Alle, die jeder kennt, kennen Pink Floyd. Gute Voraussetzungen für weltweite Bekanntheit. Ihre Alben, Songs haben Musikgeschichte mitgeschrieben, mindestens in der westlichen Welt. Was sie bewirkten, ist Gegenwart. Wie es geschah, Vergangenheit. Wo es heute erzählt wird: in Dortmund, im U, in einem Raum, mit einem Narrativ, das einer betörenden Erlebniswelt gleicht, obwohl es vom Leben erzählen soll. Ausgestattet mit Exponaten um jene Musiker und Musik herum, die bis zur Gegenwart noch unvergesslich sind. Und es zumindest bis zur Finissage am 10. Februar nächsten Jahres bleiben werden.
Von Vögeln (oder Kindern) in Käfigen: „The Wall“ 1981 als Bühnenshow in Dortmund
Als es damals hätte heißen können: Eltern aufgepasst! Psychodelisch-blues-rock-gefärbte Experimentalmusiker begleiten eine ganze Generation durch eine Jugend, die aus Euren Kindern besteht – da war es eigentlich zu spät. Anders als härtere Versionen des Genres, das heimelige Nachkriegsgenerationen erschreckte, waren die technophilen Musiker von der Insel mit irgendwelchen Soundvariationen, teilweise spektakulär bei Live-Auftritten inszeniert, immer schon einen Schritt weiter.
Da waren die Alten zu alt für, und bei den Jungen hielt der Infekt sich durch: 1965 gegründet, mittlerweile eingeäschert, zählt Pink Floyd bis heute Millionen von Fans. Denn sie treffen mit ihren Botschaften offenbar einen Nerv im Humanum: „The Wall“, 1979, Kinder sagen uns: Hey, reißt sie ein, Eure Erwachsenenwelt, sonst tun wir es! Pink Floyd ist glaubhaft – das letzte Studioalbum in der klassischen Besetzung ist immer noch das weltweit meistverkaufte Doppelalbum.
Nach den Studioaufnahmen verlässt Gründungsmitglied Richard Wright die Gruppe. Die Bühnenshow über die Mauern in und um uns herum – oder vom Vogel im Käfig – wird 1980/81 an nur vier Orten aufgeführt: Los Angeles, New York, London und – in Dortmund.
50 Jahre Pink Floyd, Diagnose: Exitus – Ausstellung zeigt „sterbliche Überreste“
Dortmund? – Und weshalb „mortal remains“, quasi Leichenteile? Sollte es besondere Verbindungen geben oder war es lediglich die Stadt mit der schönen großen Halle? Jedenfalls ist hier ein Clou gelungen. Vorgeschichte: Die außergewöhnliche Bedeutung der Vollblutmusiker aus England war für Leute mit Investitionsbereitschaft offenbar hinreichendes Motiv, sich um Arrangements zu bekümmern. Um eine Ausstellung zur Geschichte mit einer Band als Mittelpunkt, die wegen ihrer Popularität hinreichend Nachfrage erzielen kann.
Entworfen wurde daraufhin mit viel Sorgfalt, kompositorischem Talent für erfolgreiche Sinnesmodulation und einem Schuss Morbidität: „The Pink Floyd Exhibition: Their Mortal Remains“, deren Startpunkt 2016 das Victoria & Albert Museum in London bildete. Danach ging es für einige Zeit nach Rom – und nun ist die Wanderausstellung in Dortmund angekommen – sehr zur Freude aller, die sich erfolgreich darum bemüht haben.
Das dürfte vor allem Edwin Jacobs, Direktor des Dortmunder U, gewesen sein. Warum der ganze Aufwand bei erwartungsgemäß viel Konkurrenz um die Akquise? Seine Antwort hebt vor allem auf die bekannte Innovationsfreudigkeit der Musiker ab und zieht Parallelen zum Konzept des Hauses, in aller Kürze: Kunst/Kultur und Kreativität.
Innovationsfreunde unter sich: Dortmunder U beheimatet Pink Floyd-Reliquien im Multimedia-Design
Nicht nur Bildendes sei mithin Programm, sondern „kreatives Schöpfen“, „Machen“, „Experimentieren“, so Jacobs auf der Pressekonferenz anlässlich der bevorstehenden Ausstellungseröffnung am Abend. Da passt es eben zusammen, mit der Geschichte von Pink Floyd und dem U: mit Technik nah an der Zeit sein. Das Faustische im Herzen.
Dort betörten die Musiker von damals mit Tech-Sound die Welt, jetzt, indem Reliquien im Hightech-Modus ausgestellt werden. Letzteres geschieht durch mediale Einbindung der (zumeist) Originalexponate, mit denen die Band einst ihre Schallkompositionen rausgehauen hatte, zum Video- und Tonerlebnis der BesucherInnen, die sie bewundern – in einer nahezu alle Sinne miteinander ansprechenden Ausstellungswelt.
