Mit dem neuen Jahr hat sich das Mietrecht in der Bundesrepublik an einigen wichtigen Punkten verändert. Mieterhöhungen wegen der Baukosten für Modernisierungen wurden stärkere Grenzen auferlegt, die Rechte von MieterInnen gestärkt. Von der seit langem überfälligen Novelle werden auch MieterInnen in Dortmund profitieren – dabei sah es eine Zeitlang gar nicht so aus.
Wegen Berechnungsgrundlage aus 2011: Dortmund gilt nicht als Gebiet mit erhöhtem Wohnungsbedarf
Seit dem 1.Januar 2019 gilt das „Mietrechtsanpassungsgesetz“ (MietAnpG), verabschiedet in dritter Lesung im November letzten Jahres. Es sei bis zum Schluss eine Achterbahnfahrt gewesen, erinnert sich Dr. Tobias Scholz, Sprecher des Mietervereins Dortmund und Umgebung e.V. Denn nach einer zwischenzeitlich in Berlin debattierten Fassung des Gesetzes sollten die Änderungen nur für jene Kommunen gelten, die von der sogenannten Mietpreisbremse erfasst werden. ___STEADY_PAYWALL___
Das Problem in Dortmund: dies ist hier genauso wenig der Fall wie in irgendeiner anderen Stadt des Regierungsbezirks Arnsbergs; in ganz NRW gilt die Mietpreisbremse nur für 22 Kommunen. Ergo hätten die Änderungen im Mietrecht auf die Stadt keine Auswirkungen gehabt. Das Ärgerliche daran wäre zudem gewesen: die in NRW aus dem Jahr 2015 stammende und bis 2020 gültige „Mietpreisbegrenzungsverordnung“ basiert auf Daten aus dem Jahre 2011, die teilweise überholt sind.
So in Dortmund. Denn bereits im Jahr 2013 habe es in der Stadt de facto Wohnungsknappheit gegeben und seither müsste sie eigentlich unter die Mietpreisbremse fallen, erklärt Tobias Scholl. Da die Berechnungsgrundlage hierfür jedoch unverändert das Jahr 2011 geblieben sei, gälte Dortmund weiterhin nicht als Gebiet mit erhöhtem Wohnungsbedarf.
Mietrechtsnovelle sollte ursprünglich nicht für Dortmund und viele andere Kommunen in NRW gelten
Im Falle einer Verabschiedung des MietAnpG nach dem ursprünglichen Entwurf hätte die Stadt daher – wie alle anderen in der Region – im Regen gestanden. Doch es ist gutgegangen: am Ende gab es innerhalb der GroKo einen Konsens über einige wichtige Nachkorrekturen.
Eigentlich sollte in Sachen Mietrecht bereits in der ersten Legislaturperiode der GroKo etwas geschehen, die Absichten scheiterten seinerzeit jedoch am Widerstand der CDU. Jetzt hat es im zweiten Anlauf geklappt.
Ende November letzten Jahres wurde der modifizierte Gesetzesentwurf in dritter Lesung vom Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD bei Enthaltung von Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die beide weitergehende MieterInnenrechte forderten, mehrheitlich durchgewunken.
Seit Jahren von Mietervereinen kritisiert: das System „Gelddruckmaschine“ durch Modernisierungsumlagen
Für Rainer Stücker, Geschäftsführer des Dortmunder Mietervereins, ist das Resultat durchaus Anlass zur Freude. Deswegen habe er es sich auf keinen Fall nehmen lassen wollen, an dem Pressegespräch teilzunehmen, erklärt er seine unerwartete Anwesenheit.
Für die MieterInnen in Dortmund bedeute die Reform nämlich eine Verbesserung, so Stücker; es handele sich wohl um die beste Nachricht seit 2001, als damals das Mietrecht vereinfacht wurde. Seither gab es in den Augen des Mietervereins aber durchaus weiteren Handlungsbedarf.
So habe es immer wieder massive Mieterhöhungen infolge von Modernisierungen gegeben, deren Baukosten nach der bisherigen Gesetzeslage mit bis zu elf Prozent jährlich auf die Miete hatten umgelegt werden können. Im Mieterverein kursierten für dieses System immer wieder Begriffe wie „Gelddruckmaschine“: denn so konnten seitens der EigentümerInnen Modernisierungskosten innerhalb von nicht einmal zehn Jahren locker amortisiert werden.
