Heftige Debatten gibt es um einen Bericht des Innenministeriums zu den Vorgängen am Wahlabend vor dem Dortmunder Rathaus.
Nach den Tumulten vorm Dortmunder Rathaus am Wahlabend hat die Polizei die Ermittlungen gegen einen Großteil der Neonazis zeitweilig gestoppt. Wie die Dortmunder Staatsanwaltschaft laut derwesten.de mitteilt, wird zurzeit gegen 22 von 27 Neonazis nicht weiter ermittelt. Die Vorwürfe gegen sie würden zu einem späteren Zeitpunkt bewertet. Weitere Beweise sammelt die Polizei gegen nur noch fünf Rechtsextremisten. Die Ermittlungen zielen auf Körperverletzung und Beleidigung ab. „Der Landfriedensbruch steht nicht mehr im Fokus“, so Dr. Barbara Vogelsang, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, gegenüber dem Medium. Die Mehrheit der Ermittlungen richtet sich jetzt allerdings gegen die Wahlparty-Teilnehmer, die den Nazis am 25. Mai 2014 den Zugang zum Rathaus versperrt haben. „Hier besteht in zurzeit 40 Fällen der Anfangsverdacht der Nötigung“, so die Dortmunder Staatsanwaltschaft. Die Neonazis feiern dies bereits…
Scharfe Kritik von SPD, Grünen, Linken und Piraten – gemeinsame Erklärung:
Die Darstellungen des Staatsschutzes zu Ausschreitungen stadtbekannter Neonazis am Wahlabend des 25. Mai vor dem Rathaus in Dortmund befremden in mehrfacher Hinsicht die Politikerinnen und Politiker mehrerer demokratischen Parteien. „Zum einen enthalten sie ehrenrührige Aussagen über „alkoholisierte Dortmunder Politiker“, die den Eindruck erwecken, demokratische PolitikerInnen hätten die Eskalation der Gewalt von Rechts provoziert. „Wir weisen diese Behauptungen zurück“,heißt es in einer von Daniela Schneckenburger verbreiteten gemeinsamen Erklärung. Sie selbst war am Wahlabend von Dietrich S. zu Boden geschlagen worden. Dies belegen Videoaufnahmen.
In der gemeinsamen Erklärung heißt es weiter: „Zum anderen mutet es hoch befremdlich an, wenn der Staatsschutz sich in seiner Einschätzung des Gefahrenpotentials am Wahlabend für Gäste der Wahlparty im Rathaus auf Aussagen eines führenden Kaders des verbotenen „Nationalen Widerstands Dortmund“ beruft und aus diesen ableitet, dass ein besonderer Schutz der Wahlparty nicht notwendig gewesen sei. Die Zuverlässigkeit dieser Quelle ist spätestens mit Erscheinen der Neonazi-Gruppierung im Rathaus entgegen der vorherigen Behauptung des Nazi-Kaders widerlegt.
Wir erwarten hier eine Aufarbeitung des Wahlabends auf Seiten des Dortmunder Staatsschutzes, die gewährleistet, dass solche Fehleinschätzungen in Zukunft nicht mehr die Lageeinschätzung und das Verhalten der Polizei dominieren. Und schließlich weisen wir die verharmlosende Grundhaltung des Berichtes an den Innenausschuss des Landtages NRW zurück, wonach sich „Streitparteien“ vor dem Rathaus gegenüber gestanden hätten, die die Polizei habe trennen müssen. Tatsächlich handelte es sich um Ausschreitungen militanter Neonazis, denen DemokratInnen entgegentraten.
Wir sind gemeinsam über Parteigrenzen hinweg der Überzeugung, dass wir als DemokratInnen rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Tendenzen in unserer Stadt gewaltfrei entgegentreten müssen. Wir wollen, dass Menschen friedlich und angstfrei unabhängig von ihrer Religion, ethnischen Herkunft oder sexuellen Orientierung zusammenleben können.
