Viele Menschen und Berufsgruppen sind unterschiedlich gut durch die Corona-Pandemie gekommen. Die Gruppe der Geflüchteten gehört zu denen, die am stärksten durch die Krise betroffen waren. Denn Corona ist eine Integrationsbremse – und die Bemühungen sind teils um Jahre zurückgeworfen worden. Hinzu kommt das veränderte gesellschaftliche Klima. Viele Gründe also, den Gesprächsfaden im Dortmunder Forum für Flüchtlinge – nach dem Ausfall der Tagung im vergangenen Jahr – nun zumindest online wieder aufzunehmen.
„Unterstützung von Geflüchteten, NEU gedacht – Herausforderungen und Handlungsbedarf“
Der AK Kimble hat zusammen mit der Stadt Dortmund, dem Jobcenter und der Agentur für Arbeit das 8. Forum für Flüchtlinge organisiert. Das Forum fand in diesem Jahr erstmals im Rahmen der Internationalen Woche der Stadt Dortmund statt.
Das Dortmunder Forum für Flüchtlinge ist als regelmäßige Dialog-, Austausch- und Arbeitsplattform für zentrale Fragestellungen zum Thema Flüchtlinge angelegt. Die achte Auflage stand unter dem Motto „Unterstützung von Geflüchteten, NEU gedacht – Herausforderungen und Handlungsbedarf in und nach Corona“. Der Gesprächsbedarf ist groß wie lange nicht. Das war allen der mehr als 100 Teilnehmenden klar.
So wurden neue Formen der Begleitung von Geflüchteten als notwendig erachtet, ein systematisches Schnittstellenmanagement, mehr gemeinsame Fallbearbeitung, eine Digitalisierung der Unterstützungsarbeit, sowie die Förderung von digitaler und kommunikativer Kompetenz. Damit sollen Geflüchtete in einer Situation der Überforderung mit der aktuellen Situation wirkungsvoll unterstützt werden.
Viele Maßnahmen, Hilfs- und Beratungsangebote haben unter Corona gelitten
Erstmals gab es ein digitales Format – aus dem „Sendezentrum“ im Dietrich-Keuning-Haus, wo zwar aktuell wieder eine Präsenzveranstaltung stattfinden könnte – allerdings hätte der Platzbedarf wegen des erneut großen Interesses und der nötigen Abstandsregelungen selbst dort nicht ausgereicht.
„Die Digitalisierung bietet Chancen und Möglichkeiten, aber nur, wenn alle sie nutzen können“, leitete Detlef Becker bei der Begrüßung ein. Und die viele Maßnahmen, Hilfs- und Beratungsangebote hätten unter Corona gelitten – und damit auch die Integrationsbemühungen von ehemals Geflüchteten. „Die Integration ist uns bisher ganz gut gelungen. Aber es braucht besondere Anstrengungen, um die Auswirkungen zu bewältigen“, betonte der Vertreter des AK Kimble.
„Es darf nicht sein, dass die die Kompetenzen der Geflüchteten verloren gehen und sie ihre Perspektiven aus den Augen verlieren“, verwies Becker auf die Herausforderungen. „Viele Wegweiser sind nicht mehr sichtbar oder erreichbar, da brauchen wir Lösungen.“ Genau darum drehte es sich bei der Veranstaltung, die von Thomas Wild und Veit Hohfeld moderiert wurde.
Klartext von Regierungsvizepräsident Volker Milk – miserable Noten für Distanzunterricht
Regierungsvizepräsident Volker Milk nahm erneut am Dortmunder Forum Flüchtlinge teil: „Gerne bin ich der Einladung zu einem Eingangsstatement gefolgt, weil ich als Dortmunder Bürger weiß, dass alle Beteiligten am Dortmunder Forum Flüchtlinge seit Jahren wertvolle und wichtige Integrationsarbeit leisten und diese Arbeit demnächst bedeutsamer als je zuvor werden dürfte“, so der Vizeregierungspräsident aus Arnsberg.
Zwar würden Digitalisierung und Innovation oft als positive Seiten der Corona-Pandemie benannt. „Ich bin mir aber sicher, dass im Bereich der Flüchtlingsarbeit die negativen eindeutig überwiegen: Corona ist eine Integrationsbremse, denn Integration gelingt nur im sozialen Miteinander, durch gemeinsame Sprache, in Kita und Schule, in der Ausbildung und im Beruf. All das hat in den vergangenen 1 1⁄2 Jahren massiv gelitten“ so Volker Milk.
Dies belege auch eine aktuelle Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Danach hat insbesondere der Pandemie bedingte Stopp von Sprachkursen und Qualifizierungen die Geflüchteten auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt deutlich stärker zurückgeworfen als die übrige Bevölkerung.
„Corona hat auch bestehende Ungleichheiten verstärkt. Dies belegt eine weitere aktuelle Untersuchung der Frankfurter Goethe-Universität. Sie stellt dem Distanzunterricht – zumindest dem im Jahr 2020 – ein ganz miserables Zeugnis aus“, betont der stellvertretende Chef der Bezirksregierung.
„Es liegt auf der Hand und es ist ebenfalls ein Ergebnis der Studie, dass die ganz großen Verlierer diejenigen sind, die aus schwachen sozialen Verhältnissen stammen, in beengten Wohnstrukturen leben und deren Eltern aufgrund eigener Sprach- und Bildungsbarrieren nur begrenzt unterstützen können“, so Milk.
