Unterschiedliche Gutachten, unterschiedliche Ergebnisse – Stadtspitze Dortmund steht weiter zu EU-Grenzwerten

Die Gefährdung durch Schadstoffe wird mittlerweile hinterfragt. Gutachten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich der korrekten Standorte der Messstationen und ihrer Werte. Foto: Klaus Hartmann

Die Diskussion um erhöhte Schadstoffbelastungen der Luft und Fahrverboten in Deutschlands Innenstädten wird bundesweit immer kontroverser geführt. Auch im Verwaltungsvorstand der Stadt Dortmund. Die Gefährdung durch Schadstoffe wird interessanterweise mittlerweile hinterfragt. „Für uns ist die Frage, ob die Messstellen an den richtigen Stellen stehen. Sie werden besonders an der B1 hinterfragt. Wir haben uns im Verwaltungsvorstand darüber ausgetauscht, wie man damit umgehen will“, so Oberbürgermeister Ullrich Sierau. Aber auch die Gutachterwahl müsse genauer betrachtet werden, um Lobbyismus und Vetternwirtschaft auszuschließen.

Verwaltungsvorstand wird LANUV die FH-Analyse zu den Messstationen vorlegen

Umweltdezernent Ludger Wilde. Foto: Leopold Achilles

Umweltdezernent Ludger Wilde geht davon aus, dass die Klage der Deutschen Umwelthilfe vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster Erfolg haben könnte und der Regierungsbezirk Arnsberg mit Konsequenzen rechnen muss. Nichtsdestotrotz müssten noch offene Fragen bezüglich der Messstationen geklärt werden, auch wenn der TÜV-Rheinland in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen sei, dass sie richtig aufgestellt wurden und die Messergebnisse belastbar seien. 

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Ein Gutachter der Fachhochschule Dortmund hat sich die Messstationen und die Messergebnisse genauer angeschaut und eine mehrseitige Analyse erstellt. „Wir gehen davon aus, dass es entsprechende Wünsche in der Politik zur Befassung damit gibt. Wir werden die Ergebnisse des FH-Wissenschaftlers auch dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) vorlegen, um zu klären, ob ein Mangel oder verfälschte Ergebnisse vorliegen“, so Wilde. 

Anschließend soll das Gutachten auch den zuständigen politischen Gremien vorgelegt werden. Bisher ist dort der Masterplan Mobilität Thema – und die Frage um die Stationen und ihre Messwerte ändert nichts daran. Der Verwaltungsvorstand habe Maßnahmen zur Luftreinhaltung beschrieben. Es bliebe abzuwarten, ob die zum Teil schon eingeleiteten Maßnahmen zur Beeinflussung des Urteils führen würden.

Alle Maßnahmen des Luftreinhalteplans werden trotz allem weiter umgesetzt

Eine der Messstationen an der Brackeler Straße. Archivbild: Klaus Hartmann
Messstation an der Brackeler Straße. Fotos (2): Klaus Hartmann

Und zur Frage der Gutachter meint Wilde: „Je nachdem, wen man fragt, bekommt man auch entsprechende Ergebnisse.“ Der Verwaltungsvorstand habe das Gesundheitsamt zum früheren Ärztefunktionär und Lungenfacharzt Dieter Köhler und seinen Co-Autoren recherchieren lassen. Er hatte „das Pamphlet verfasst“ (Zitat Wilde) welches für Schlagzeilen und eine bundesweite Diskussion über die Grenzwerte sorgte.

Diesem Gutachten waren mehr als 100 Lungenärzte beigetreten. Verwunderlich, ebenso wie der Autorenkreis: Köhler ist zwar ausgewiesener Facharzt, hat sich aber zu der Thematik nicht durch wissenschaftliche Ergebnisse hervorgetan. Zwei weitere Autoren der Studie waren schon vorher der Motorenindustrie verpflichtet.

Sie hatte geschrieben, dass es „keine wissenschaftliche Begründung für die aktuellen Grenzwerte für Feinstaub und NOx“ gebe. Nun berichtet allerdings die „Tageszeitung“ (taz) unter der Titel „Lungenarzt mit Rechenschwäche“, dass sich der 70-Jährige, der seinen Kollegen in zahlreichen Interviews systematische Fehler und einseitige Interpretationen vorgeworfen hatte, selbst in seinen Modellen verrechnet habe.

Wörtlich heißt es in der taz, dass „Köhler unabhängig von seinem mangelhaften Verständnis der Epidemiologie offenbar sehr viel grundlegende Probleme hat – mit der Chemie und vor allem der Mathematik. Die Fehler, die Köhler unterlaufen, sind so gravierend, dass er teilweise das Gegenteil dessen beweist, was er aussagen wollte.“

Stadtverwaltung zweifelt die EU-Richtlinie von 40 Mikrogramm Stickoxide pro Kubikmeter Luft nicht an

Die Stadtverwaltung hat sich hinter die EU-Richtlinie von 40 Mikrogramm Stickoxide pro Kubikmeter Luft als nicht zu überschreitenden Grenzwert gestellt. „Wir werden nicht einfach die Werte und den Standort in Frage stellen und die schlechte Luftqualität hinnehmen. Dagegen wendet sich unser Gesundheitsamt. Wir nehmen die EU-Grenzwerte ernst und sehen uns als Stadt in der Pflicht, an den Abschnitten, wo die Werte zu hoch sind, entsprechend zu reagieren – mit Maßnahmen, die wir beeinflussen können“, so Ludger Wilde. 

Hauptverantwortlich für das Problem sei aber nicht die Stadt, sondern die Automobilindustrie, denn sie könnte durch entsprechenden Nachrüstungen alter Diesel-Fahrzeuge dazu beitragen, die Messergebnisse positiv zu beeinflussen.

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