„Wir sind als Europäer hier“, sagt Vereinsvorsitzender Miladin Milev. „Wir möchten die deutsche Kultur kennenlernen, aber auch unsere Kultur bekannt machen.“ Initiiert und unterstützt vom Planerladen e. V. gründen Neuzuwanderer aus Südosteuropa Ihren eigene Verein. SFN – Solidaritäts- und Freundschaftsverein Dortmund heißt der. Mitglieder sind Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien. Die meisten leben schon länger als zwei Jahre in der Dortmunder Nordstadt. „Wir wollen eine Stimme haben und gemeinsam unsere Situation in der Stadt verbessern“, sagen sie.
Zuwanderer wollen arbeiten und eine bessere Zukunft für ihre Kinder
Siebzehn Mitglieder hat der Verein auf seiner Gründungssitzung im März gewinnen können. Gestern Abend auf der zweiten Versammlung sind viele Interessierte in den Räumlichkeiten des Planerladen dazu gestoßen. Das Interesse ist groß. Die Meisten sind Bulgaren, nur zwei der gut 25 Anwesenden kommen aus Rumänien. Die Umgangssprache ist türkisch. „Wir sind keine Roma, sondern Mitglieder der türkischsprachigen Minderheit.“
Seit der Wende Anfang der Neunziger Jahre ist die wirtschaftliche Lage in ihren Heimatländern sehr schlecht geworden. Besonders Angehörige von Minderheiten haben ihre Arbeit verloren. „Wir sind nach Deutschland gekommen um hier zu arbeiten, wir wollen eine bessere Zukunft für unsere Kinder“, erklärt einer. Die sehen sie in ihrer alten Heimat nicht. In Deutschland sind sie auf sehr viel Ablehnung gestoßen, sei es im Berufsleben, im Alltag beim Einkauf oder bei Behörden.
„Wenn wir nicht erwünscht sind, sollte die EU nicht solche Gesetze machen,“ sagt der 37-jährige Shibil Mihaylov. „Es sind auch einige wenige Kriminelle gekommen, mit denen werden wir nun in einen Topf geworfen“, sieht er einen Grund für die massiven Vorurteile gegen die Zuwanderer. „Wenn einer einen Vertrag abschließen will, wird er immer wie ein Gauner behandelt“, kritisiert er. „Meistens kommt deswegen ein Abschluss erst gar nicht zustande“, sagt ein anderer.
Mitarbeitern des Planerladens ist der Wille zum Zusammenschluß aufgefallen
Gamze Çalışkan Mitarbeiterin des Planerladens hat in der Vergangenheit in Rahmen des Projektes „IRON“ – „Integration von Roma in der Nordstadt”, viele Menschen aus Südosteuropa aufgesucht, Hilfen beim Kindergeld oder bei der Suche nach einem Platz in einer Kindertagesstätte vermittelt.
„Dabei ist uns bei den Versammlungen aufgefallen, das ein Wille zum Zusammenschluß vorhanden ist“, erzählt sie , von den Anfängen der Vereinsgründung und der Unterstützung des Planerladens. Der Verein hat keine Räumlichkeiten und trifft sich im Planerladen an der Schützenstraße. Einmal im Monat will man dort nun seine Sitzungen abhalten, sich austauschen und gegenseitig unterstützen.
„Wir wollen als erstes die deutsche Sprache erlernen und unsere Situation auf dem Arbeitsmarkt verbessern“, steckt Vorsitzender Miladin Milev die Ziele für 2014 fest. Er habe auch recherchiert und festgestellt das im Hotel- und Gaststättengewerbe die Potentiale der Zuwanderer erwünscht sind. Besonders die Mehrsprachigkeit der Menschen ist von Vorteil. „Viele von ihnen sprechen zwei oder drei Sprachen, die Rumänen oft sogar Englisch, nur Deutsch leider nicht. Aber das kommt noch“, ist sich Tülin Kabis-Staubach, Vorstandsmitglied des Planerladens e. V., sicher.
„Wir werden wählen gehen“, sagt Miladin Milev und hält einen Antrag für Unionsbürger auf Eintragung in das Wählerverzeichnis in die Luft. „Und wir werden unsere Landsleute mobilisieren und dann schauen welche Partei unsere Interessen vertritt“.
In den Räumlichkeiten des Planerladens wird es immer voller. Zwei Männer sind dazu gekommen, denen das harte Leben in Deutschland ins Gesicht geschrieben steht. „Wir haben schon seit Wochen keine Arbeit und eine Wohnung schon gar nicht“, erzählen sie. „Wir schlafen nachts in einem Internet-Café.“ Sie könnten noch hundert weitere nennen die ihr Schicksal teilen. Ein anderer sagt, „man spielt mit uns wie mit einem Ball, es gibt einen Vertrag für einen Monat, der wird dann gekündigt, zwei Tage später gibt es einen neuen Vertrag für einen Monat“. Viele Arbeitgeber wollen das sie sich selbständig machen für tausend Euro im Monat Honorar. „Davon muss man dann alle Versicherungen selber tragen und es bleiben 300 Euro übrig um drei Kinder zu ernähren. Zugang zu seriösen Firmen bekommen sie nicht. Die Sorgen und Nöte und Widerstände auf die, die Zuwanderer treffen sind groß. Umso bemerkenswerter ist, dass jetzt eine Gruppe von ihnen sich zusammenschließt und einen Verein gründet um gemeinsam eine Verbesserung ihrer Lebenssituation zu erreichen.
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