Einvernehmlich plädierten Staatsanwaltschaft und Verteidigung für den Freispruch des angeklagten Rumänen Toader E.. Nach Abschluss der Beweisaufnahme steht fest, dass kein genauer Tathergang rekonstruiert werden kann. Die Aussagen der Geschädigten am Tatort, in den späteren polizeilichen Vernehmungen, bei einer Ärztin und vor Gericht, sind für alle Prozessbeteiligten zu widersprüchlich, als dass sie konkrete Rückschlüsse auf das Tatgeschehen zulassen würden. Der DNA-Treffer auf dem T-Shirt des Opfers, der dem Angeklagten zugeordnet werden konnte und zu seiner Anklage führte, kann nicht zweifelsfrei mit dem Verbrechen in Verbindung gebracht werden. Das Gericht schloss sich in seiner Entscheidung der Einschätzung der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung an.
Widersprüche in den Aussagen der Geschädigten verhindern die konkrete Rekonstruktion des Tatherganges
Seit Anfang Januar musste sich der tatverdächtige Rumäne den Tatvorwürfen der Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung stellen. Ihm wurde vorgeworfen, in einer Nacht im Juli 2017 eine 51-jährige Frau in der Nordstadt überfallen, in einen Hinterhof in der Holsteiner Straße gezerrt und brutal vergewaltigt zu haben.
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Für die Staatsanwaltschaft handelt es sich um den klassischen Fall „Aussage gegen Aussage“, wobei die Vielzahl der Ungereimtheiten in den Angaben der 51-jährigen Geschädigten vor Gericht und bei der Polizei den Ausschlag für die Entscheidung gegeben hätten. Die Aussagen variierten nicht nur hinsichtlich der Örtlichkeit an der sie überfallen wurde, sondern es seien auch erhebliche Widersprüche bezüglich der vollzogenen sexuellen Handlungen feststellbar.
Des Weiteren habe die Geschädigte bei der Polizei angegeben, es hätte sich beim Täter um einen Bulgaren gehandelt, was sie an seiner Sprache erkannt habe. Vor Gericht sagte sie aus, er habe lediglich die drei Worte „I’m not finished“ in gebrochenem Englisch von sich gegeben.
Ein weiterer wichtiger Faktor, der die Staatsanwältin zu ihrer Entscheidung veranlasste, ist die Tatsache, dass die Zeugin den Angeklagten vor Gericht nicht zweifelsfrei als Täter identifizieren konnte. Diese Vielzahl der Ungereimtheiten in Zusammenhang mit der Biografie und dem Lebenswandel der Geschädigten, ließen erhebliche Zweifel an der Belastbarkeit und der Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen entstehen.
Verteidiger Pieplow: „Da hat die Polizei wohl nicht ihren besten Tag gehabt.“
Anwalt Lukas Pieplow schloss sich diesen Ausführungen an und führte weitere Begründungen für einen Freispruch an. Es habe sich von Anfang an um ein schwieriges Verfahren gehandelt, was nicht zuletzt daran gelegen habe, dass die Polizei wohl nicht ihrer besten Tag gehabt habe.
Nach abgeschlossener Beweisaufnahme ist es mehr als wahrscheinlich, dass die Spurensicherung den eigentlichen Ort des Geschehens gar nicht untersucht hat und somit auch keine Spuren sicherstellen konnte. Die Aussagen der mit dem Fall befassten BeamtInnen seien zu widersprüchlich gewesen, so dass nicht hätte nachgewiesen werden können, wann und durch wen beispielsweise die Handtasche des Opfers asserviert worden sei.
Auch die Frage, ob dem Opfer kurz nach der Tat ein Foto von Polizeibeamten vorgelegt worden sei, auf dem sie nach eigener Aussage den Täter zweifelsfrei hätte identifizieren können, blieb vollkommen ungeklärt. Hierin erkannte Pieplow eine polizeiliche Trübung von Beweisfällen und kommentierte dies mit den Worten: „Ein paar graue Haare kann man da schon kriegen. Und ich erhoffe mir diesbezüglich eine kommunikative Konsequenz.“
Auch für die Verteidigung steht fest, dass dem Opfer etwas Schlimmes widerfahren ist
Er stellte klar, dass für ihn außer Zweifel stehe, dass der Geschädigten in der Tatnacht etwas Schlimmes widerfahren sei. Der DNA-Treffer auf dem T-Shirt des Opfers sei aber nicht zu verabsolutieren und durch die Aussage der Sachverständigen sei klar geworden, dass man trotz Profilzuordnung nichts darüber aussagen könne, wie die Spur an den Träger gelangt sei.
Bei gynäkologischen Abstrichen des Opfers seien zudem weitere männliche DNA-Spuren gefunden worden, die jedoch nicht zugeordnet werden konnten. Ein vollendetes Sexualdelikt sei nicht nachweisbar. Aus diesen Gründen beantragte auch er den Freispruch seines Mandanten, der sich abschließend noch einmal äußerte.
Von Anfang an hatte er die Tatvorwürfe bestritten. „Was ich vor Gericht alles gehört habe, hört sich für mich an wie in einem Horrofilm. Ich habe nichts damit zu tun. Für mich trägt die Hauptschuld an dem Verfahren die Polizei, weil die ihre Aufgabe nicht richtig gemacht hat“, so Toader E.
Aus der Beweisaufnahme resultiert für das Gericht der Freispruch des Angeklagten
Auch das Gericht unter Vorsitz von Richterin Rauhaus berief sich in seinem Urteil auf die stark variierenden Aussagen des Opfers. Gerade in Bezug auf den Überfall und ob dieser bereits an der Bushaltestelle erfolgte oder doch erst im Hinterhof, als die Geschädigte sich zum Urinieren hingehockt hatte, erschien dem Gericht unglaubwürdig.
Denn gerade an den auslösenden Beginn eines solch traumatischen Vorfalls könnten sich Opfer in der Regel sehr genau erinnern. Dass man die Aussagen des Opfers bei den verschiedenen Vernehmungen nicht richtig verstanden haben könnte, schlossen die RichterInnen aufgrund der sich deckenden Angaben von Polizei und Ärztin aus.
Außerdem sei die Spurensuche ohne Ergebnis verlaufen, die Zeugin habe den Täter vor Gericht nicht wiedererkannt, der Umfang der sexuellen Handlungen hätte nicht festgestellt werden können und die Verletzungen könnten nicht dem Angeklagten zugeordnet werden.
DNA-Treffer sagt nichts über den Zeitpunkt oder die Art und Weise des Kontaktes aus
Und selbst wenn dem Opfer unmittelbar nach der Tat ein Foto des Täters vorgelegt worden wäre und sie auf diesem den Täter erkannt hätte, hätte das Bild nicht vom Angeklagten stammen können. Denn dieser geriet erst später durch die am T-Shirt gefundene DNA-Spur unter Verdacht.
Die Verletzungen des Opfers würden nicht zwingend auf ein Sexualdelikt deuten und durch das Fehlen jeglicher Tatortspuren sei letztendlich kein konkreter Tathergang rekonstruierbar. Es könne nicht abschließend festgestellt werden, welche Handlungen zu den Verletzungen der Geschädigten geführt hätten.
Zwar sei die DNA-Spur am T-Shirt der Beweis für einen körperlichen Kontakt, doch da sich Opfer und Angeklagter im selben Milieu bewegten sei eine DNA-Übertragung auch im Vorfeld der Tat denkbar. Außerdem sage die Spur nichts über die Art und Weise des Kontaktes aus. Somit lautete das Urteil Freispruch. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.
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