Der braune Spuk in Westerfilde, Nette und Mengede ist vorbei, der Neonazi-Aufmarsch ist beendet. Mit großen Verzögerungen hatte die Demonstration begonnen, weil die An- und Abreise der Neonazis aus weiten Teilen der Republik durch mehrere Blockadeaktionen erschwert wurde.
S-Bahnverkehr kam über Stunden zum Erliegen – An- und Abreise behindert
So kam beispielsweise über Stunden der S-Bahnverkehr zum Erliegen. Aber auch der U-Bahn-Verkehr war teilweise durch friedliche Blockadeaktionen lahmgelegt. 490 Neonazis kamen zur Kundgebung – der Aufmarsch fand – wenn auch mit zahlreichen Pausen und einer Abweichung – statt. Das Blockade-Bündnis BlockaDO hatte es nicht geschafft, die Strecke dauerhaft zu besetzen und so den Aufmarsch zu stoppen.
Überwiegend friedliche Proteste gegen Aufmarsch
Was die Partei Die Rechte, die den Aufmarsch angemeldet hatte, als Sieg verbuchen dürfte. Doch ihr Aufmarsch ist – anders als er hofft – nicht mit Begeisterung bei den Menschen in Westerfilde, Nette und Mengede aufgenommen worden. Denn die Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit waren gravierend.
Der S-Bahnverkehr kam bis rund 19 Uhr zum Erliegen – die Deutsche Bahn AG hatte sich für Schienenersatzverkehr entschieden, weil immer wieder Personen im Gleis – Demonstranten und Polizisten – unterwegs waren. Zudem war ein S-Bahnzug über Stunden im Bahnhof Westerfilde von friedlichen Demonstranten besetzt.
Aus Deeskalationsgründen verzichtete die Polizei auf eine Räumung. Wegen der Streckensperrung musste der Endpunkt auch vom Bahnhof Nette/Oestrich Richtung Mengede verlegt werden, was den Neonazis nicht schmeckte.
BlockaDO und Polizeipräsident Lange ziehen positives Fazit
Mehrere hundert Menschen nahmen an zahlreichen Protest- und Störversuchen teil. „Das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Teilen von BlockaDO hat schon heute – obwohl es unser erstes Mal war – sehr gut funktioniert“, sagte Stefan Michaelis, der sichtlich zufriedene Sprecher des BlockaDO-Bündnisses. Er sprach von 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern und verbuchte die Behinderungen als Erfolg, zumal Die Rechte weit von ihren früheren Mobilisierungserfolgen entfernt sei.
Auch Polizeipräsident Gregor Lange, der sich vor Ort einen persönlichen Eindruck verschaffte, äußerte sich: „Ich freue mich über die vielfältigen Formen des friedlichen Protestes gegen Rechts.“
Kreativer und lautstarker Protest gegen Neonazis
Das Interesse an den Parolen von Siegfried Borchardt, Dennis Giemsch und Co. – die beiden Erstgenannte treten als Spitzenkandidaten bei der Dortmunder Kommunalwahl an – hielt sich bei den Bewohnerinnen und Bewohnern entlang der Strecke in Grenzen. Sie hatten teilweise kreative Protestnoten gefunden, Luftballons aufgehängt und Plakate.
Vor allem der Sirenen-Ton eines Megafons eines Anwohners direkt am Ort der Auftaktkundgebung war für die Neonazis ein lautstarkes Ärgernis. Dennoch blieben sie weitestgehend ruhig.
Giemsch zu Hitlergruß: „Mich persönlich stört das nicht, ist aber eine Straftat“
Die Veranstalter – allen voran Anmelder Dennis Giemsch – taten alles dafür, dass es zu möglichst wenig Provokationen und Aktionen aus Reihen der Teilnehmer kam. Nichts sollte den Anschein stören, dass die „undemokrativen Störer“ (im Internet als „Pöbel“ beleidigt) auf der „linksextremen“ Seite zu suchen seien.
Daher versuchten die Ordner den Alkoholkonsum – entsprechend der Polizeiauflagen – zu unterbinden. Zudem forderte Giemsch, Hitlergrüße zu unterlassen: „Mich persönlich stört es ja nicht, ist aber eine Straftat.“ Auch volksverhetzende Äußerungen sollten vermieden werden – nicht zuletzt deshalb, weil die Führungsriege am Vorabend bei der Standkundgebung in Westerfilde entsprechende Anzeigen kassiert hatte.
Polizei will konsequent gegen ausländerfeindliche Parolen vorgehen
Allerdings wurde dieselben Parolen teilweise erneut gegrölt (Zum Beispiel: „Ali, Mehmet, Mustafa, geht zurück nach Ankara!“) Die Staatsanwaltschaft wird sich damit beschäftigen müssen.
„Es ist nicht hinnehmbar, wenn Mitbürger, die seit Jahren in unserem Land und unserer Stadt leben, beleidigt und eingeschüchtert werden“, betonte der neue Dortmunder Polizeipräsident.
„Wir haben umfangreich Beweissicherung betrieben und werden konsequent Straf- und Ermittlungsverfahren einleiten“, betonte Gregor Lange.
