemacht. „Wir hatten keine Lust, unten alles sauberzumachen. Da liegt noch so viel Efeu rum“, erzählt mir eine der BewohnerInnen. „Also dachten wir, warum nicht einfach bei uns in der Küche? Das Wetter soll ja eh nicht so gut werden und dann müssen wir nicht so viel schleppen.“

Das war keine schlechte Idee, finde ich. Der Krams zwischen den Küchenutensilien aufgereiht macht es sehr gemütlich in dem kleinen Raum. „Vielleicht könnte es später ein bisschen eng werden, wenn mehr Leute kommen. Bisher waren noch nicht so viele da. Aber das ist nicht schlimm. Wir sind zu viert in der WG, dann kann zwischendurch schon mal jemand einkaufen gehen.“

Blasentang ist die Spezialzutat für den afrikanischen Eintopf

Das selbst gekochte Essen auf dem Campingkocher gab es in sehr oder überhaupt nicht scharf.

Auf dem weiteren Weg halten wir nur noch selten an, denn wir wollen möglichst schnell zum Hafen. Der Grund: wir haben wirklich Hunger. Und dort soll es seit 11 Uhr afrikanisches Essen geben. Das hat mir die App verraten, in der man sich unter anderem besondere Events anzeigen lassen kann.

Eine gute Tat hat sie also doch vollbracht. Das Essen wird auf dem Vorplatz einer Schule auf einem großen Campingkocher heiß gemacht und es riecht toll, als wir ankommen. Zur Auswahl gibt es veganes Samp and Beans und Azanian Biryani. Sagt mir beides nicht besonders viel, aber das „scharf“ mit zwei Kreuzen auf dem Schild macht mir die Entscheidung leicht – bei so etwas bin ich leider eine Mimose.

Das Essen ist super, auch wenn ich allein vom Geschmack nicht die spezielle Zutat erkannt hätte: Blasentang. „ Den habe ich im Internet bestellt“, erzählt mir die Köchin. „Afrikanisches Essen ist häufig vegetarisch. Meine Mutter hat selbst meistens ohne Fleisch gekocht – wenn dann nur ein ganz kleines Stück für den Geschmack.“

Zum Essen setzen wir uns auf Klappstühle, die um einen Gartentisch aufgebaut sind. Auf dem Tisch stehen Salz und Pfeffer, es ist also wohl beabsichtigt, dass Leute dort essen. Das Schild mit der Aufschrift „Gartentisch und Stühle – 10 Euro“ lässt mich allerdings ein wenig paranoid werden, dass wir jederzeit verscheucht werden könnten, wenn ein Käufer zuschlägt.

Nachdem wir gestärkt sind, ziehen wir noch ein wenig in der Gegend herum. Hier ist wirklich deutlich mehr los als am Borsigplatz und die Stände liegen viel näher beieinander. Uns kommen viele junge Leute entgegen, manche von ihnen haben sich ein Wegbier mitgenommen. Mir gefällt die lockere Atmosphäre, mit vielen StandbesitzerInnen kommen wir ganz automatisch ins Gespräch.

Black Pigeon: veganer Schokokuchen und eine Trompete aus Tibet

Einen Ton habe ich zwar nicht heraus bekommen, aber mitnehmen musste ich die Trompete trotzdem.

Mein persönliches Highlight war der Markt in der Buchhandlung Black Pigeon. Gegen eine Spende gab es dort den schokoladigsten veganen Kuchen, den ich je gegessen habe. Außerdem konnte man hier abgedrehten Kram finden, wie zum Beispiel große chinesische Wandtücher oder eine Trompete aus Tibet.

Mein Fazit für den Tag: die Hofmärkte sind eine coole  Möglichkeit, die Gegend und die Leute ein bisschen besser kennenzulernen. Außerdem kann man mit etwas Glück ganz billig ein paar einmalige Sachen finden.

Aber mein Plan für das nächste Jahr: Mir vorher doch ein paar mehr Gedanken über eine Route machen, denn alle 41 Standorte haben wir dieses Mal nicht annähernd geschafft.

 

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