„Sprachgut“, das Projekt des Sozialen Zentrums in der Westhoffstraße, ist ein voller Erfolg: Es stärkt die Erziehungs- und Bildungskompetenz von Eltern bei der frühkindlichen Sprachförderung und hilft den Kindern. Die Zahlen belegen das, Bildungsexperten und Geldgeber sind voll des Lobes. Nur einen Haken gibt es: Im Herbst endet die Finanzierung – das aus Mitteln des Topfs „Soziale Stadt NRW“ finanzierte Projekt ist auf drei Jahre befristet. Ein Übergang in eine Regelförderung ist unwahrscheinlich.
Keine Regelförderung in Aussicht – Arbeit endet
Bereits der Start des in der Nordstadt entwickelten Projekts war schwierig. Im Jahr 2006 entwickelte die Nordstadt-Einrichtung das interessante Konzept. Doch erst 2011 ging es los – erst dann war ein passender Fördertopf gefunden. Wie alle Projekte laufen es drei Jahre – dann ist Schluss mit der Projektförderung. Wenn erfolgreich gearbeitet wird, findet sich vielleicht eine Regelförderung. Nicht so bei „Sprachgut“: „Wir stehen kurz vor der Haushaltssicherung“, bedauert Jugenddezernentin Waltraud Bonekamp. Dabei liegt „Sprachgut“ genau richtig: „Der Erwerb der Sprachkompetenz ist das wichtigste Thema beim Übergang in die Schule. Das sind ganz wichtige Jahre“, betont Bonekamp.
Eltern werden in die Sprachförder-Arbeit eingebunden
Der besondere Ansatz von „Sprachgut“: Das Programm zielt nicht nur auf die Vorschul-Kinder, sondern nimmt die Eltern mit. In vier Nordstadt-Kitas gibt es tägliche Förderangebote für die Kinder. Sie werden dafür aber nicht aus der Gruppe geholt – sie lernen in Kleingruppen im normalen Umfeld.
Einmal pro Woche sind die Eltern dabei. „Aktive Teilnahme“ nennt das Diplom-Heilpädagogin Ruth Harst. Sie lernen mit den Kindern, bekommen Hausaufgaben und Spiele als Anregung für ein gemeinsames Lernen mit nach Hause. Einmal im Monat finden Exkursionen für die Eltern statt. In der Stadt- und Landesbibliothek waren die Kinder mit dabei. Bei Besuchen im U, in der Zentralmoschee, in der Petrikirche oder in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache waren die Eltern unter sich.
Im Mittelpunkt steht das gegenseitigen Kennenlernen. Bei „Sprachgut“ geht es nicht nur um die Sprache, sondern auch um kulturelle Fragen, um außerschulische Förderung, Bildung und Freizeitmöglichkeiten. „Wir wollten das gegenseitige Kennenlernen fördern und Parallelen entdecken helfen“, verdeutlicht Projektleiterin Maria Preuß. Außerdem: Wenn nicht nur die Kinder mitmachen, sondern auch die Eltern, können diese das Erlernte auch bei den weiteren Kindern anwenden. Daher ist dieser Ansatz besonders nachhaltig.
Vermeidung einer Lese- und Rechtschreibstörung ist Ziel
Im Zentrum steht immer die Frage, wie Lese- und Rechtschreibstörungen gemindert oder gar verhindert werden können. Diagnostiziert werden diese in der Regel im zweiten oder dritten Schuljahr. Wenn aber ein Risiko bekannt ist, können durch gezielte und vor allem frühzeitige Förderungen diese Probleme teilweise verhindert werden.
Daher haben alle Kinder zu Beginn und am Ende des Projektzeitraums das „Bielefelder Screening“ durchlaufen. 47 Prozent der Kinder lagen im Risikobereich und wiesen einen hohen Förderbedarf auf. Am Ende des Projekts wurde das Screening wiederholt – das Risiko lag nur noch bei 14 Prozent. Durch Einzelberatung und gezielte Hilfen kann aber auch diesen Kindern noch geholfen werden. Je früher, desto besser. Und auch desto preiswerter.
„Eltern müssen bereit sein, für ihre Kinder zu kämpfen“
Das Projekt überzeugte die Eltern – auch weil das Team in Englisch, Französisch, Niederländisch, Spanisch und Türkisch mit den Eltern sprechen konnte. Zuletzt kamen noch Sprachmittler hinzu, um verstärkt den Neuzuwanderern aus Südosteuropa gerecht zu werden.
350 Kinder und Eltern nahmen in den drei Jahren teil. Johara Lazar hatte das Glück, dass zwei ihrer Kinder am Projekt teilnehmen konnten. „Eltern müssen bereit sein, für ihre Kinder zu kämpfen, auch wenn es nicht einfach ist“, betont die ehemalige Teilnehmerin. „Das Programm ist eine gute Sache.“ Es habe ihr und vor allem ihren Kindern geholfen. Vor allem ihr Sohn habe profitiert: „Durch vergrößerte Mandeln hat er erst spät mit dem Sprechen begonnen – allerdings undeutlich. Die anderen Kinder haben ihn ausgelacht“, berichtet die betroffene Mutter. Durch spezielle Förderung habe sich das verbessert. „Ich hoffe, dass noch viele Eltern die Chance darauf haben“, sagt Johara Lazar.
Bonekamp: „Sie haben Pionierarbeit geleistet.“
Doch auf eine Fortführung brauchen offenbar weder die Eltern noch die Projektmitarbeiterinnen hoffen. „Es gilt nun, die Erkenntnisse dieses extrem erfolgreichen Projekts zu sichern“, betont Waltraud Bonekamp. „Sie haben Pionierarbeit geleistet“, lobt sie das Team des Sozialen Zentrums in der Westhoffstraße. Zielvorstellung ist, die Erkenntnisse auf möglichst viele Kitas und in die Auffangklassen nicht nur in der Nordstadt zu übertragen.
Wie genau, das ist noch offen. Ein Ansatzpunkt ist die mögliche Umsetzung im Rahmen der Kibiz-Neuerungen. Allerdings lägen die Ausführungsbestimmungen noch nicht vor. Ziel müsse es sein, diese Ideen individuell in den jeweiligen Einrichtungen zu etablieren.
Dortmund braucht ein gesamtstädtisches Frühförderkonzept
„Wir brauchen ein gesamtstädtisches Frühförderkonzept. Das ist alternativlos“, betonte Bonekamp. Damit die Erkenntnisse aus „Sprachgut“ nicht verloren gehen, werden die die drei Teammitglieder – Maria Preuß, Christina Wiesemann und Ruth Harst – noch eine Dokumentation und einen Handlungsleitfaden erarbeiten, der dann in anderen Einrichtungen genutzt werden kann.
Für die drei geht es allerdings dann nicht weiter. Sie werden – anders als andere engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in zeitlich befristeten Projekten – aber nicht arbeitslos. Sie sind mittlerweile alle fest im Sozialen Zentrum in der Nordstadt angestellt.
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