Die „großartige Willkommenskultur“ ist Geschichte – die Skepsis überwiegt mittlerweile
Auch wenn sich hieraus allein schon mehr als genug Handlungsbedarf für den Aufholprozess ergäbe, verwies er noch auf eine dritte Studie mit weiteren unangenehmen Ergebnissen. Pünktlich zum Weltflüchtlingstag hatte die Diakonie eine von ihr beim Meinungsforschungsinstitut Civey in Auftrag gegebene Erhebung mit Ergebnissen vorgestellt.
Ein Ergebnis: „Die großartige Willkommenskultur, auf die wir vor vier Jahren zu Recht stolz sein konnten – sie war einmal! Mit gut 62 Prozent der Befragten ist inzwischen eine Mehrheit der Bevölkerung gegen eine weitere Aufnahme von Flüchtlingen“, zieht Volker Milk eine ernüchternde Bilanz.
„Ebenso herrscht eine große Skepsis über den Integrationserfolg. 58 Prozent sind der Meinung, dass die in den vergangenen zehn Jahren zu uns gekommenen Migrantinnen und Migranten nicht gut in unserer Gesellschaft angekommen sind“, so der Vize-RP in seinem Statement.
„Ich berichte ihnen dies alles nicht, um Sie gleich zu Beginn der Veranstaltung zu frustrieren. Das Gegenteil möchte ich bezwecken: Flüchtlings- und Integrationsarbeit ist wichtiger, wertvoller und notwendiger denn je zuvor! Entscheidend ist, dass jetzt die richtigen Schlüsse gezogen werden und wir alle kräftig in die Hände spucken!“
„Mentalitätswandel hin zu besseren Bleibeperspektiven für gut integrierte Geduldete“
Dabei schloss er sich, sein Haus und die Vorgesetzten in Düsseldorf ausdrücklich mit ein: „Weil wir offenkundig mehr tun müssen als bisher, hat unser Landesintegrationsministerium in der vergangenen Woche einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Teilhabe- und Integrationsgesetzes und des Flüchtlingsaufnahmegesetzes vorgelegt. Ich bin mir sicher: Vieles geht in die richtige Richtung – ob es genug ist, werden die weiteren parlamentarischen Beratungen und die spätere Praxis zeigen müssen.“
Ziele darin sind u.a. die Schaffung eines verlässlichen und verbindlichen Rahmens für die Integration und eine rechtliche und dauerhafte finanzielle Absicherung der integrationspolitischen Infrastruktur mit immerhin mindestens 130 Millionen Euro jährlich. „Das alles ist wichtig für ein neues kommunales Integrationsmanagement, die Integrationsagenturen der freien Wohlfahrtspflege und die Organisationen von Menschen mit Einwanderungsgeschichte“, glaubt der Vertreter aus Arnsberg.
Das ganz Entscheidende sah er jedoch in einem „Mentalitätswandel hin zu besseren Bleibeperspektiven für gut integrierte Geduldete“, den es „nun endlich“ gebe. Der Gesetzentwurf bedeute eine Abkehr von sogenannten Kettenduldungen hin zu „verlässlichen und integrationsfördernden Aufenthaltstiteln bis hin zu einer verbesserten Zusammenarbeit mit den Einwanderungsbehörden“, betont Milk.
Abschiebung von Integrationsverweigerern, Extremisten und straffälligen Migranten
Zum Schluss thematisierte er auch noch „die Kehrseite der Medaille“: „Eine kleine Minderheit unter den Zugewanderten dürfte mitursächlich dafür sein, dass leider inzwischen eine Mehrheit in unserer Bevölkerung gegen die Aufnahme weiterer Flüchtlinge ist und Integration in weiten Teilen als nicht gelungen ansieht. Hierüber muss man reden und hier dürfen wir nicht wegschauen“, so der der Vize-Regierungspräsident.
„Es gibt auch Kriminalität von Migranten und uns allen dürften die hässlichen Szenen noch in schlechter Erinnerung sein, als vor einem Monat auf unseren Straßen radikal-islamistische Hassparolen mit dem Ziel, Israel von der Landkarte zu tilgen, zu hören und brennende Israel-Fahnen, zerstörte Stolpersteine und Angriffe auf Synagogen zu sehen waren. Dies geschah nicht nur in Berlin, Freiburg oder Stuttgart, sondern auch in unserer Nähe in Münster und Gelsenkirchen und leider teilweise auch bei uns in Dortmund“, sprach Milk auch hier Klartext.
„Unter anderem aus diesen Gründen darf unsere wehrhafte Demokratie auch nicht davor zurückschrecken, Integrationsverweigerer, unbelehrbare Extremisten oder straffällig gewordene Migranten nach sorgfältiger Einzelfallprüfung konsequent abzuschieben. Dies ist kein Populismus, sondern ein notwendiger Beitrag zur Wiedererlangung der Akzeptanz zur Aufnahme von Flüchtlingen in unsere Gesellschaft.“
Umgekehrt sollte viel mehr über die „zahlreichen guten Beispiele gelungener Integration“ geredet werden, „damit sich die Negativbeispiele nicht einseitig in den Köpfen verfestigen“. Das sei im „Interesse der großen Mehrheit der Flüchtlinge, die es verdienen, erfolgreich integriert und dadurch eine Bereicherung für unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft zu werden“.