Wir erwarten von den Verfassungsorganen und Behörden unseres Landes Unterstützung im Eintreten für diesen gemeinsamen demokratischen Grundkonsens.“
Unterzeichnet wurde die Erklärung von Daniela Schneckenburger, MdL, Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, Nadja Lüders, MdL, Unterbezirksvorsitzende SPD, Armin Jahl, MdL, stellvertretender Unterbezirksvorsitzender SPD, Gerda Kieninger, MdL, SPD, Torsten Sommer, MdL, PIRATEN, Norbert Schilff, Fraktionsvorsitzender SPD, Volkan Baran, stellvertretender Vorsitzender der Ratsfraktion SPD, Ingrid Reuter, Fraktionssprecherin Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, Ulrich Langhorst, Fraktionssprecher Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, Utz Kowalewski, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE, Jens Peick, stellvertretender Unterbezirksvorsitzender SPD, Franz Josef Drabig, Landesvorstand SPD, Hilke Schwingeler, Kreisvorstand Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, Martina Stackelbeck, Ratsmitglied Bündnis 90 / Die GRÜNEN, Wolfram Frebel, Ratsmitglied Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, Ulla Hawighorst, Ratsmitglied Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, Svenja Noltemeyer, Ratsmitglied Bündnis 90/ DIE GRÜNEN, Christian Gebel, Ratsmitglied PIRATEN, David Grade, Bezirksvertreter PIRATEN, Sabine Pezely, Fraktionsgeschäftsführerin Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, Stefan Neuhaus, Fraktionsgeschäftsführer Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, Torsten Behrendt , Fraktionsgeschäftsführer DIE LINKE
Reader Comments
Ulli Sander
Der Innenminister will von seiner Mitschuld an Naziunwesen in Dortmund ablenken
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) als die älteste und eine der bedeutendsten Organisationen des Widerstandes und des Antifaschismus in Deutschland verurteilt die Erklärung des Innenministeriums von NRW zu den Tumulten – ausgelöst durch Nazis am Wahlabend 25. Mai am und im Dortmunder Rathaus. Sie haben versucht, das Rathaus zu stürmen, was von der Polizei unzureichend verhindert wurde. Dafür macht der Innenminister nun „linksextreme“, aber auch „demokratische Kräfte“ mitverantwortlich. Der Innenminister versucht, von seiner Verantwortung für die Entwicklung in Dortmund abzulenken.
Wir erinnern:
Ein mehrfach vorbestrafter Neonazi und Gewalttäter, der noch am Wahlabend zusammen mit Kumpanen das Rathaus zu stürmen versuche, darf im Dortmunder Rathaus als gewähltes Ratsmitglied Platz nehmen. Er hat immer wieder verbotenen faschistischen Organisationen angehört und sich mit Nachfolgeorganisationen ein Betätigungsfeld beschafft. Die „Partei Die Rechte“ wurde zur Wahl zugelassen, obgleich ihr Nachfolgecharakter und ihre Nähe zum NSU-Terror jedem klar sein mußte, auch dem Innenminister.
Wir fragen: Verbote der ganz Rechten – wann werden die wirklich durchgesetzt? Nachfolgeorganisationen von verbotenen Organisationen waren in diesem Land immer nur dann illegal – wenn es gegen die Linken ging. Die Dortmunder VVN-Mitglieder Heinz Junge und Max Heitland (Ratsmitglied), die wegen Widerstands gegen das NS-Regime ins KZ gesperrt wurden und sich nach 1945 wieder gegen Krieg und Nazis zur Wehr setzten, sie wurden – wie zahlreiche weitere VVN-Mitglieder – wegen Kandidaturen zu Gefängnis verurteilt. Die Justiz hatte auf Fortsetzung der verbotenen KPD erkannt. Würden sie noch leben, könnten sie als „Linksextremisten“ des Rathauses verwiesen werden, wie der Ältestenrat in seiner skandalösen Rechts-Links-Gleichsetzung auf Anraten der Polizei beschloß.
Wir fordern das Verbot der Partei „Die Rechte“.
Wir fordern die Rücknahme der Schrift andi3, die der Innenminister an die Schulen verschickt, um Nazis und Linke auf eine Stufe zu stellen. Das Transparent „Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen“ sei, so der Innenminister in der Schrift, verfassungsfeindlich, weil es die Meinungsfreheit von Nazis als Mitbürger verletze.
Ulrich Sander
Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten
David Grade
Als Unterzeichner der Erklärung habe ich noch einmal die einzelnen Punkte kommentiert, die mich besonders am Bericht des Innenministeriums stören:
Kommentar von David Grade zum Bericht des Innenministeriums über die Attacke von Nazis auf das Rathaus am Wahlabend des 25. Mai 2014
http://piratenpartei-dortmund.de/nazis-ueberfallen-das-rathaus-zum-bericht-des-innenministeriums/