Fast zerfallene Hütten, kein fließendes Wasser, Dreck und Abfall, wohin das Auge reicht – so leben viele Roma in Rumänien, in eigenen Dörfern. Nicht nur in ihren Heimatländern sind sie Diskriminierung, Hass und Verweigerung der Menschenrechte ausgesetzt. Auch in Deutschland müssen sie sich mit Vorurteilen herumplagen. Die Hauptleidtragenden: die Kinder.
Aus Diskriminierung hinein in Vorurteile – Roma haben es in der Heimat und in Deutschland schwer
Rund 9.000 Menschen aus Bulgarien und Rumänien – viele von ihnen Roma – sind nach Dortmund gekommen, in der Hoffnung hier ein besseres Leben führen zu können. „Es ist eine sehr junge Zuwanderungsgruppe. Ungefähr 3.500 von den Zugewanderten sind Kinder“, sagt Daniela Schneckenburger, Dezernentin für Schule, Jugend und Familie Dortmund.
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Doch in Dortmund schaue man nicht auf die Herkunft der Kinder. „Dortmunder Kinder sind Dortmunder Kinder“, so Schneckenburger. Ihnen müsse man einen optimalen Start ins neue Leben ermöglichen. Das wichtigste Stichwort sei dabei die Bildung, besonders bei Mädchen ist es oftmals noch eine Herausforderung.
Zu oft leben die Roma-Eltern nach der Devise „Mädchen du heiratest, da brauchst du nicht so viel lernen“. Für Gerda Kieninger, Vorsitzende der AWO, ist es klar, dass das nicht der Lebenstraum sein kann.
„Wir müssen wissen, was der andere denkt, aber noch mehr, was der andere fühlt“, so Kieninger. Nur so lasse sich ein passendes Hilfsangebot für Roma-Kinder finden.
Das Engagement von Jenny Rasche geht über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinaus
Eines dieser Hilfsangebote ist die Kinderhilfe für Siebenbürgen e.V. Gegründet wurde der Verein von Jenny Rasche, die die katastrophalen Zustände der Roma-Kinder auf einer privaten Rumänien-Reise entdeckte.
Daraufhin entschloss sie vor Ort, alles zu tun, um diesen Kindern zu helfen. Um das möglich zu machen, ist sie mit ihrer Familie nach Rumänien gezogen.
Heute gibt es mehrere Helfer, die Jenny Rasche bei ihrer Arbeit im Kinder- und Pflegeheim unterstützen. Selbstverständlich sei es nicht, engagierte und verlässliche Helfer zu finden, erklärt Maik Blanke, Vereinsmitglied der Kinderhilfe für Siebenbürgen.
Problematisch war auch die gesetzliche Seite in Rumänien. Am Anfang habe Jenny ohne das Jugendamt Kinder aus desolaten Verhältnissen herausgeholt und sie teilweise in ihrem eigenen Haus untergebracht. „Da es aber immer mehr Kinder wurden, konnte sie die nicht alle bei sich zu Hause unterbringen“, berichtet Susanne Knappe, ebenfalls Vereinsmitglied und Jenny Rasches Schwester.
Eine rumänische Helferin habe dann Pflegeschaften beantragt und ein Haus gemietet, dass jetzt das Kinderheim ist. „Es war am Anfang für acht Kinder ausgelegt. Nach zwei Wochen hatten wir aber schon 14“, so Knappe.
Verwahrlost, vergessen und vernachlässigt – das ist das Schicksal vieler Roma-Kinder
Kinder scheinen Fluch und Segen zugleich zu sein. Einerseits sind sie es, die die traditionellen Vorstellungen der Roma langsam verändern. Andererseits sind sie es auch, die am meisten leiden. Oft werden sie in Krankenhäusern nach der Geburt zurückgelassen. Die Zurückgelassenen werden dann oftmals von den Ärzten einfach als behindert eingestuft.
„Roma, behindert und noch aus dem Heim, was tieferes gibt es nicht in der Auffassung der rumänischen Bevölkerung“, sagt Susanne Knappe. In vielen Fällen stelle sich dann heraus, dass die Kinder gar nicht behindert seien. „Ein angeblich behindertes Kind hat dann bei der Mathe-Olympiade mitgemacht“, erzählt Blanke.
