In der Nacht vom 22. auf den 23 Juli 2017 kam es in der Nordstadt im Bereich der Brunnenstraße zu einem Vergewaltigungsdelikt. Vor dem Landgericht Dortmund ist ein 39-jähriger Rumäne ohne festen Wohnsitz angeklagt, der sich derzeit wegen einer anderen Tat in Haft befindet. Am ersten Prozesstag wollte er sich nicht zu den Vorwürfen äußern, da er nicht einmal wüsste, um wen es sich bei der Geschädigten handelt. Er habe bisher weder von Ermittlungsbeamten noch im Rahmen der Prozessführung ein Bild des Opfers in Augenschein nehmen können. Am Dienstag, 15. Januar 2019, trat nun das Opfer in den Zeugenstand und berichtete über das Tatgeschehen.
51-jähriges Opfer tritt in den Zeugenstand und berichtet vom Tatgeschehen
Die 51-Jährige berichtete, dass sie sich am Abend des 22. Juli 2017 mit mehreren Bekannten im Park am Nordmarkt getroffen habe. So gegen 0.30 Uhr wollte sie sich auf den Heimweg machen und bewegte sich vom Nordmarkt über die Mallinckrodtstraße zur Bushaltestelle an der Ecke Mallinckrodt- und Brunnenstraße.
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Hier wollte sie in den Nachtexpress steigen, den sie jedoch knapp verpasste. Da sie nun eine halbe Stunde zu überbrücken hatte bis der nächste Bus kommen sollte, entschied sie sich, am Kiosk noch zwei Bier zu kaufen. Eines öffnete sie sofort, das andere verstaute sie in ihrer Handtasche.
Auf den Bus wartend, verspürte sie plötzlich das Verlangen, sich zu erleichtern und habe sich daraufhin eine passende Stelle gesucht. Im Hinterhof einer Häuserzeile an der Holsteiner Straße sei sie fündig geworden. Hier habe sie ihre Hosen auf Kniehöhe herabgelassen und sich unter ein mit Rollos verdunkeltes Fenster gehockt.
Opfer: „Der hat mich angefallen wie ein Tier. Das waren nicht bloß fünf Minuten.“
Plötzlich sei sie von hinten angefallen und auf den Boden gedrückt worden. „Der hat mich angefallen wie ein Tier“, so die 51-Jährige. Der Angreifer habe über enorme Kräfte verfügt und sie an den Füßen wie ein Baby in die Luft gehoben und versucht, sie in dieser Stellung zu penetrieren. Er habe Erektionsprobleme gehabt, die ihn nur noch rasender gemacht hätten.
Vehement hätte sie versucht sich zu wehren, aber der Täter hätte sie an beiden Beinen über den Schotter gezogen und immer wieder versucht sich an ihr zu vergehen. Dabei habe er wiederholt „I’m not finished“ oder „I have not finished“ von sich gegeben. Während sie lautstark um Hilfe gerufen hätte, sei in einigen Fenstern das Licht angegangen und es sei auch mit einer Taschenlampe geleuchtet worden, allerdings sei niemand zu Hilfe gekommen.
„Das hat alles nicht nur fünf Minuten gedauert“, behauptete die Zeugin unter Tränen, der es wie eine Ewigkeit vorkam. Im Kampf mit dem Täter sei es ihr gelungen, an die halbleere Bierflasche zu kommen, die sie beim Urinieren neben sich abgestellt hatte. Sie habe drei Mal damit auf den Kopf des Täters eingeschlagen, so dass die Flasche sogar zerbrochen sei – aber dies habe keinerlei Effekt auf den Angreifer gezeigt.
Opfer kann Angeklagten nicht zweifelsfrei identifizieren
An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass am Tatort keine Scherben der Flasche gefunden wurden und auch keine Spuren von Haaren, die ihr der Täter in einem großen Büschel ausgerissen haben soll.
Dadurch, dass der Täter völlig betrunken gewesen sei, sei er irgendwann selber ins Straucheln geraten und zu Boden gegangen. Diese Gelegenheit habe die Zeugin genutzt und ihm heftig ins Gesicht getreten, um anschließend durch die anliegenden Gärten zu flüchten. Schließlich habe eine Anwohnerin, die schon im Vorfeld die Polizei informiert hatte, sie in ihrer Wohnung in Sicherheit gebracht.
