„Aufstehen“ nun auch in Dortmund – Sammlungsbewegung in der einstigen Herzkammer der Sozialdemokratie gegründet

Überraschend gut besucht war die Gründungsveranstaltung von „Aufstehen“ in Dortmund.
Überraschend gut besucht war die Gründungsveranstaltung von „Aufstehen“ in Dortmund.

Von Horst Delkus

Es ist ein bunt gemischtes Publikum, das sich im BierCafé am Dortmunder Westpark versammelt hat. Das Ziel: Sich über Facebook und E-Mails hinaus persönlich kennenzulernen und die Dortmunder Filiale von „Aufstehen“ zu gründen, jener von Sahra Wagenknecht und anderen verkündeten Sammlungsbewegung. Eine von etwa 70 bundesweit bereits existierenden und etwa 30 weiteren in den Startlöchern.

Rund 150 Interessierte kamen zum Dortmunder Gründungstreffen von „Aufstehen“

Weit mehr Menschen als erwartet sind gekommen. Einige Neugierige, sicherlich. Einige Ältere – Rentner und Rentnerinnen inzwischen -, die schon so manches Mal aufgestanden sind und immer noch nicht sitzen bleiben wollen. Und viele Jüngere, die Zukunftsängste und Wut dazu bringen zu sagen: Uns reicht’s, wir müssen was tun.

Rund 150 Menschen waren da. Die allermeisten parteilos und engagiert. Ein Fünftel vielleicht outen sich bei einer Abfrage als Mitglieder einer Partei. Lokale Politprominenz – vor allem grüne und sozialdemokratische – ist nicht dabei. Einzige Ausnahme:  Der Vorsitzende der gemeinsamen Ratsfraktion der Partei der Linken & Piraten.

Überraschend großes Interesse am Dortmunder Gründungsgeschehen auch von auswärts – von Köln bis Coesfeld. All das zeigt: „Aufstehen“ ist erst einmal keine „Kopfgeburt“, wie das Hans-Christian Ströbele – Altfossil der Grünen – meint. Und auch keine rein virtuelle E-Mail-Adressen-Sammelbewegung im Internet. 

Einlader war unter anderen der streitbare SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow

Lisa de Janet, Marco Bülow und Susi Neumann hatten zur Gründung eingeladen.
Lisa de Zanet, Marco Bülow und Susi Neumann hatten zur Gründung eingeladen. Fotos: Horst Delkus

Eingeladen hatte neben, Lisa de Zanet – Mädchen für alles und gute Fee im Mutterschutz – der streitbare SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow – und einer der Mitinitiatoren von „Aufstehen“ auf Bundesebene. Ferner Susi Neumann, Gewerkschaftskämpin und so etwas wie die Tana Schanzara aller Reinigungskräfte und Niedriglöhner.

Bülow ist unter anderem Autor eines Buches über die „Macht und Ohnmacht der Volksvertreter“. Mit dem schönen Titel „Die Abnicker“. Wohl in Anlehnung an Adolf Winkelmanns Ruhrgebiets-Kult-Roadmovie aus den späten 1970ern: „Die Abfahrer“. Während Atze, Lutz und der Grieche Sulli, die drei arbeitslosen Protagonisten im Film, einen LKW zu klauen, um aus Dortmund abzuhauen, beschließen die rund 150 anwesenden „Aufsteher“ sich in mehreren Arbeitsgruppen zu organisieren.

Nicht nach Themen – wie auch vorgeschlagen – sondern räumlich, nach Stadtbezirken: Innenstadt/ Hörde etwa und Brackel/ Aplerbeck. So sollen arbeitsfähige Strukturen vor Ort entstehen, die sich ihre Aktionsfelder suchen. Stadtweites Bindeglied soll das Orga-Team werden, in dem jeder mitarbeiten kann und das den weiteren Prozess und die Aktionen koordinieren und strukturieren soll.