Um zu verhindern, dass es viele ungewollte und zurückgelassene Kinder gibt, betreibt der Verein auch Aufklärungsarbeit. Frauen werden über Verhütung informiert, zum Gynäkologen gebracht und bekommen die Spirale. Momentan seien es fast 600 Frauen, die das gemacht hätten. Und trotzdem gibt es bedürftige Roma-Kinder in Massen. Und, um die und ihre Familien zu versorgen, bedarf es finanzieller Ressourcen.
Ohne Spenden geht nichts – und es müssen nicht immer riesige Summen sein, ganz im Gegenteil
„Jede Spende hilft, egal ob fünf oder zehn Euro im Monat“, erklärt Susanne Knappe. Sie hätten viele Spender, die kleine Summen spenden würden. „Wenn jemand mal einen Monat nicht zahlen kann, bricht davon nicht das ganze Projekt zusammen.“ Das sei bei größeren Stiftungen anders. Fehle da die Zahlung, könne man das ganze Projekt dicht machen, so Knappe.
Als Spender spendet man nicht einfach nur anonym eine Geldbetrag in eine große Kasse, sondern kann sich konkrete Projekte aussuchen, an denen man sich beteiligen möchte. So kann man den Häuserbau in der Ziganie oder auch ein bestimmtes Kind mit einer Patenschaft unterstützen. Aber auch Fördermitgliedschaften könne man übernehmen, so Knappe.
Der Verein setzt seinen Fokus auf die Bildung der Kinder. Doch genau da liegt ein großes gesellschaftliches Problem.Die Kinder werden von Lehrern und Mitschülern diskriminiert und teilweise nicht beschult. „Eine Lehrerin hat vor einer Prüfung einige Roma-Schüler provoziert und gesagt, dass sie die Prüfung eh nicht bestehen würden“, erzählt Knappe.
Da kam es zum Eklat. Ein Junge habe einen Stuhl durch die Luft geworfen, der andere habe die Lehrerin angespuckt. Später hätten die beiden die Prüfung nachgeholt und ohne Probleme bestanden. „Das ist sinnbildlich für die Diskriminierung, die die Kinder aushalten müssen, und trotzdem verlangen wir von ihnen, dass sie zur Schule gehen“, sagt Knappe.
Eltern als Herausforderung für die Bildung der Kinder – Tradition trifft Modernisierung
Aber auch die Eltern stellen oftmals ein Problem dar. Sie schicken ihre Kinder zum Betteln, sodass wenn die Kinder in der Schule sind, die Einnahmequelle wegfällt und das Überleben noch schwerer wird. „Genau das müssen wir kompensieren, damit die Kinder lernen dürfen“, sagt Susanne Knappe. Man müsse es den Familien einfach machen und ihr Vertrauen gewinnen. Als Kompensation werden die Familien mit Lebensmitteln versorgt.
Momentan unterstützt der Verein drei bis vier verschiedene Roma-Siedlungen. „Wichtig zum Erfolg ist, dass man niemanden bevorzugt und sich Gedanken über die vorhandenen finanziellen Ressourcen macht“, erklärt Maik Blanke. Ziel sei es, dass sie die Hilfe des Vereins irgendwann nicht mehr brauchen würden. Das könne aber bis zu zwölf oder mehr Jahren dauern.
Von Akzeptanz sprechen, ist einfach, sie zu erreichen, ist eine ganz andere Sache
Engagierte Menschen seien sehr wichtig für Veränderung der Akzeptanz der Roma in Rumänien und Bulgarien. „Aber auch eine europäische Agenda ist wichtig, da so viel Staatsrassismus herrscht“, erklärt Schneckenburger. Den könne eine Gruppe engagierter Menschen nicht alleine bekämpfen.
Für Maik Blanke und Susanne Knappe ist deutlich, dass die Akzeptanz der Roma nur langsam über Tatsachen erreicht werden kann. „Politikerpräsenz erhöht die Akzeptanz in den Köpfen der Bevölkerung nicht“, sagen die beiden. Wichtig sei, es zu zeigen, dass Bildung der Schlüssel zu einem besseren Leben für Roma-Kinder sei.
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