Danach – nach Ablauf der Amortisierungszeit, und weil die Mieterhöhungen selbstverständlich nicht wieder zurückgenommen wurden – ging es mit Volldampf in satte Profitmargen. Parallel dazu war es keine Seltenheit, dass Mieten sich verdoppelten.
Nur acht statt bisher elf Prozent von Modernisierungskosten können jährlich auf Miete geschlagen werden
Dies wird jetzt etwas schwieriger: Durch das neue Gesetz reduziert sich erstens der Kostenumlagesatz bei Modernisierungen auf den Mietzins von elf auf acht Prozent. – Erfreulich, doch für die Dortmunder MietrechtsspezialistInnen im Grunde nicht ausreichend.
Angemessen seien vier Prozent, um Wirkung zu zeigen. Doch am sinnvollsten wäre eine dynamische Bemessung, die sich am Zinssatz für Baudarlehen plus X orientierte, macht Rechtsanwalt Martin Grebe, Leiter für Miet- und Wohnungsrecht beim Mieterverein, klar. Der liegt gegenwärtig bei 1,5-2 Prozent.
Neben der abgesenkten Modernisierungsumlage wird zweitens eine Kappungsgrenze eingeführt: Innerhalb von sechs Jahren dürfen vor einer Mieterhöhung bei einer Miete ab sieben Euro maximal drei Euro, bei weniger als sieben Euro maximal zwei Euro pro Quadratmeter wegen der Modernisierungskosten auf die Miete aufgeschlagen werden.
Einführung Kappungsgrenze – bei Mieten unter sieben Euro Steigerung in sechs Jahren von max. zwei Euro
Auch diese Bestimmung war in der Form lange unklar: Bis vor acht Wochen sei der Mieterverein noch davon ausgegangen, dass die Kappungsgrenze einheitlich bei drei Euro festgelegt würde, gibt Tobias Scholz ein weiteres Beispiel für so manche Wendung im Gesetzgebungsprozess.
Selbst für den Fall, dass die Mietzins unter Ausschöpfung der neuen gesetzlichen Vorgaben um zwei bzw. drei Euro erhöht werden soll, gäbe es für MieterInnen zudem noch aus zwei Gründen die Möglichkeit, dagegen Einspruch einlegen: zum Einen könnten wirtschaftliche/persönliche Härten geltend gemacht werden. Die seien allerdings im Gesetz recht schwammig formuliert, daran hätte sich auch jetzt nichts geändert.
Daher läge das Vorliegen von solchen Härtefällen im Ermessen der zuständigen Gerichte; konkret: so zwischen 30 und 40 Prozent sollten es schon sein, die vom Nettoeinkommen durch die Miete verschlungen werden.
Hier sei wichtig: der Widerspruch müsse sofort nach der Modernisierungsankündigung eingelegt werden; flattert die reale Mieterhöhung nach der Modernisierung ins Haus, ist es zu spät.
Neben persönlichen/wirtschaftlichen Härten kann Höhe des Instandhaltungsabzuges angezweifelt werden
Auch bei der zweiten Widerspruchskategorie – dem Anzweifeln des (meist zu niedrig angesetzten) Instandhaltungsabzuges von den Modernisierungskosten – gilt quasi, dass, wenn überhaupt, nur der frühe Vogel den Wurm fangen kann. So sollte etwa beim Austausch von Fenstern vor dem Ausbau der alten Fenster deren Zustand dokumentiert werden.
Darauf verweist Martin Grebe. Denn es gilt: obwohl Heizungen, Fenster etc. zum Zeitpunkt der Modernisierung vermutlich vollständig abgeschrieben waren, daher formal einem Nullwert entsprechen, kann ihnen weiterhin ein Gebrauchswert zukommen. Der ist mit Instandhaltungskosten verbunden – die insofern von den auf die Miete umlegbaren Modernisierungsausgaben abgezogen werden können.
Modernisierungsankündigungen dagegen, betont Mietrechtler Grebe, die vor dem 31. Dezember 2018 ausgesprochen wurden, fielen noch unter das alte Recht, sofern es keine Formfehler gäbe – etwa, wenn die prognostizierte Mieterhöhung kein Teil einer solchen Mitteilung gewesen sei.
Keine Härtefallregelungen im „vereinfachten Verfahren“ bei kleineren Modernisierungen
Die ein „vereinfachtes Verfahren“ erlaubende Regelung in dem neuen Gesetz sei dagegen ein „Erfolg von Haus- und Grund“, erklärt Rainer Stücker. Das Verfahren kann bei kleineren Modernisierungen bis zu 10.000 Euro an Baukosten angewandt werden.