Breites Themenspektrum bei „Aufstehen“ in Dortmund – alles außer Flüchtlinge und Migration

Angerissen  wurde auf der Gründungsversammlung ein breites Themenspektrum: soziale Fragen wie Renten, Niedriglöhne und teure Mieten, Pflegenotstand sowie Umwelt- und Naturschutz, Verkehr und Bildung. Aber auch die Transparenz und demokratischen Strukturen in der zunächst einmal von oben gegründeten „Sammelbewegung“.

Die Themen des bundesweiten Gründungsaufrufs. Einzige Ausnahme: Das Aufreger-Thema seit 2015 – Flüchtlinge und Migration – war in Dortmund kein Thema. Und die Atmosphäre? Angenehm, freundlich und rücksichtsvoll. Niemand versuchte, sich und „seine“ Themen in den Vordergrund zu stellen. Keine großen Theorie-Debatten. Die Bereitschaft, gemeinsam was tun zu wollen, war förmlich zu spüren. Pragmatische, ökologisch orientierte Menschen halt, die sich da gefunden haben. 

Protestaktion: „Waffeln statt Waffen“ auf dem Dortmunder Friedensplatz

Die erste Aktion von „Aufstehen“ in Dortmund ist schon in der Pipeline: Am 17. November 2018 gibt es „Waffeln statt Waffen“ auf dem Dortmunder Friedensplatz, eine Protestaktion dagegen, dass der Bundeshaushalt für die Bundeswehr mal eben um mehr als vier Milliarden Euro angehoben werden soll – auf über 40 Milliarden.

Die Dortmunder Aktion findet statt im Rahmen der ersten bundesweiten Aktivität der Sammlungsbewegung: „Würde statt Waffen“. 

Vorher aber richten sich die Augen von „Aufstehen“ auf die Hauptstadt, auf Berlin. Hier soll am 9. November – 100 Jahre nachdem der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann die „demokratische“ und Karl Liebknecht die „sozialistische Republik“ aus gerufen haben – die „soziale Republik“ verkündet werden. Sogar mit einem „Regierungsentwurf“.

Man darf gespannt sein. Heißt es doch im Gründungsaufruf der von oben gegründeten Sammlungsbewegung: „Ein detailliertes Programm wird sich Aufstehen in einem transparenten Diskussionsprozess selbst erarbeiten.“

Vorläufiges Fazit: Die Zukunft wird zeigen, ob aus „Aufstehen“ ein kurzes „Aufbäumen“ wird oder nur eine „Einsammelbewegung“ von Leuten, die in ihrer eigenen Partei Minderheitenpositionen vertreten, für Leute, die sich engagieren aber dafür nicht mehr in Parteistrukturen verschleißen wollen. Oder eine breite Bewegung, die die Forderungen von meist kurzlebigen „Ein-Punkt-Bewegungen“ zusammen fasst und die Republik nach jahrzehntelanger neoliberaler Politik kräftig durchrüttelt. We shall see.

Reader Comments

  1. Aufstehen Dortmund

    (K)eine Weihnachtsbescherung für die Rüstungsindustrie

    Pünktlich zur Weihnachtszeit soll es für die Rüstungsindustrie eine riesige Bescherung geben.
    Der Etat für das Militär soll ab 2019 um über vier Milliarden auf 43,2 Milliarden Euro steigen.
    Damit stellen die Militärausgaben den zweitgrößten Posten im gesamten Bundeshaushalt und
    erfahren anteilmäßig den größten Zuwachs.

    Die Sammlungsbewegung Aufstehen spricht sich gegen dieses Anheizen der Rüstungsspirale
    und für eine deutlich andere Verwendung von Steuergeldern aus: Investitionen in den sozialen
    Zusammenhalt statt für Kriegsschiffe und Panzer.

    Die Dortmunder Aufstehen Gruppe protestiert am 17. November dagegen und ruft
    die Dortmunder*innen dazu auf, ihre Weihnachtswünsche für den Bundeshaushalt zu nennen.
    Passend zum Thema werden wir eine Aktion mit dem Weihnachtsmann durchführen.

    Die Aktion findet am 17.11. ab 15 Uhr auf dem Vorplatz der St. Joseph Kirche, Münsterstr. 61 statt.

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