OB Thomas Westphal: „Die Integration in Arbeit steht im Mittelpunkt“
Eine Lanze für eine Zukunftsperspektive von Geflüchteten in Dortmund brach auch OB Thomas Westphal, der eine Videobotschaft in die Tagung schickte: „In Dortmund zählt, wo man hin will, und nicht, wo man her kommt.“
Dortmund habe in den vergangenen Jahren alles mobilisiert und ein Netzwerk aufgespannt, damit es gelinge, die Menschen schnell zu integrieren und einen Platz für sie zu finden, wo sie sich wohlfühlten und eine neue Zukunft fänden. Nur wer eine Perspektive habe, die Sprache gelernt und einen Arbeitsplatz gefunden, für den sei ein neues Leben möglich.
„Daher steht die Integration in Arbeit im Mittelpunkt. Das ist uns bisher gut gelungen – aber Corona hat es deutlich erschwert. Die Arbeitsplätze, über die gesprochen haben, auch für An- und Ungelernte, sind durch Corona stark betroffen“, räumt Westphal ein.
Das habe die Situation für Geflüchtete und die, die schon da waren, deutlich erschwert. „Daher müssen wir unsere Anstrengungen intensivieren und Perspektiven für diese Menschen entwickeln. Es gibt keine Alternative zur Integration“, stellt Dortmunds OB klar.
Die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes ist durch COVID-19 stark beeinträchtigt
Wie sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt darstellt – und die Folgen von Corona auf die Integration von Geflüchteten – darauf richtete Heike Bettermann, Chefin der Agentur für Arbeit in Dortmund, ein Schlaglicht.
„Die schlechte Nachricht: Die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes wurde und wird durch COVID-19 stark beeinträchtigt. Unternehmen, die sich in Kurzarbeit befinden oder deren Existenz durch lange Schließungszeiten bedroht ist, haben nur sehr begrenzten Bedarf an neuem Personal.“ Schon vorher sei es für Menschen ohne ausreichende Qualifikation oder Sprachkenntnisse – und dazu zählen sehr viele Geflüchtete – schwer gewesen, Arbeit zu finden.
„Die gute Nachricht kommt aber gleich hinterher: Für „Personen im Kontext von Fluchtmigration“ – so der interne Fachbegriff – verzeichnen wir bei den arbeitsuchend gemeldeten Menschen für die Monate mit Corona keinen überdurchschnittlichen Anstieg. Der Anteil der Geflüchteten an deren Gesamtzahl liegt hier seit Jahren bei knapp über zehn Prozent“, so Bettermann.
Lebensbegleitende Berufsberatung bietet Unterstützung auch für Geflüchtete
Die Arbeitsagentur habe sich auf die Arbeit für und mit den Geflüchteten eingestellt. Zwar gebe es den „Integration Point“ als erste Anlaufstelle für Geflüchtete seit 2019 in der Arbeitsagentur Dortmund nicht mehr. „Nicht, weil die dort anfallenden Aufgaben keine Relevanz mehr hätten, im Gegenteil: Wir haben die seit 2015 erworbenen Qualifikationen und das Wissen um die Sorgen und Nöte der Ratsuchenden kontinuierlich ausgebaut und in die Flächenstruktur unseres Hauses überführt“, so Bettermann.
In der Eingangszone ebenso wie in den Beratungs- und Vermittlungsteams seien Beschäftigte für die Anliegen geflüchteter Menschen geschult. Und Alexander Roßbach, ehemals Teamleiter im Integration Point, ist Migrationsbeauftragter in der Arbeitsagentur. Im Forum moderierte er auch eine Arbeitsgruppe. Das Thema lautet: „Begleitung von Lebens- und Arbeitswegen“. Dies bringe nach Ansicht von Bettermann „unseren ganzheitlichen Ansatz sehr schön auf den Punkt“.
Berufsberatung für junge Menschen während der Schulzeit und vor Ausbildung oder Studium sei ja nicht neu. Aber seit Januar 2021 berät die Arbeitsagentur auch Menschen, die im Berufsleben stehen und sich neu orientieren oder verändern möchten. „Die so entstandene Lebensbegleitende Berufsberatung bietet Unterstützung entlang der gesamten Bildungs- und Erwerbsbiografie an – selbstverständlich auch Geflüchteten“, so die Chefin der Arbeitsagentur.
„Die Video-Beratung wird leider nicht so gut angenommen, wie wir es uns erhofft hatten“
Wichtige Bausteine zur Integration seien natürlich weiterhin die Hilfestellung beim Erwerb der deutschen Sprache und die Begleitung bei der Anerkennung im Herkunftsland erworbener Berufsqualifikationen. „Davon abgesehen erhalten Menschen im Kontext Fluchtmigration bei uns in der Arbeitsagentur dieselbe Förderung wie andere Kundinnen und Kunden auch. Vorrangiges Ziel ist die Heranführung an wichtige formale Qualifikationen.“
Nicht vergessen werden sollte dennoch, dass durch die Pandemie die persönlichen Kontakte zu den Kund*innen stark eingeschränkt gewesen seien. „Die Video-Beratung wird leider nicht so gut angenommen, wie wir es uns erhofft hatten. Ratsuchende, denen entsprechende Endgeräte, Räumlichkeiten mit Internetzugang oder schlicht das Geld für die nötigen Datentransfervolumina fehlen, sind hier klar im Nachteil, und Geflüchtete zählen oft zu dieser Gruppe“, räumt Bettermann ein.
Das Absinken der Inzidenzen sorge aber dafür, dass sich Jobcenter und Agentur auf eine Rückkehr zum „Normalbetrieb“ vorbereiten – „in mehreren Stufen und immer mit Blick auf das aktuelle Infektionsgeschehen“.
