Es ist ein Start-Up für hochwertige Design-T-Shirts mit selbst gestalteten Motiven auf ökologisch und fair gehandelten Hemden aus der Nordstadt. Doch nach kommerziellen Kriterien wollten Lukas Böhm und Crispin Müller ihr Unternehmen nicht aufzuziehen. Denn „Feinwasser“ versteht sich mehr als Kollektiv ohne Hierarchien und ihren Erfolg wollen sie auch nicht in Profiten messen. Klingt naiv? Ist es – im besten Sinne.
Ein Model-Label positioniert sich gegen „Fast-Fashion und Wegwerfkultur“
„Wir verstehen Feinwasser in erster Linie als politisches Projekt. Wir positionieren uns gegen Fast-Fashion und Wegwerfkultur und möchten faire Mode zu einer Selbstverständlichkeit machen“, erklärt Crispin Müller.
Die beiden hätten sich vor ein paar Jahren wohl auch nicht ausgemalt, „mal in Klamotten“ zu machen. Doch das macht die Sache aber umso spannender. „Wir glauben, dass der Modewelt ein paar fachfremde Idealisten ganz gut tun. Und wenn alles nach Plan läuft, werden wir in den nächsten Jahren nachhaltige Veränderungen in einer immer noch von Ausbeutung geprägten Branche anstoßen können“, erklärt Lukas Böhm.
Bei „Feinwasser“ – der Name bezieht sich auf die in Aquarell-Maltechnik entstandenen Motive von Lukas Böhm – gibt es faire T-Shirts aus einer komplett transparenten Lieferkette. Die Motive auf den Shirts sind selbst gemalte Aquarelle. Gedruckt wird ausschließlich nach Bestellung.
„Der Reiz besteht wohl darin, auszutesten, inwieweit wir wirklich ein alternatives Unternehmen aufbauen können, ohne dabei Kompromisse einzugehen, was unsere persönlichen Werte und Grundsätze angeht“, macht Lukas Böhm deutlich. Und da schwingt die Kapitalismus-Kritik in jeder Zeile mit.
Kapitalismus-Kritik: Die KundInnen bestimmen die Preise der T-Shirts selbst
Der Clou: Den Preis der Shirts bestimmen die KundInnen selbst. Wobei, eine untere Linie haben die MacherInnen schon eingezogen. Denn fair gehandelte und ökologisch produzierte Shirts sind eben deutlich teurer. Während große Ketten ihre Shirts für Cent-Beträge einkaufen, zahlen die Nordstädter schon zehn Euro netto im Einkauf.
Dann müssen die T-Shirts noch gestaltet und bedruckt, die Lieferlogistik und das Marketing aufgebaut und auch der Online-Vertrieb finanziert werden. Daher müssen es schon mindestens 25 Euro pro Hemd sein, damit das alternative Unternehmen mindestens eine schwarze Null schreibt. Die meisten KundInnen wissen das zu schätzen und zahlen daher auch 35 bis 39 Euro pro Oberteil.
Das ist übrigens auch der Preis, bei dem auch das Team von „Feinwasser“ etwas verdienen könnte. Denn bei aller Fairness in der Lieferkette – die Einzigen, die bisher noch nicht „ihren Schnitt“ machen und davon leben können, sind die MacherInnen des Projekts. Daher gilt: Mehr als 39 Euro geht natürlich immer – und nicht wenige KundInnen zahlen bei den Soli-Aktionen auch höhere Preise.
Daher kommt es auch nicht von ungefähr, dass das kleine Mode-Unternehmen eine Vielzahl von Solidaritätsmotiven aufgelegt hat, von deren Verkaufseinnahmen zehn Prozent an Hilfsprojekte gehen – die Bandbreite reicht vom Umweltschutz über Antirassismus-Arbeit und Feminismus bis hin zur Flüchtlingshilfe. Ihr jüngstes Motiv ist das erste Motiv aus der Nordstadt. Dort sind ein Graffito und ein Mural künstlerisch verarbeitet. Der Erlös geht hier an den „Train of Hope“, der wie „Feinwasser“ auch in der Münsterstraße angesiedelt ist.
Verarbeitung von fair gehandelten Textilien aus biologisch erzeugten Naturfasern
Fairness, Transparenz, Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind ihnen daher bei der gesamten Lieferkette wichtig. Die KundInnen sollen wissen, woher die Kleidung stammt. Die Shirts werden von „Mila Clothing“ in Indien gefertigt und sind GOTS-zertifiziert.
„GOTS“ – der „Global Organic Textile Standard“ ist ein weltweit angewendeter Standard für die Verarbeitung von Textilien aus biologisch erzeugten Naturfasern. Er definiert umwelttechnische Anforderungen entlang der gesamten textilen Produktionskette sowie Sozialkriterien.
Die Baumwolle ist somit Bio- und Fairtrade-zertifiziert und kommt von der immer gleichen Plantage in Orissa. Das garantiert Qualität und Beständigkeit – gerade für die Baumwollbauern und Bäuerinnen, die dadurch Planungssicherheit haben.
Auch der Rest der Lieferkette (Entkörnen, Stricken und Färben) ist transparent. „Wir vertrauen dabei neben den Siegeln vor allem den guten Menschen von ,3Freunde’ aus Konstanz. Die haben Mila Clothing mitbegründet, sind regelmäßig vor Ort und garantieren eine Mindest-Abnahmemenge“, erklärt Crispin Müller.
Auch hier ist es die Planungssicherheit, die neben den existenzsichernden Löhnen großen Anteil an guten Arbeitsplätzen hat. Mila Clothing wird übrigens auch als Beispiel in der Kampagne für faire Kleidung des BMZ herangezogen.
Nicht nur die Gestaltung, auch der T-Shirt-Druck erfolgt in der Nordstadt
Bedruckt werden die Shirts übrigens auch in der Dortmunder Nordstadt. In der Nähe des Borsigplatzes sitzen „We Make the Hype“ mit ihren Kornit-Digitaldruckern. Mit deren Arbeit ist das „Feinwasser“-Team sehr zufrieden, auch wenn das Unternehmen auch andere, nicht fair und ökologisch gehandelte Shirts bedruckt.
„Wir hatten einmal eine Druckerei, die diesen Anforderungen entsprochen hätte. Aber: Diese Druckerei sitzt in Dresden und wir mussten feststellen, dass auch Digitaldruck noch viel handwerkliches Geschick erfordert“, erklärt Lukas Böhm. Sprich: „Wir müssen vor Ort sein, um die Druckdateien einzupflegen, Testdrucke zu machen und alles anzupassen. Nur so können wir wirklich garantieren, dass die Drucke dauerhaft unseren Qualitätsanforderungen gerecht werden.“
Denn die besten Absichten nützten ja nichts, wenn bei den KundInnen Shirts ankommen, die sie dann nicht tragen wollen. Das würde auch dem Feinwasser-Grundprinzip widersprechen. Dort will man ja den Markt umkrempeln und KundInnen motivieren, nur Sachen zu kaufen, die sie wirklich brauchen und dann auch lange tragen. Dann rechne sich auch der höhere Preis.
Das Projekt lebt vom Mitmachen und von viel Idealismus
Müller und Böhm haben „Feinwasser“ im April 2016 bei einem Ideenwettbewerb an der Ruhr-Uni gestartet, mit ihrem Konzept 1.000 Euro gewonnen und davon die ersten Shirts gedruckt. Ausschließlich leben können die die beiden davon nicht. Crispin Müller arbeitet als Diplom-Physiker und Lukas Böhm liegt in den letzten Zügen seines Studiums.
„Feinwasser ist noch in der Findungsphase und wir brauchen Lohnarbeit. Mal gucken, wie sich das entwickelt und auch auszahlt. Aber wir können noch nicht sagen, dass man davon leben könnte“, räumt Böhm ein. Doch das ist für sie nicht das Entscheidende. Sie möchten Zeichen und Impulse setzen – mit Erfolg.
Das Kollektiv ist gewachsen. Auch Anke Jüntgen, Jonas Grossmann und Simon Stott machen quasi ehrenamtlich mit. Sie teilen sich die Aufgaben. Außerdem lebt ein solches Projekt vom Austausch und der Diskussion. Und vielleicht können sie davon auch irgendwann mal leben.
Der Traum vom ,postcapitalist clothing’, bei dem alle Menschen fair verdienen
„Unser Traum vom ,postcapitalist clothing’ ist irgendwo naiv. Wir sind uns dessen sehr bewusst. Trotzdem: für uns steht Kapitalismus für die allerorts anzutreffende Geisteshaltung, dass nur das Geld zählt. Und davon wollen wir uns los sagen“, macht das Kollektiv schon auf seiner Internetseite deutlich.
„Es ist für uns völlig unverständlich, wie viele Unternehmen nur existieren, um Geld zu erwirtschaften. Und wie normal das vielen erscheint. Wenn meine Maximen Profit und Shareholder Value heißen, müssen andere Aspekte zwangsweise kürzer treten. Umweltzerstörung und Ausbeutung machen leider viele Geschäftskonzepte erst wirtschaftlich“, heißt es weiter.
„Für uns steht Nachhaltigkeit und Fairness an erster Stelle. Unser Projekt soll etwas verbessern. Von den Leuten, die die Baumwolle ernten, bis hin zu uns, die wir hoffentlich von einer sinnvollen Tätigkeit einen Lebensunterhalt bestreiten können“, betont Lukas Böhm. „Jede Entscheidung, die wir treffen, wird zuerst unter ethischen Gesichtspunkten beurteilt, erst dann wird gerechnet.“
Kontakt zum „Feinwasser“ online: www.feinwasser.de