Nach der Anhörung der Zeugin mussten einige Widersprüche geklärt werden, die sich aus den Aussagen bei der Polizei, bei einer Ärztin und der heutigen Aussage vor Gericht ergaben. Als die Zeugin von der Vorsitzenden Richterin Rauhaus gefragt wurde, ob sie den Angeklagten zweifelsfrei als den Täter identifizieren könnte, antwortete sie ehrlich: „Das kann ich nicht hundertprozentig sagen. Und ich will auch niemanden zu Unrecht beschuldigen“.
Zwar kämen ihr die Augen des Angeklagten sehr bekannt vor aber in der Tatnacht und am Tatort sei es einfach zu dunkel gewesen, um mehr zu erkennen. Außerdem habe sie unter Schock gestanden, wodurch sie auch die Widersprüche in den Aussagen rechtfertigte.
Zeugin erklärt Widersprüche in den Aussagen durch Schockzustand und Stress
„Ich wurde unmittelbar nach der Tat über Stunden von verschiedenen Ermittlungsbeamten verhört. Ich stand unter Schock.“ Von Anwalt Pieper nach Alkohol- und Drogenkonsum befragt, antwortete sie, am Tattag Bier getrunken zu haben und räumte ein, schon seit mehreren Jahren substituiert zu werden und keinen Beikonsum mehr zu benötigen.
Im Anschluss an ihre Befragung hatte der Tatverdächtige die Möglichkeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Er gab an, die Frau nicht zu kennen. Es könne sein, dass man sich in der Nordstadt mal über den Weg gelaufen sei aber mehr auch nicht. Er erzählte eine ganz andere Geschichte des Tattages.
Er habe im Park am Nordmarkt eine Frau und zwei Männer getroffen, mit denen er ins Gespräch gekommen sei. Man habe gemeinsam Wodka getrunken und sich unterhalten. Irgendwann hätten die zwei Männer sich auf den Weg machen wollen, die Frau jedoch nicht. Daraufhin habe er angeboten, dass sie bei ihm bleiben könne. Die zwei Männer seien losgezogen und die Frau habe sich mit ihm gemeinsam in eine andere Richtung auf den Weg gemacht.
Der 39-jährige Angeklagte erzählt eine völlig andere Geschichte über den Tattag
Irgendwann sei es der Frau zu kalt geworden und sie habe es sich im Schlafsack des Angeklagten bequem gemacht. Hier sei es dann so gegen zwei Uhr nachts zu einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gekommen. Als die Frau am nächsten Morgen aufgewacht und nüchtern gewesen sei, habe sie ihn nach Geld für eine neue Flasche Wodka gefragt.
Als er antwortete, er habe kein Geld, sei die Frau ausfallend und beleidigend geworden und habe mit einer Flasche nach ihm geworfen. Als sie gedroht habe, die Polizei zu rufen, habe er sie zweimal geohrfeigt. Mehr sei nicht vorgefallen und er sei sich sicher, dass die Zeugin nicht die Frau sei, mit der er den Tatabend verbracht habe.
Außerdem verwiesen Anwalt und Angeklagter auf die Statur des Tatverdächtigen. Für sie ist es schwer vorstellbar, dass der 39-jährige Angeklagte bei einer Größe von rund 1,60 Meter und einem Gewicht zwischen 50 und 60 Kilogramm dazu in der Lage gewesen sein soll, das rund 80 Kilogramm wiegende Opfer mit einer Hand an den Füßen vom Boden zu heben.
„Die Frau mit der ich im Park Sex hatte war dünn. Und wie soll ich die Zeugin wie eine Baby hochheben“, so der Angeklagte. Das Gericht steht nun vor der schwierigen Aufgabe, diese zwei völlig unterschiedlichen Aussagen zu bewerten und ihnen im Sinne der Wahrheitsfindung durch die weitere Beweisaufnahme eine Gewichtung zuzuordnen.
Der Prozess wird am kommenden Donnerstag, 17. Januar 2019, fortgesetzt. Dann werden die mit dem Fall betrauten Ermittlungsbeamten und die Retterin der Geschädigten, die sie in ihrer Wohnung aufnahm, angehört.
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