Kein „Frohes Fest“ ohne Neonazi-Demo. Gegen angebliche Polizeiwillkür und Pressehetze wollen die Neonazis unter der Parole „Freiheit für Steven und Siggi“ – wie angekündigt – am heutigen Freitag (21. Dezember 2018) in der östlichen Innenstadt demonstrieren. Doch statt wie gewünscht um 19.30 Uhr vom Polizeipräsidium ins Gerichtsviertel, geht es nun ab 20 Uhr vom Bereich unweit der Funkenburg aus zur Justizvollzugsanstalt (JVA) und zurück. Unmittelbar an der JVA ist eine Gegenkundgebung angemeldet.
Wegen BVB-Heimspiel und Weihnachtsmarkt ist der Aufmarsch verlegt und verkürzt worden
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Wegen des Anreiseverkehrs zum BVB-Heimspiel gegen die Borussia aus Mönchengladbach (Anstoß 20.30 Uhr) und des Weihnachtsmarktes musste die Partei „Die Rechte“ mit einer deutlich kürzeren Strecke und einem späteren Start vorlieb nehmen.
Aktivist Steven F. wurde wegen einer Reihe von Vorwürfen am 29. November 2018 in Untersuchungshaft genommen, Borchardt muss seit Dezember eine viermonatige Haftstrafe im offenen Vollzug wegen Beleidigung von PolizistInnen absitzen (wir berichteten). Dagegen gehen die Neonazis auf die Straße.
In der Zeit von 20 bis 22 Uhr wird der rechtsextremistische Aufzug auf der Hamburger Straße stattfinden. Er beginnt an der Funkenburg (Hamburger Straße Ecke Düsseldorfer Straße). Über die Bremer Straße bis zur Justizvollzugsanstalt Dortmund führt der Aufmarsch und anschließend geht es wieder zurück.
Der Versammlungsanmelder erwartet rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Gleichzeitig ist eine stationäre Kundgebung gegen die rechtsextremistische Versammlung angemeldet.
Die Dortmunder Polizei wird nach eigener Aussage „mit einer angemessenen Anzahl von Einsatzkräften die Versammlungen und Veranstaltungen begleiten und friedliche Demonstrationen schützen sowie gegen Gewalt- und Straftäter konsequent vorgehen“. Zugleich werde sie konsequent auf die Einhaltung der strengen Auflagen achten, die sie dem rechtsextremistischen Anmelder auferlegt habe.
Anwohnerinnen, Anwohner und Gewerbetreibende im Umfeld der Aufzugsstrecke wurden mittlerweile mit Flugblättern informiert. Die Dortmunder Polizei hat ab sofort ein Bürgertelefon geschaltet – dieses ist unter der Telefonnummer 0231/132-5555 erreichbar.
Gegenprotest unter dem Motto „Keine Solidarität mit Nazis“
Gerade die Inhaftierung von Steven F., der höchstwahrscheinlich auch eine Haftstrafe folgen wird, kann erstmal für Aufatmen sorgen. Feldmann gehört seit Jahren zu den aggressivsten und gewalttätigsten Neonazis in Dortmund. Regelmäßig war er an Übergriffen und Bedrohungen von Menschen, die nicht in sein Weltbild passen, beteiligt. Dass er jetzt erst einmal von der Straße ist, wird von vielen Seiten begrüßt.
„Trotzdem gibt es keinen Grund zu jubeln, wenn der Staat Nazis wegsperrt. Eine Inhaftierung hat in den seltensten Fällen dazu geführt, dass Neonazis umgedacht und ihr Treiben beendet haben. Im Gegenteil kommen sie oft genug noch brutalisierter und ideologisch gefestigt aus dem Knast zurück“, schreibt die „Autonome Antifa 170“ in ihrem Protest-Aufruf.