Dringender Appell zur erneuten Realisierung von Praktika als Einstieg in Ausbildung
Mit Bedauern blickte sie auf die Lage der jungen Geflüchteten, die in die Berufsberatung kommen. Auch sie seien durch Corona und die damit verbundenen Einschränkungen besonders betroffen. „Praktika sind für sie – oft noch mehr als für muttersprachliche Jugendliche – der erste Schritt auf dem Weg ins Erwerbsleben. Hier können sie nämlich durch persönlichen Einsatz vorhandene Defizite in der Sprachkompetenz oder fehlende gute Zeugnisse ausgleichen“, macht sie deutlich.
„Tatsächlich sehen wir in unserer Arbeit im Jugendberufshaus oft überdurchschnittliches Engagement bei diesen jungen Leuten. Ein Eindruck, der sich auch vielfach in der Ausbildung oder im dualen Studium bestätigt, wie mir meine Kolleginnen und Kollegen im Jugendberufshaus berichten“, so Bettermann. Aber ausgerechnet Praktika waren im Corona-Jahr 2020 bis weit in dieses Jahr hinein oft nicht möglich.
„Daher möchte ich an dieser Stelle an alle Unternehmen und Institutionen appellieren: Bitte öffnen Sie ihr Haus wieder für Praktikantinnen und Praktikanten und ermöglichen Sie diesen und sich selbst ein Kennenlernen, von dem Sie alle profitieren können“, so die Agenturchefin.
Das Phänomen Flucht ist kein Randgruppen-Thema, sondern Querschnittsaufgabe
„Ganz besonders, wenn das Praktikum in einen Ausbildungsvertrag oder in die Aufnahme eines dualen Studiums mündet. So können aus geflüchteten Menschen gefragte Fachkräfte werden. Denn die Reduzierung des Fachkräftemangels wird auch nach Corona eine entscheidende Aufgabe sein.“
Ihr Fazit: Das Thema Geflüchtete sei im Lebensalltag angekommen – sowohl in der Stadt Dortmund, „die ja seit vielen Jahrzehnten mit Zuwanderung lebt und durch ein gewachsenes Netzwerk von Institutionen und hochmotivierten ehrenamtlich Tätigen aktiv Verantwortung in den Quartieren übernimmt. Ebenso natürlich auch bei uns in der Arbeitsagentur und im Jobcenter“, so Bettermann.
„Die Zeit mit Corona bestärkt uns darin, mit unserer Beratung in allen Lebenslagen auf dem richtigen Weg zu sein. Das globale Phänomen Flucht, das uns in West- und Nordeuropa wohl noch viele Jahre beschäftigen wird, ist für uns eben kein Randgruppen-Thema, sondern Querschnittsaufgabe. Seit und mit Corona mehr denn je.“
Flüchtlingsrat NRW kritisiert die Lage in den Landesaufnahme-Einrichtungen
Deutlich skeptischer auf die Erfolge und vor allem den rechtlichen Rahmen blickte Ali Ismailovski, Vorstand des Flüchtlingsrates NRW: „Die Rückführung stand mehr im Mittelpunkt als die Integration“, sagte er mit Blick auf die Politik der vergangenen Jahre in Nordrhein-Westfalen.
Besonderer Kritikpunkt waren (erneut) die Landesaufnahme-Einrichtungen – sie hätten besonders gelitten. Die dort lebenden Kinder hätten keinen Zugang zur Schulpflicht, da während Corona auch keine Zuweisungen in Kommunen erfolgt seien. „Menschen mit abgelehnten Status müssen dort leben, Zuweisungen in Kommunen erfolgen nicht. Daher sind die Menschen oft länger als 24 Monate in den Einrichtungen“ kritisiert Ali Ismailovski.
Arbeitsaufnahme oder Integrationsmöglichkeiten gebe es für diese Menschen nicht: Er appellierte daher, wenn tatsächlich keine Rückführung möglich sei, die Menschen zeitnah Kommunen zuzuweisen, um deren Integrationschancen zu verbessern. Das gelte auch für die Aufnahme von Ausbildung und Arbeit. Viele Menschen mit Ausbildungsduldung hätten durch die Pandemie ihre Ausbildungsplätze verloren oder hätten diese abbrechen müssen.
Dabei gebe es große Unterschiede zwischen Stadt und Land: In kleineren Betrieben auf dem Land sei die Lage deutlich besser als in größeren Betrieben in den Städten. „Durch die Pandemie ist es deutlich schwieriger, eine Ausbildung aufzunehmen oder eine Beschäftigungsduldung zu erhalten“, machte Ali Ismailovski deutlich.
Forderung: Das Land NRW muss die Bleibeperspektiven für Geduldete verbessern
Auch die Geflüchteten litten unter dem Verlust von Arbeitsplätzen oder landeten in Kurzarbeit. „Das wird von den Ausländerbehörden sehr unterschiedlich behandelt, weil die Betroffenen ihre Voraussetzungen nicht mehr erfüllen und die Neuaufnahme von Arbeit nicht zeitnah gelingen konnte“, verweist er auf die Folgen für den Aufenthaltsstatus.
Er forderte, dass die Ausländerbehörden bei Qualifizierungen und Ausbildungsmaßnahmen mehr Ermessensspielräume bekommen sollten. Kommunen könnten auch zusätzliche Mittel vom Land bekommen, um Integrationsleistungen zu verbessern.
Doch die Kommunen sollte nicht nur die Gelder auszahlen, sondern auch auf regionaler Ebene Initiativen heranziehen und in den Integrationsprozess einbinden. „Daher ist ein solches Forum wie in Dortmund sehr wichtig. Wir müssen gemeinsam die Chancen für Ausbildung und Arbeit verbessern bzw. schaffen“, so der Vertreter des Flüchtlingsrates.