Sorge um „deutsche Restbevölkerung“ – Hetze gegen Sinti und Roma
Die Spitzenkandidaten der Partei Die Rechte gaben sich „alle Mühe“, sich als Fürsprecher von Armen, Senioren, Jugendlichen, Arbeitslosen und Benachteiligten zu gerieren – zumindest für die, die Deutsche sind.
Wie erwartet wetterten sie „gegen den massenhaften Zuzug von Sinti und Roma“. Mal nähmen die „Sozialschmarotzer“ aus Bulgarien und Rumänien den Deutschen die Arbeit weg, mal lägen die dem deutschen Sozialsystem auf der Tasche – je nachdem, für welche Parole die Zuwanderer aus Südosteuropa herhalten mussten. Außerdem würden Roma-Kinder mit Millionen Euro alimentiert, während Deutsche ausgebeutet würden oder nicht von ihrer Arbeit leben könnten (falls sie welche haben)…
Wenig Interesse an den Parolen der Rechten
Die Parolen verhallten weitgehend ungehört. Am Straßenrand und hinter den verschlossenen Fenstern waren kaum mehr als die Protestrufe und die üblichen Sprechchöre der Neonazis wie „Frei – sozial und national“ oder „Ausländer raus“ zu hören – oder eben die „Nazis raus“-Parolen der Protestierer. An vielen Stellen konnten Protestierer in Hör- und Rufweite an die Nazi-Route kommen, ohne aber den Aufmarsch ersthaft behindern zu können.
Eine Fortsetzung gibt es dann wahrscheinlich zum Antikriegstag im September…
Reader Comments
Nordstadtblogger-Redaktion
Zum Polizei-Einsatz am 30. April und 1. Mai:
„Keinen Millimeter Raum den Nazis“ sähe anders aus!
Der neue Dortmunder Polizeipräsident hatte ein Verbot der Nazi-Märsche zum 1. Mai versucht. Nach deren Erlaubnis durch Verwaltungsgerichte kündigte er an: "Den Nazis keinen Millimeter mehr Raum als vom Gesetz vorgeschrieben!" Für beides gebührt ihm Anerkennung.
Eine Analyse seiner Aktivitäten an diesen Tagen muss allerdings Fragen stellen:
1. Er hat Wohnsiedlungen in Westerfilde, Nette und Mengede für ihre Bedrohung und die Volksverhetzung durch die Nazis freigegeben, in denen vor allem Menschen wohnen, die grundsätzlich im Visier mordbereiter 'Kameradschaften' und ihres nationalen Untergrunds stehen - kennt er sich hier noch so wenig aus?
2. Er ist während des Aufmarsches nicht gegen mutmaßlich verfassungswidrige Parolen der Nazis eingeschritten, "weil deren Aggressivität und Gewaltbereitschaft dies nicht ohne Gefährdung der Bevölkerung erlaubt habe" - war er darauf nicht vorbereitet?
3. Er hatte im Vorfeld zwischen "Blockaden als Demonstration" und "Blockaden als Störung" differenziert und damit seinen Applaus für erstere und seine Knüppel- und Reizgaseinsätze gegen letztere angekündigt - will er den Kampf der Demokrat/innen gegen Nazis als Tanz nach seiner Pfeife inszenieren?
"Keinen Millimeter Raum den Nazis" sähe anders aus.
Wolfgang Richter
Nordstadtblogger-Redaktion
Anmerkungen des Bündnisses Dortmund gegen Rechts:
Der neue Polizeipräsident Gregor Lange hatte versucht, die Nazi-Märsche zum 1. Mai zu verbieten. Dafür gebührt ihm Respekt und Anerkennung. Wieder haben die Gerichte die Verbotsverfügungen aufgehoben und so Dortmunder Bürger/innen dem Hass, der Volksverhetzung und der Gewaltbereitschaft der Neonazis ausgesetzt.
Unsere Empörung gehört den Richtern in Gelsenkirchen und Münster, die die Gefahr menschenverachtender, faschistischer Ideologie der kriminellen Banden, die sich unter dem Deckmantel der „Partei DIE RECHTE“ verstecken, nicht erkennen wollen.
Wir kritisieren aber auch, dass der Polizeipräsident den aufmarschierenden Rassisten ausgerechnet einen Stadtteil überlässt, dessen Bewohner/innen besonders von der Ausländerfeindlichkeit und Menschenverachtung der mordlüsternen Kameraden betroffen sind.
Dass die Polizei angesichts der hohen Aggressivität der Nazis nicht gegen ihre gegrölten verfassungswidrigen Parolen einschreiten konnte, zeigt einerseits, wie richtig das Verbot des Aufmarsches und seine Begründung waren, andererseits aber auch die Hilflosigkeit vor Ort, der so nicht hätte gewählt werden dürfen.
Das „Bündnis Dortmund gegen Rechts wiederholt“ angesichts der Geschehnisse am 1. Mai seine Forderung nach dem Verbot der “ Partei DIE RECHTE“ und aller neonazistischen Organisationen.
Es begrüßt alle Formen des gewaltfreien Widerstandes und des zivilen Ungehorsams.