Beispiele dazu gibt es auch aus Dortmund reichlich: Sven Kahlin (mittlerweile Sven Schröder) etwa, der 2005 Thomas Schulz erstochen hat, trug kurz nach seinem Haftende auf einer Kundgebung in Dortmund ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Ich bereue nichts“, ein klares Bekenntnis. Zudem machte er erst kürzlich dadurch auf sich aufmerksam, dass er antirassistische BVB-Fans damit bedrohte, sie sollen die Politik aus dem Stadion halten.
Die „Autonome Antifa 170“ mobilisiert zu einer Protest-Kundgebung an der JVA
Mit Robin S. sieht es nicht anders aus. Nach einem Raubüberfall, bei dem er einen aus Tunesien stammenden Kunden angeschossen hatte, saß er mehrere Jahre im Gefängnis. Heute gilt er als einer der wichtigsten „Combat 18“ Kader in Deutschland und ist Brieffreund der NSU-Terroristin Beate Zschäpe.
Neonazis für ein gewisse Zeit wegzusperren, bringt scheinbar langfristig nicht viel mehr, als ihnen einen Märtyrer-Ruf zu verschaffen. Bei den beiden inhaftierten Neonazis erwartet die Antifa auf Grund der festen Einbindung in die rechte Szene Dortmunds ähnliches.
Die „Autonome Antifa 170“ ruft daher dazu auf, um 18.30 Uhr zur U-Bahnstation Leopoldstraße zu kommen und gemeinsam zur Kundgebung zu fahren, die ab 19 Uhr an der Gerichtsstraße/Ecke Hamburger Straße direkt an der JVA stattfindet. „Zeigen wir den Nazis, dass wir ihnen keine Ruhe lassen – weder in der JVA, noch sonst wo“, heißt es im Aufruf. Die JVA haben beide Seiten bewusst gewählt: in Dortmund sitzt Steven F. derzeit in Untersuchungshaft.
AfD-Vertreter aus Dortmund soll bei vor Neonazis sprechen – AfD droht Sanktionen an
Eine interessante Facette beinhaltet der Aufruf zur Demo, den die Neonazis über ihr Internet-Zentralorgan veröffentlicht haben.
Darin werden neben „den üblichen Verdächtigen“ – reden sollen neben den ebenfalls vorbestraften und hafterfahrenen Parteifunktionären Sascha Krolzig (Dortmund) und Sven Skoda (Düsseldorf) auch Sebastian Weigler (Junge Nationaldemokraten – JN) aus Braunschweig) und ein namentlich nicht genannter Vertreter der AfD vom Kreisverband Dortmund.
Mit der bzw. an der AfD reibt sich die Ratsgruppe von NPD und „Die Rechte“ – nicht zuletzt deshalb, weil die AfD den Neonazis in der Wählerschaft das Wasser abgegraben hat. Während die „Alternative“ die sogenannten „Alt-Parteien“ attackiert, versucht insbesondere „Die Rechte“, die AfD verächtlich zu machen und sie ebenfalls als Systempartei hinzustellen. Jüngst gab es im Rat eine Auseinandersetzung, weil Neonazi-Ratsmitglied Michael Brück die AfD-Ratsvertreter als „Kameraden“ bezeichnete.
In den Sozialen Netzwerken hat Helferich wegen der möglichen Teilnahme eines AfD-Vertreters eine Stellungnahme verbreitet: „AfD-Mitglieder, die den Schulterschluss mit der Partei „Die Rechte“ suchen, verstoßen damit gegen die Grundsätze unserer freiheitlich-patriotischen Bürgerpartei. Die AfD wird parteiordnungsrechtliche Maßnahmen gegen jedes Mitglied ergreifen, welches diesen Grundsätzen zuwiderhandelt“, teilte das AfD-Landesvorstandsmitglied mit und löste damit auf seiner Seite eine rege Diskussion aus. Ob jemand der AfD heute Abend sprechen wird (und wenn ja, wer) bleibt offen.
Die gute Nachricht am Rande: Eine Demo an Heiligabend bleibt Dortmund dieses Mal (sehr wahrscheinlich) erspart – dann wollen die Neonazis durch Wuppertal ziehen.
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