Und das Land NRW müsse die Bleibeperspektiven verbessern, sagte er mit Blick auf die Möglichkeiten im Aufenthaltsgesetz, beispielsweise für junge Menschen sowie Frauen bzw. Familien mit Kindern. Auch bei Weiterbildungsmaßnahmen müssten die Behörden „gewisse Ermessensspielräume“ wahrnehmen – schließlich seien durch die Pandemie viele Maßnahmen weggebrochen.
Die Dortmunder Ausländerbehörde ist für fast 18.000 Geflüchtete zuständig
Doch Melanie Schmickler, Leiterin der Ausländerbehörde der Stadt Dortmund, machte deutlich, dass es zumindest bislang wenig Spielräume gebe. Sie fokussierte daher auf die Situation der Geflüchteten in Dortmund. Rund 9600 verfügten über eine Anerkennung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Weitere 6000 Menschen verfügten über einen subsidiären Schutz oder dürften aus humanitären Gründen in Deutschland bleiben – ihr Aufenthalt ist ebenfalls gesichert – und damit die Integrationsmöglichkeiten.
Problematisch ist hingegen die Lage von 2100 Geflüchteten, die nur über eine „Duldung“ verfügten. Als Duldung wird nach dem deutschen Ausländerrecht die Bescheinigung über eine „vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“ ausreisepflichtiger Ausländer*innen bezeichnet. Eine Duldung verschafft dem Menschen daher keinen rechtmäßigen Aufenthalt. Damit hat er häufig kein Recht auf Integrations- und Sprachkurse oder die Arbeitsaufnahme. Das Problem sind sogenannte Kettenduldungen, die die Menschen über Jahre und teils Jahrzehnte in dieser prekären Lage halten.
Die Gruppe der „Geduldeten“ ist heterogen – von der Herkunft, den Gründen der Duldung wie auch vom Alter. Die meisten kommen aus dem Irak, Guinea, dem Libanon, Nigeria, Afghanistan, Serbien und Tadschikistan. 1437 sind männlich, 655 weiblich. Insgesamt sind sie sehr jung. Mehr als 500 sind jünger als 14 Jahre, weitere 232 Personen sind 15 bis 21 Jahre alt. Mehr als 1000 sind zwischen 22 und 40. Daher haben viele von ihnen eine Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung – sie sind auf dem Weg zu einer Bleibeperspektive, vor allem weil sich ihre Aufenthaltsdauer deutlich verlängert hat.
Der Fokus verschiebt sich von zunehmend von Abschiebung auf eine Bleibeperspektive
Doch wie sie sich Corona ausgewirkt hat, kann die Ausländerbehörde noch nicht beurteilen: Schmickler geht davon aus, dass ihr Haus erst im kommenden Jahr verstärkt mit den Corona-Folgen konfrontiert werde. „Wir müssen erst sehen, ob uns vom Gesetzgeber im Nachgang Handlungsspielräume möglich gemacht werden“, dämpfte sie überzogene Erwartungen der Teilnehmenden.
Doch der Fokus auf die Ausreise habe sich mittlerweile hin zu einer Bleibeperspektive verschoben – nicht zuletzt wegen der langen Aufenthaltszeiten der Menschen. Nicht erst durch Corona sei die Zahl der Rückführungen gesunken. Doch die jahrelange Fokussierung auf Abschiebungen habe einen Vertrauensverlust bedeutet. Ihre Behörde müsse dies jetzt neu aufbauen und für eine Zusammenarbeit sensibilisieren, denn auch eine Identitätsklärung sei für eine Bleibeperspektive wichtig“, machte sie deutlich.
Doch der Vertrauensaufbau bleibt auch weiter schwierig, weil das Amt für viele Geflüchtete noch immer schlecht erreichbar ist. Wegen Corona wurden die Öffnungszeiten und Vorsprachen deutlich reduziert. Ein Kontakt geht nur über eine elektronische Terminvergabe, doch viele Geflüchtete tun sich damit auch wegen der Sprachbarrieren schwer. Doch auch zukünftig werde einiges digital verlaufen – eine Rückkehr „1:1 zu den Zeiten vor Corona“ werde es nicht geben.
Ihr Haus werde an der Terminvergabe festhalten und auch weiter elektronische Kanäle vorhalten. Die Ausländerbehörde setzt dabei auf einen Lernprozess bei den digitalen Kompetenzen – dabei sah sie vor allem auch die Initiativen und Bildungsträger in der Pflicht. „Diese Qualifizierung wird für sie ein dickes Brett werden“, so Schmickler.
Arbeitslosigkeit: Corona trifft Migrant*innen deutlich stärker als die Gesamtbevölkerung
Gerade diese Bildungs- und Integrationsmaßnahmen hätten in Corona-Zeiten sehr gelitten, machte Hicham Fariad, Integrationsbeauftragter im Jobcenter, deutlich. Die Pandemie hätte die Lage der Geflüchteten nach zwischenzeitlicher Stabilisierung in den Jahren 2018 und 2019 nicht unberührt gelassen.
Während im Zeitraum von April 2020 bis April 2021 insgesamt ein Anstieg der Arbeitslosigkeit um einen Prozentpunkt zu verzeichnen war, war er bei den Migrant*innen deutlich höher. Das Dortmunder Jobcenter verzeichnete hier einen Anstieg von über 20 Prozent. Die Betroffenheit sei nachhaltiger und intensiver. Zudem erhole sich die Situation bei Migrant*innen insgesamt langsamer.
