„Die Geschichte ist die beste Lehrmeisterin“: Zeitzeuge Sally Perel – der „Hitlerjunge Salomon“ – zu Gast in Dortmund

Der 93-Jährige Zeitzeuge Sally Perel folgte der Einladung des Jugendforums Nordstadt und erzählte von seinem Überleben in der NS-Zeit.
Der 93-jährige Zeitzeuge Sally Perel erzählte von seinem Überleben in der NS-Zeit. Fotos: Mustafa Sirin

Ein besonderer Gast war zu Besuch in Dortmund: Der 93-jährige Zeitzeuge Sally Perel folgte der Einladung des Jugendforums Nordstadt und erzählte in der Auslandsgesellschaft von seinem Überleben in der NS-Zeit und diskutierte mit den Jugendlichen. Über 70 Jugendliche und Erwachsene nahmen an der Veranstaltung teil.

„Ich war Hitlerjunge Salomon“ macht Sally Perel international bekannt

Der 93-Jährige diskutierte in der Auslandgesellschaft mit Jugendlichen.
Der 93-Jährige diskutierte auf Einladung des Jugendforums Nordstadt mit Jugendlichen.

Mit seiner verfilmten Autobiographie „Ich war Hitlerjunge Salomon“ hatte Sally Perel in den frühen 1990er Jahren internationale Bekanntheit erlangt. Sally Perel wird am 21. April 1925 im niedersächsischen Peine geboren. Seine Eltern sind fromme Juden, die 1935 vor den Nationalsozialisten zunächst nach Polen flüchten. 

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Sally flieht 1939 nach dem Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen weiter in die Sowjetunion bis nach Minsk, wo er 1941 deutschen Truppen in die Hände fällt. Er weiß, dass er nur eine Chance hat: seine Papiere entsorgen und eine andere Identität annehmen. „Meine einzige Waffe war die Lüge“, sagt Sally Perel in seinem Vortrag. „Ich wollte leben.“ 

Und er erinnerte sich daran, was seine Mutter ihm und seinem Bruder 1939 zum Abschied sagte: „Ihr sollt leben“. Er gab sich als Volksdeutscher aus und konnte seine Feinde überzeugen. 

Vier lange Jahre musste er in der HJ-Jugend seine wahre Identität verbergen

Der Mut der Verzweiflung und die Ironie des Schicksals machten aus ihm Jupp Perjell, das jüngste Mitglied der deutschen Wehrmacht. Ein Jahr lang lebte er mit den Soldaten an der Ostfront und unterstützte sie als Dolmetscher. Danach schickte man ihn nach Braunschweig, wo er bis Kriegsende inkognito in einem Internat der Hitlerjugend lebte. 

Er trug nun die Uniform seiner Feinde. Vier lange Jahre musste er in der HJ-Jugend seine wahre Identität verbergen und mit der Angst leben, entdeckt zu werden. Er beschrieb ausführlich, wie den jungen Deutschen der Hass eingeimpft wurde, wie er selbst der NS-Ideologie verfiel und die innere Zerrissenheit dieses Doppellebens, das ihn in die Rolle des Opfers wie in die des Täters zwang. 

Mit viel Glück überlebte er den zweiten Weltkrieg, die vier Jahre unter seinen Feinden, die für ihn wie vier Ewigkeiten vorkamen. Seine Eltern und seine Schwester fielen dem Holocaust zum Opfer. Lediglich sein Bruder überlebte. 1948 wanderte Perel nach Israel aus und baute sich dort eine neue Existenz auf.  

„Ich bin ein Zeitzeuge, und wenn ich gehe, will ich Euch als Zeitzeugen hinterlassen“

Sally Perel ist ein begnadeter, warmherziger und humorvoller Erzähler, der schnell die Herzen aller Beteiligten gewann. Er erzählte über seinen beschwerlichen und bewegenden Lebensweg. Immer wieder hatte Sally Perel wichtige Botschaften für die Jugendlichen: sich gegen Rassismus zu engagieren und sich für ein Miteinander einzusetzen. 

„Die Geschichte ist die beste Lehrmeisterin“ war eines seiner wichtigen Sätze. Ein weiterer wichtiger Satz von ihm war: „Ich bin ein Zeitzeuge, und wenn ich gehe, will ich Euch als Zeitzeugen hinterlassen.“ Er appellierte an die jungen Gäste, in der heutigen Welt, die geprägt ist von stetig aufkeimenden Nationalismus und Populismus, ein Zeichen gegen den Hass zu setzen – denn er selbst weiß es aus eigener Erfahrung, wie der Hass ihn veränderte und verrohrte.  

Nach seinem eineinhalbstündigen Vortrag, der mit lautem Applaus honoriert wurde, beantworte er eine halbe Stunde weitere Fragen der Gäste. In seinem hohen Alter ist Sally Perel nicht müde, weiterhin gegen Hass und Unterdrückung einzutreten. Er befindet sich gerade in einer dreiwöchigen Lesereise in Deutschland, um junge Menschen zu sensibilisieren. 

Sally Perels Autobiografie ist ein ebenso berührendes wie bemerkenswertes Dokument, das nichts von seiner Eindringlichkeit verloren hat.

 

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