Hier können MieterInnen keine Härtefallregelungen geltend machen. Von den Kosten für die Modernisierung werden 30 Prozent für Instandsetzungskosten pauschal abgezogen, der Rest wird zur Umlage auf die Mieten.
Die Argumentation der Dachorganisation kleinerer Haus- und Grundbesitzer war: hier gäbe es kein „Herausmodernisieren“; vielmehr würde wegen der aufwendigen Formalia häufig überhaupt nicht mehr modernisiert. Durchgesetzt wurde die betreffende Bestimmung im novellierten Mietrecht von der CDU.
Wie werde ich unliebsame MieterInnen los? – Ankündigung einer „Modernisierung“ lautet die Zauberformel !
„Herausmodernisieren“ – ? Hier fungieren Modernisierungen als Einfallstor, um sich unliebsamer, etwa langjähriger MieterInnen in billigen Wohnungen zu entledigen. Da mögen mit schöner Regelmäßigkeit ab sechs Uhr in der Frühe die Boschhämmer rattern oder es werden sinnlos Fenster mit stark verdunkelnder Folie abgehängt, ohne dass an den Fassaden wirklich gearbeitet würde.
Der Begriff steht also für’s Rausekeln von BewohnerInnen durch Modernisierung oder angebliche Modernisierung. Einer gewissen Beliebtheit erfreut sich eine Variante, wie offenbar in einem Fall in Dortmund-Wellinghofen geschehen: bei einer vormaligen Miete von etwa 5 Euro wurde dort von den Eigentümern locker eine kleine Modernisierungsmieterhöhung auf 13,40 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche angekündigt.
Einen Preis, den sich unter diesen Voraussetzungen die wenigsten aktuellen Mieterinnen freilich werden leisten können. Konsequenz: sie ziehen freiwillig aus. Ob später überhaupt modernisiert werden wird, steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt. Die weniger finanzkräftigen BewohnerInnen sind jedenfalls erst einmal weg.
Dem „Herausmodernisieren“ soll zukünftig ein Riegel vorgeschoben werden – Geldbußen bis 100.000 Euro
Solch äußerst fragwürdigen Praxen soll mit dem neuen Gesetz endlich ein Riegel vorgeschoben worden. Ein solches Vorgehen von WohnungseigentümerInnen kann jetzt über eine neue Regelung im Wirtschaftsstrafgesetzbuch mit Geldbußen von bis zu 100.000 Euro geahndet werden.
Zudem machen sich solche VermieterInnen gegenüber MieterInnen, die deswegen gekündigt oder einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen haben, schadenersatzpflichtig, betont Martin Grebe.
Angesichts der bei Geschäften auf dem Wohnungsmarkt bewegten Kapitalsummen scheint es dennoch fraglich, ob die Androhung von Strafen in einer solchen Höhe Wirksamkeit entfalten kann, weil die Sanktionen gegebenenfalls schon aus der Portokasse beglichen werden könnten.
Mieterverein Dortmund schätzt: vor allem MieterInnen in Altbauten profitieren von Mietrechtsnovelle
Wohl auch deshalb handelt es sich nach Ansicht von Rainer Stücker bei den neuen Bestimmungen gegen das „Herausmodernisieren“ eher um ein „politisches Signal“, das „eine präventive Bedeutung“ für jene habe, deren Spekulationen von vornherein darauf beruhten, sämtliche alte MieterInnen los zu werden. Bundesweit würde dies allerdings nur von etwa einem Prozent aller Akteure auf dem Wohnungsmarkt – und je angespannter er sei – praktiziert.
Dennoch, da ist viel Positives: vor allem Mieterinnen in Altbauten mit niedrigen Mieten würden von den Veränderungen profitierten, hofft Rainer Stücker. Bei einer Miete zwischen vier und fünf Euro pro Quadratmeter bliebe eine Mieterhöhung in den nächsten sechs Jahren unter Berücksichtigung der aktualisierten Grundsicherungswerte in einem Bereich, wo noch ergänzende Leistungen nach SGB II beantragt werden könnten.
Und die neuen Regelungen seien insofern ein psychisch/psychologisch wichtiges Moment, als jetzt klar sei, wo die Grenzen für Mieterhöhungen durch Modernisierung in einem bestimmten Zeitraum lägen.
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