Die Gründe dafür seien sehr unterschiedlich und vielfältig. Ein Faktor sei, dass die Sprach- und Integrationskurse sowie andere Fördermöglichkeiten ganz oder teilweise weggebrochen seien. Auch das Angebot bei Übersetzungs- und Beratungsmöglichkeiten war in Corona-Zeiten stark eingeschränkt. Zwar gebe es mittlerweile ein ausgebautes Online-Angebot, aber die Akzeptanz der Kund*innen sei nicht so ausgeprägt.
Die Bewältigung der Pandemie-Folgen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Es fehle an digitalen Kompetenzen, um die Ersatzangebote anzunehmen. Zwar gebe es eine technische Affinität zu Smartphones, doch das reiche oft nicht aus. „Je länger die Unterbrechung dauert, desto langwieriger wird die Integration in dieGesellschaft und den Arbeitsmarkt dauern“, so Hicham Fariad. Auch Hilfestellungen des Jobcenters kämen oft nicht an. Daher sei es wichtig, schnellstens wieder die Präsenzvorsprachen aufzunehmen.
„Unser Geschäft ist die persönliche Beratung. Wir erlauben uns eine optimistische Prognose“, blickte er zuversichtlich auf die nächsten Monate. „Die Auswirkungen von Corona stellen uns vor große Herausforderungen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und das Jobcenter wird selbstverständlich seinen Beitrag leisten“, versprich der Migrationsbeauftragte des Jobcenters.
Anschließend ging es in Arbeitsgruppen weiter. Thematisiert wurden unter anderem die Facetten „Alltagsrassismus und Diskriminierung“, „Betriebe, Digitalisierung und Fachkräfte“, „Bundestagswahl: Fragen an die Politik“, „Ausländerbehörde und Flüchtlingsberater*innen“, „Umfassende Begleitung von Lebens- und Arbeitswegen“ sowie „Synchronisation von Angeboten“.
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Menschen mit Fluchthintergrund erfolgreich in Arbeitsmarkt integriert – HWK Dortmund berät und begleitet Betriebe und Geflüchtete seit 2015 (PM)
Menschen mit Fluchthintergrund erfolgreich in Arbeitsmarkt integriert –
HWK Dortmund berät und begleitet Betriebe und Geflüchtete seit 2015
Kammerbezirk. Im Wettbewerb um Fachkräfte kann es sich für Handwerksbetriebe lohnen, neue Wege zu gehen und die Potenziale von Geflüchteten in den Blick zu nehmen. Eine Berufsausbildung bietet auch für Menschen mit Fluchthintergrund oft eine konkrete Chance, Integration erfolgreich zu meistern. Die Handwerkskammer (HWK) Dortmund hilft, sie in eine Ausbildung zu bringen und begleitet Betriebe und Geflüchtete während der Lehre: Seit 2015 sind dank der Flüchtlingsinitiative, Qualifizierungsmaßnahmen und Projekten wie bspw. der „Willkommenslotse“ viele Menschen in Ausbildungen oder Praktika vermittelt worden.
„Ob jemand tatsächlich den Ausbildungsvertrag unterschreiben darf, entscheidet sich meistens erst nach einem erfolgreich absolvierten Betriebspraktikum“, erklärt Tobias Schmidt, Leiter der HWK- Ausbildungsberatung. Er schätzt, dass seit 2015 bei der HWK Dortmund weit über 500 Beratungen von Geflüchteten stattgefunden haben. „Wir helfen den jungen Menschen bei der beruflichen Integration und geben ihnen Orientierung durch unsere Beratungs- und Vermittlungsangebote. Wir unterstützen die Betriebe dabei, geeignete Auszubildende mit Fluchthintergrund zu finden. Auch bei Problemen während der Ausbildung, beispielsweise mit dem Aufenthalt, stehen wir von der HWK Dortmund Betrieben und Auszubildenden zur Seite“, so Schmidt. Mit dem Projekt „Willkommenslotse“ hilft die HWK ihren Mitgliedsbetrieben aktiv bei der Suche nach motivierten Praktikanten und Auszubildenden.
2015 startete die Kammer erstmals ein Pilotprojekt, das mit gezielten Qualifizierungsmaßnahmen Flüchtlingen eine Ausbildung im Handwerk ermöglichte. Finanziell unterstützt wurde das Projekt bis einschließlich 2017 vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Aus anfänglichen Einzelqualifizierungen wuchs ein siebenmonatiges Vollzeit-Qualifizierungsprogramm – aufgeteilt in vier Module, beginnend mit einer Kompetenzfeststellung. Darauf folgten Werkstattphasen, ein mehrwöchiges Praktikum sowie Unterrichtseinheiten in Deutsch und Mathematik. Ein interkulturelles Coaching rundete das umfassende Programm ab, um die Teilnehmer bestmöglich für den Einstieg in den deutschen Ausbildungsmarkt zu rüsten. Inzwischen sei das Angebot in den einzelnen Städten und Kommunen aber so gut entwickelt, so Schmidt, dass der Bedarf einer Vorqualifikation durch die HWK Dortmund nicht mehr nötig sei. Insgesamt konnten in fünf HWK-Flüchtlingsinitiativen über 150 Geflüchtete in Ausbildungen vermittelt werden.