Da freut sich natürlich auch der Oberbürgermeister. Einerseits pflichtgemäß, und wie es sich gehört, zuerst für die Stadt und die vielen Fans; erinnert an 1981, The Wall, an Dortmund als eine von vier Städten nahezu exklusiv von den Musikern mit Weltruf bedacht: „Welcome home!“
Mit Pink Floyd-Ausstellung endlich in der europäischen Kulturlandschaft angekommen?
Wegen dieses denkwürdigen Ereignisses vor nunmehr fast 30 Jahren hat Ullrich Sierau allerdings auch private Interessen, näherhin Nachholbedarf: während des Konzertes der Truppe in den Westfalenhallen sei er nämlich gar nicht im Lande, sondern als Student in Burma gewesen, erzählt er.
Und dann ist da natürlich noch das Dortmunder U als Location: Einst wichtiges Leuchtturmprojekt während der Europäischen Kulturhauptstadt, ist für den OB mit der Reminiszenz- und Retro-Ausstellung zu Pink Floyd klar: das U wie die Stadt seien endgültig in der deutsch-europäischen Kulturlandschaft angekommen.
Angekommen in der Stadt ist seinerzeit auch Nick Mason, 1981, als Pink Floyd Dortmund ein wenig auf den Kopf stellte, Taxifahrer sich über deutliche Zusatzeinnahmen gefreut hätten, wie Sierau erzählt. Schlagzeuger der ersten Stunde, wird er nach seinen Erinnerungen damals gefragt. Die Antwort ist schnörkellos: „an nicht so viel!“ Der Grund ist einfach: Klar, es sei eine sehr aufregende, intensive Zeit gewesen. Vor allem aber, so Mason: wenn nicht auf der Bühne, hätten sie meist in der Hotelbar gesessen.
Geschichte einer weltberühmten Band auf der sechsten Etage des Dortmunder U
Auch jene Requisiten, die damals um das Konzert von Pink Floyd in Dortmund eine Rolle spielten, sind Teil der jetzigen Ausstellung. Ob Überbleibsel aus erwähnten Bar-Sessions dabei sind, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bekannt. Los geht’s jedenfalls am 15. September auf der 6. Etage im Dortmunder U.
Aufgebaut ist dort eine multimediale Erlebniswelt, die retrospektiv die vergangenen 50 Jahre der Band beleuchtet. In der – passend zu den jeweiligen Themenräumen – den BesucherInnen über tragbare Kopfhörer, je nachdem, wo du dich gerade befindest, Infos oder bekannte Songs der Band eingespielt werden.
Die Komposition ist chronologisch aufgebaut – das sei ihm wichtig gewesen, betont Aubrey Powell, bekannt für die Gestaltung berühmter Pink Floyd Plattencover und Co-Kurator der Ausstellung. Für junge Leute, um Zugriff zu bekommen, aber auch, um die Entwicklung der Gruppe zu dokumentieren, die er schon über viele Jahre begleitet hat.
Chancengleichheit? – Eintrittspreise analog marktüblicher Bedingungen stoßen auf Kritik
Eine, im Übrigen, nicht nur musikalische Entwicklung: je länger sie unterwegs waren, desto politischer wurde Pink Floyd. – Wieso der ermäßigte Eintrittspreis bei 19 Euro läge, fragt eine Frau aus dem Publikum, die aus Dortmund kommt und hier im sozialen Bereich tätig ist, beruflich Kontakt zu einkommensschwachen Familien hat. Die regulären Tickets kosten sogar 30 Euro.
Niemand der Macher versucht diese offenkundige Benachteiligung zu rechtfertigen; alle wissen, dass es so ist, und es bleibt nur ein Schulterzucken: es ist halt so, wie es ist, keiner kann oder will etwas ändern. Oder, in den Worten von Edwin Jacobs, der direkt angesprochen wurde, sinngemäß: das seien halt die marktüblichen Gegebenheiten in der Preisgestaltung für Angebote einer solchen Qualität.
Die hat sie allerdings, die Welt im Dortmunder U, in der die multimedial dargebotene Geschichte von Pink Floyd bis zum 10. Februar hautnah aufleben wird. Nur leider nicht für alle. Aber das ist ein anderes Problem, muss die Vorfreude auf das exzeptionelle Arrangement nicht zwangsläufig trüben. Einfach mal genießen geht auch.
„The Pink Floyd Exhibition: Their Mortal Remains“, 15. September 2018 bis 10. Februar 2019 im Dortmunder U, Eindrücke: