Von Angelika Steger
Ein ganz gewöhnlicher Vormittag im Gast-Haus an der Rheinischen Straße. Obdachlose sitzen zu viert oder mehreren an einem Tisch, essen, reden, schauen nur in die Leere oder beäugen die neu eintreffenden BesucherInnen. MitarbeiterInnen servieren Brot, Käse, Wurst und Getränke. 50 Plätze hat der Gastraum, 300 Gäste kommen jeden Tag zum Frühstück. Ganz gewöhnlich ist dieser Vormittag im Gast-Haus aber nicht: Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in NRW, ist aus Düsseldorf gekommen, um sich über die Arbeit der Einrichtung zu informieren. Neben den Gästen sitzt er und redet mit ihnen; trüge Laumann kein Jackett, er fiele nicht auf. Die meisten Gäste sind Männer, sauber, aber nicht immer in Kleidungsstücken, die zwingend aufeinander abgestimmt sind.
Gast-Haus wünscht sich, eine feste Stelle für SozialarbeiterIn einrichten zu können
„Wir bewirten unsere Gäste von acht bis elf Uhr“, so Werner Lauterborn, Vorstand und Vereinsmitgründer von „Gast-Haus statt Bank“. Von Bäckereien, Supermärkten, Vereinen und Gemeinden bekommen wir Spenden – doch es reicht nie. „Wir müssen immer was zukaufen.“
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Der Etat für Lebensmittel beliefe sich auf 200.000 Euro, so der Vorsitzende. Das Gast-Haus hofft, dass die Stadt in Zukunft mehr machen wird, denn die Spenden seien immer ein großes Problem.
In den letzten 15 Jahren sei die Initiative ohne staatliche Unterstützung ausgekommen, aber das gehe jetzt nicht mehr. Die rund 240 MitarbeiterInnen müssten auch in Sachen Deaskalation und Gesundheit geschult werden.
Lauterborn hat außerdem einen großen Wunsch: „Mehr Akzeptanz für unsere Arbeit. Und einen festen Sozialarbeiter, denn selbst können wir das als ehrenamtliche Mitarbeiter nicht leisten, was nötig wäre.“ Nicht-Ehrenamtliche zu finden, sei sehr schwierig,
Angebote müssen sich an den konkreten Bedürfnissen von obdachlosen Menschen orientieren
Dass zusätzliche Sozialarbeit notwendig wäre, bestätigt auch Dr. Klaus Harbig. Er ist einer der Ärzte, die in der Praxis neben dem Gast-Haus tätig sind.
„Da kommen Leute, die Diabetes haben und regelmäßig Medikamente nehmen müssten. Aber der Zucker tut nicht weh, deshalb ist es ihnen egal. Die kommen dann und haben einen Zuckerwert von 400, wollen aber nur Schmerztabletten. Die bräuchten jemand, der sie anleitet, genau jetzt und regelmäßig genau diese Medikamente zu nehmen. Was wir hier machen, ist immer nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Von ,nachhaltig‘ kann man nicht reden.“
Weil PatientInnen Medikamente nicht so einnähmen, wie es für eine Heilung notwendig wäre, sterben obdachlose Menschen auch mit Mitte 50, ergänzt der sich seit vielen Jahren ehrenamtlich engagierende Mediziner..
Arztpraxis vom Gast-Haus wurde seinerzeit erst durch eine Erbschaft ermöglicht
Überhaupt möglich wurde das Angebot für medizinische Behandlung von Obdach- und Wohnungslosen erst durch eine Spende eines Palliativ-Patienten, dem die Räumlichkeiten vorher gehört hatten. Fünf Ärzte, darunter eine Ärztin, und mehrere Pfleger arbeiten ehrenamtlich in dieser Arztpraxis. Medikamente kommen als Spenden, aber ein Zukauf von 1.000 Euro ist dennoch notwendig. An drei Tagen in der Woche findet die Behandlung statt, 500 PatientInnen sind es pro Quartal.
50 Prozent der PatientInnen sind krankenversichert; aber weil es eine ehrenamtliche Arzt-Tätigkeit ist, kann Harbig nicht abrechnen. Das größte Problem sei die Hygiene. „Wir könnten auch gut noch einen Dermatologen gebrauchen, weil wir hier viele Hautkrankheiten haben, z.B. offene Beine oder Ekzeme.“
Auch Fälle von TBC gebe es; sonst seien es die Beschwerden, die alle Menschen haben, wie etwa Bluthochdruck. Bei vielen Erkrankungen, die akut sind, kann geholfen werden; bei stationären Behandlungen müssen aber auch die ehrenamtlich tätigen Ärzte Gesuche von Obdachlosen ablehnen.
Gast-Haus wünscht sich ein Hygiene-Zentrum – allein, es fehlt an finanziellen Mitteln
Ein Problem bei der ärztlichen Behandlung sind aber auch die PatientInnen selbst. Dr. Harbig erzählt davon, dass selbst ein Quittungsblock geklaut wurde, weil der Patient dachte, dass darin Geld sei.
„Man muss immer aufmerksam sein, damit von niemand die Schubladen mit den Medikamenten nicht einfach aufgezogen werden. Ich habe hier auch gelernt, ,nein‘ zu sagen. Aus Sicht der Patienten muss man eben auch sagen: die haben sonst nichts, deshalb versuchen sie zu klauen.“
Klaus Harbig wirkt frustriert, als er das sagt. Der größte Traum sei ein Hygiene-Zentrum wie am Berliner Bahnhof Zoologischer Garten. Dort gäbe es viele Duschen und andere Hygieneräume. Momentan weiß das Gast-Haus nicht, wie es den dazu fälligen Umbau u.a. der Waschräume finanzieren könnte.
Problem Obdachlosigkeit: Minister Karl-Josef Laumann bei Gesprächen mit Obdachlosen ratlos
„Bei allen Gesprächen, die ich heute mit Obdachlosen geführt habe, muss ich sagen, dass ich keinen Rat weiß.“ Er sei beeindruckt vom ehrenamtlichen Engagement der MitarbeiterInnen des Gast-Hauses. Laumann sieht nur ein „Packende“ für das Problem: bis Ostern will sein Ministerium konkrete Schritte zur Bekämpfung des Problems Obdachlosigkeit vorlegen.
„Obdachlosigkeit ist das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann, wenn man den geschützten Raum einer Wohnung verliert.“ Konkret sind die Kommunen gefordert, weil diese direkt vor Ort sind. Probleme bei der Aufstellung von Hilfsangeboten vor Ort sieht eine Mitarbeiterin des Gast-Hauses: so sei es schwierig gewesen, eine Organisation zu finden, die für ein Hilfsangebot wie den „Wärmebus“ die Trägerschaft übernimmt.
Minister Laumann ergänzt, dass er mit mehreren Wohnungsunternehmen, zum Beispiel mit Vivawest im Gespräch sei. Durch Tod oder Wegzug gäbe es einen Wohnungsleerstand von 2 Prozent; da werde man in Zukunft versuchen, Wohnungslose unterzubringen. Damit die Wohnung aber nicht demoliert wird, müssten die neuen MieterInnen und ehemaligen Obdachlosen dann auch begleitet werden. Jeder Vermieter habe ein Recht darauf, dass die Wohnung in einem gutem Zustand bliebe.
Weitere Informationen:
- Gast-Haus statt Bank, Homepage, hier:
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