Die Ausbildungssysteme und auch die Dauer seien von Land zu Land unterschiedlich geregelt. Für Geflüchtete sei es daher oft erst befremdlich, dass eine Ausbildung zum Friseur dreieinhalb Jahre in Deutschland dauert. „Sie können sich zunächst oft nicht vorstellen, einen Beruf über einen so langen Zeitraum zu erlernen“, merkt der Abteilungsleiter an. In den meisten Ländern findet die Berufsausbildung entweder nur in Schulen statt – oder nur in den Betrieben. Das deutsche duale Berufsausbildungssystem sei aber einzigartig und gelte international als eine der renommiertesten Ausbildungsformen. „Sie verbindet das praxisnahe Lernen in einem Betrieb mit der Theorie und bietet daher beste Voraussetzungen für den Einstieg in das Arbeitsleben und eine erfolgreiche Zukunft.“
Die meisten der geflüchteten Menschen, die durch Ansprechpartner der HWK Dortmund zum Thema Ausbildung beraten und betreut worden sind, waren männlich und stammten aus den acht häufigsten nicht-europäischen Asyl-Zugangsländern: Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia oder Syrien. In 2020 fielen von 3.481 neu abgeschlossenen Lehrverträgen, die bei der HWK Dortmund verzeichnet wurden, auf 231 auf Staatsangehörige dieser Länder. Besonders beliebt waren unter männlichen Flüchtlingen Ausbildungen zum Friseur, Elektroniker oder Kraftfahrzeugmechatroniker.
Informationen rund um die betriebliche Integration, Förderungsmöglichkeiten, Aufenthaltsangelegenheiten sowie Unterstützungsmechanismen in der Ausbildung gibt es bei HWK- Willkommenslotse Franc Musolli. Unterstützung bei der Antragsstellung zur Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse erhalten Geflüchtete bei Björn Woywod, Leiter der Lehrlingsrolle.
franc.musolli@hwk-do.de
bjoern.woywod@hwk-do.de
„Fight Fortress Europe“ – Antifaschistische Demonstration gegen das Sterben an Europas Grenzen (PM)
Die Automome Antifa 170 ruft für den 27.11. um 13 Uhr am Westentor in Dortmund zu einer Demonstration gegen die unmenschlichen Zustände an Europas Außengrenzen auf. Anlass ist, dass seit Tagen ca. 2000 Flüchtende an der Grenze ausharren, die nach Europa möchten. Die Organisator:innen werfen der EU vor, die Menschen zum machtpolitischen Spielball zu machen.
„Wir gehen Samstag auf die Straße, um zu zeigen: Wir nehmen die mörderische EU-Politik und das Schweigen weiter Teile der Zivilgesellschaft nicht hin“, so Kim Schmidt, Pressesprecherin der Autonomen Antifa 170. Neben den tausenden im Mittelmeer ertrunkenen Geflüchteten der letzten Jahre sorgen aktuell die Bilder der auf dem Weg nach Europa an der polnisch-belarussischen Grenze ausharrenden und sterbenden Menschen für Entsetzen. „Wir sind es satt, bei jeder neuen Eskalation der menschenverachtenden Politik der EU im Umgang mit Geflüchteten in scheinbar betretene Gesichter von Politiker:innen zu gucken. Wir fordern die sofortige Aufnahme der Geflüchteten“, fordert Schmidt.
„Die Situation von Menschen auf der Flucht, egal ob in Libyen, Ungarn oder Belarus ist seit langem bekannt. Die Europäische Union ist für das Elend dieser Menschen verantwortlich“, macht Schmidt klar. „Egal, ob die Finanzierung der sogenannten libyschen Küstenwache, dem massiven Vergrößern und Militarisieren der Grenzschutzorganisation Frontex oder das herrenmenschliche Hin- und Hergebschiebe von Personen im Rahmen von Flüchtlingsabkommen – Europa ist verantwortlich für all das. Aber Europa übernimmt nicht die Veranwortung für die Verhinderung von Leid und Tod an seinen Grenzen.“
Der Kurs der Europäischen Union im Umgang mit Menschen auf der Flucht war in den letzten Jahren immer wieder Inhalt von Aktionen und Demonstrationen in Dortmund. Dieser Kurs wird auch durch die deutsche Bundesregierung gestützt. So scheiterte die Aufnahme von Geflüchteten Menschen in Dortmund, obwohl sich die Stadt Dortmund sowie 266 andere deutsche Städte als „Sicherer Hafen“ erklärt hatte, am Veto aus Berlin.
„So dreht sich das immer wiederkehrende Karussel aus Sterben an den Außengrenzen, angeblicher Betroffenheit der Verantwortlichen und anschließendem Nichtstun weiter“, macht Kim Schmidt ihre Position klar, „Die EU stellt sich stets als Hort von Demokratie und Menschenrechten dar. Ebendiese Menschenrechte scheinen aber einen Meter jenseits der Grenzzäune keine Rolle mehr zu spielen. Wir sind nicht bereit dazu, dieses Spiel Monat für Monat, Jahr für Jahr mitzuspielen.“
IBB e.V. lädt ein zur fokus4-Fachtagung zum demografischen Wandel : Migration 2.0 – Wer kommt, wer bleibt, wer geht? (PM)
„Migration 2.0 – Wer kommt, wer bleibt, wer geht?“ – dieser Frage widmet sich die Fachtagung im Projekt fokus4, zu der das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk e.V. in Dortmund für Donnerstag, 24. November 2022, von 10 bis 17 Uhr in das Reinoldinum Dortmund einlädt.
Durch globale Notsituationen und Kriege, wie zuletzt in der Ukraine, kommt es auch in Deutschland zu erhöhten Zuwanderungszahlen. Die Reaktionen schwanken zwischen Aufnahmebereitschaft und Abwehr. Gleichzeitig besteht in vielen Branchen akuter Fachkräftemangel. Neben der Sorge um die Tragfähigkeit der sozialen Siche-rungssysteme durch Neu-Zugewanderte wird Zuwanderung auch als Chance und Gewinn begriffen, die gesellschaftliche Leistungsfähigkeit auch für kommende Gene-rationen zu erhalten. Unter dem Stichwort „triple win“ wird eine Migrationsgestaltung diskutiert, die den Herkunfts- und Zielländern und den Migrierten selbst Gewinn bringt. Dabei geht es auch darum, Fehler der ersten Fachkräftezuwanderung ab den 1960er Jahren nicht zu wiederholen und tragfähige Strukturen für eine gesellschaftliche Teilhabe der Zugewanderten in Deutschland zu schaffen.
Expertinnen und Experten der Universitäten Istanbul und Osnabrück, der Bertelsmann-Stiftung, des Europäischen Verbandes der Dienstleistungsgewerkschaften, des Handwerkskammer- und des Handelskammertages beleuchten in Vorträgen und Workshops aktuelle Tendenzen der Migration, Anwerbestrategien in bzw. mit Dritt-staaten sowie auch Fallstricke der Arbeitsmigration wie Lohndumping und Arbeits-ausbeutung. Das Fachkräftezuwanderungsgesetz und der Entwurf des Chancen-Aufenthaltes für Geduldete als Beispiele für den Paradigmenwechsel vorgestellt.
Dank einer Förderung durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds ist die Teilnahme an dieser Tagung kostenlos.
Mit Rücksicht auf die Covid-19-Situation können maximal 60 Interessierte an dieser Tagung teilnehmen. Anmeldungen sind ab sofort möglich per E-Mail an das Projektbüro fokus@ibb-d.de.
Weitere Informationen unter http://www.ibb-d.de.
Über das IBB Dortmund:
Grenzen überwinden – dieser Leitgedanke ist für das Internationale Bildungs- und Begeg¬nungswerk Vision und Lösungsmodell, Ziel und Mittel seiner Arbeit. Weiterbil-dung und in¬ternationale Begegnungen sind seit 1986 die bewährten Markenzeichen des IBB in Dortmund. Das IBB ist zertifizierter Träger der Erwachsenenbildung und der politischen Bildung sowie an¬erkannter Träger der Jugendhilfe. 2011 erhielt das IBB den „einheitspreis 2011 – Bürgerpreis der Deutschen Einheit“ – von der Bundeszentrale für politische Bildung. Das IBB Dortmund betreibt zusammen mit belarussischen Partnern die Internationale Bildungs- und Begegnungsstätte „Johannes Rau“ in Minsk.
Bleiberechte fördern – Neues Gremium stärkt Situation und Perspektiven von Geduldeten (PM Grüne)
In Dortmund leben ca. 2000 geflüchtete Menschen mit dem unsicheren Status einer Duldung, teilweise seit vielen Jahren. Der damit verbundene erschwerte Zugang zu Gesundheitsversorgung, zu Arbeitsstellen und Wohnungen sowie der faktische Ausschluss aus Integrations- und Sprachfördermaßnahmen führen zu einer Perspektivlosigkeit, die gravierende negative Folgen für die geduldeten Menschen und darüber hinaus auch gesamtgesellschaftlich hat. Ein neues Gremium aus Verwaltung und der Dortmunder Flüchtlingshilfe soll nun zukünftig über Ermessenspielräume für Geduldete beraten, auch in Einzelfällen. Damit wird ein Antrag der GRÜNEN Ratsfraktion endlich umgesetzt.
„Das ist ein starkes und gutes Zeichen, um mehr Geduldeten eine Perspektive zu bieten. Konsequenterweise wird das neue Austauschgremium den Namen “Bleiberechte fördern” tragen. Damit greifen wir eine langjährige Forderung der haupt- und ehrenamtlichen Dortmunder Flüchtlingshilfe auf“, freut sich Benjamin Beckmann, Ratsmitglied der GRÜNEN.
Die GRÜNE Ratsfraktion hatte bereits 2021 beantragt, vorhandene Handlungsspielräume der Bleiberechtsregelungen kommunal konsequent zu nutzen.
Die Verwaltung hat dazu in der letzten Sitzung des Ausschusses für Bürgerdienste nach langer Vorarbeit zwischen Ausländerbehörde und Flüchtlingshilfe eine Vorlage eingebracht, in der das zukünftige Verfahren erläutert wird.
Der Austausch zwischen Verwaltung und Flüchtlingshilfe soll danach anlass- und situationsbedingt bis zu viermal im Jahr erfolgen. Damit können schnell und zielgerichtet Informationen zum Thema Geduldete ausgetauscht werden. Zudem können auch Einzelfälle geduldeter Menschen beraten werden. Die Ausländerbehörde bleibt dabei in ihren fachlichen und verfahrensrechtlichen Entscheidungen frei. Für den Austausch benannt werden zwei Vertreter*innen durch die Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände, ein Mitglied der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe sowie die Leitung der Ausländerbehörde.
„Die vielen Geduldeten sind schon heute Teil der Dortmunder Stadtgesellschaft. Durch den dauerhaften und vertiefenden Austausch schaffen wir eine zusätzliche Möglichkeit, um auch in Einzelfällen über neue Perspektiven für Geduldete zu beraten und kommunale Möglichkeiten für ein humanes Bleiberecht zu nutzen. Das Austauschgremium “Bleiberechte fördern” ist ein wichtiger Schritt für die Dortmunder Flüchtlingspolitik, die wir GRÜNE weiterhin voranbringen möchten“, so Benjamin Beckmann abschließend.