Die Zuwanderung aus Südosteuropa war eines der beherrschenden Themen in Dortmund – und vor allem in der Nordstadt. Doch dann kamen die Flüchtlinge. Doch wie sieht die Situation in Dortmund aus? Die Stadt hat nun den Sachstandsbericht „Zuwanderung aus Südosteuropa 2016“ vorgelegt. Es ist der dritte umfassende Bericht zum Thema seit 2014.
Bericht listet systematisch das geschaffene Gesamtangebot auf
Er beschreibt die Situation rund um die Zuwanderung aus den EU2-Staaten Bulgarien und Rumänien und das aus vielen Maßnahmen systematisch aufgebaute Gesamtangebot, das unterschiedliche Träger gemeinsam mit dem Sozialdezernat entwickelt haben.
Er beleuchtet vor allem die Angebote, die aus beantragten Landes-, Bundes- und EU-Mitteln umgesetzt werden konnten. Sozialdezernentin Birgit Zoerner zieht ein kurzes Fazit: „Der eingeschlagene Weg ist richtig und soll konsequent weiter fortgesetzt werden. Jedoch ist vor allem der Bund in die Pflicht zu nehmen.“
Zuwanderung aus Südosteuropa hat sich moderat entwickelt
Eine der zentralen Aussagen des Berichtes ist: die Zuwanderung hat sich im vergangenen Jahr, ähnlich wie im Jahr 2014, eher moderat entwickelt. Das wird insbesondere im Vergleich mit den Städten deutlich, die seit dem Beitritt der beiden Staaten Ziel der Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien sind.
Während vor allem in Duisburg und Gelsenkirchen, aber auch in Nürnberg und Hannover die Zuwächse im Jahr 2015 deutlich über den Zuwächsen des Jahres 2014 blieben, steigen die Zahlen in Dortmund deutlich langsamer als in den Vorjahren.
Konkret waren Ende 2015 in Dortmund 7901 Menschen aus den beiden EU2-Staaten gemeldet – 1321 mehr als Ende 2014. Zum Vergleich: In München waren es Ende 2015 insgesamt 30 325 Menschen (+ 3179), in Nürnberg 13 270 (+ 2680), in Duisburg 14 368 (+3442) und in Gelsenkirchen 6207 (+ 1717).
Viele EU-ZuwandererInnen bringen keine sprachlichen und beruflichen Voraussetzungen mit
Wie in den Vorjahren belegt der Bericht, dass viele EU-Zuwanderer nicht die sprachlichen und beruflichen Voraussetzungen mitbringen, in Dortmund Fuß zu fassen. Auch sind nach wie vor viele nicht krankenversichert und haben teils nur wenige Jahre die Schule besucht. Allerdings gibt es auch Fortschritte.
„Dortmunder Konsens ist es, die Menschen, die auf Dauer in Dortmund bleiben wollen, zu unterstützen, damit sie nachhaltige Perspektiven aufbauen können. Dazu gibt es keine vernünftige Alternative“, stellt Sozialdezernentin Birgit Zoerner fest.
„Nach NRW und vor allem ins Ruhrgebiet kommen aber eher die Zuwanderinnen und Zuwanderer, die keine guten schulischen und beruflichen Qualifikationen mitbringen. Das erschwert die ohnehin große Aufgabe, die mit unserem Ziel verbunden ist, noch einmal zusätzlich.“
Die geschaffenen Angebote für die EU-ZuwanderInnen zeigen Wirkung
Zoerner stellt auch fest, dass die aufgebauten Angebote Wirkung zeigen: Vor allem die Angebote, die wir aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds des Landes aufbauen können, haben sich zu einem hervorragend vernetzten Gesamtangebot entwickelt.
„Das ist möglich, weil wir mit der ,Anlaufstelle Willkommen Europa’ eine zentrale Kompetenzstelle aufbauen konnten, in der die Zuwanderinnen und Zuwanderer ankommen, von muttersprachlichen Fachleuten beraten werden und außerdem auch alle Angebote zusammenlaufen“, so Zoerner.
Dazu gehören Soziale Arbeit und Beratung, Kompetenzfeststellung, die Sprachkurse und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen. So können die Menschen, die Hilfe suchen, schnell und kompetent in passgenaue Maßnahmen vermittelt werden.
„Das geht allerdings nur, weil sich alle Beteiligten mit unermüdlichem Engagement einsetzen. Darauf kann gar nicht oft genug hingewiesen werden“, betont die Dortmunder Sozialdezernentin.
Fünf erfahrene Träger bringen ihr Know-how in die Anlaufstelle ein
Besonders positiv wirkt sich laut Zoerner aus, dass mit Caritas, Diakonie, Grünbau, dobeq und der VHS fünf Träger ihr Know-how in die Anlaufstelle einbringen und zusammen mit der niedrigschwelligen Begegnungsstätte der AWO ihr gemeinsames Angebot immer wieder anpassen und weiterentwickeln.
Der Bericht zeigt aber auch, dass viele weitere Maßnahmen der Verwaltung und der freien Träger zum Gesamtangebot beitragen. Dazu gehören neben den muttersprachlichen Familienbegleiterinnen und dem Beratungsbus für Familien, den medizinischen Sprechstunden weitere Angebote der städtischen Fachbereiche Jugend und Schule, Gesundheit, Arbeit sowie Ordnung.
Dualer Bachelor-Studiengang „Armut und (Flüchtlings-)Migration“ ein Erfolgsmodell
Ein Erfolgsmodell ist der an der Fachhochschule Dortmund zum Wintersemester 2014/2015 eingerichtete duale Bachelor-Studiengang „Armut und (Flüchtlings-)Migration“.
Mittlerweile konnten 40 der Studierenden, die gezielt Methoden für die Soziale Arbeit mit Armutszuwandernden entwickeln, in der Verwaltung und bei unterschiedlichen freien Trägern eingesetzt werden. Bei 32 von ihnen wird der Praxisanteil aus ESF-Mitteln des Landes NRW gefördert.
„Sie alle bringen eigene Migrationserfahrungen und entsprechende Sprachkompetenzen mit und damit wesentliche Voraussetzungen, die zugewanderten Menschen zu erreichen und die Arbeit der Anstellungsträger zu unterstützen“, erklärt Birgit Zoerner.
Die kostenlose Öffnung der Integrationskurse für EU-ZuwanderInnen bewährt sich
Als weiterer guter Ansatz hat sich die kostenlose Öffnung der Integrationskurse für EU-Zuwanderinnen und Zuwanderer entwickelt, die über die Anlaufstelle in Zusammenarbeit mit den Sprachkursträgern PdL, Stadtteilschule, Internationaler Bund und VHS organisiert ist: von März bis Dezember 2015 konnten bereits 192 Teilnahmegutscheine an Interessierte ausgegeben werden, 105 davon hatten bis Ende des Jahres einen Sprachkurs begonnen.
Die Erkenntnisse aus den Angeboten bestätigen nach wie vor, dass der überwiegende Teil der Zuwanderinnen und Zuwanderer bleiben möchte und daran interessiert ist, sich sprachlich und beruflich so weiterzubilden, dass eine Arbeit aufgenommen und daraus der Lebensunterhalt für die Familie finanziert werden kann. Das scheitert häufig daran, dass am Ende der Qualifizierungskette keine Arbeitsplätze zur Verfügung stehen.
„Niedrig Qualifizierte, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund, haben kaum Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt. Das ist in Dortmund nicht anders als in anderen Städten, weil uns hier seit Jahren schlicht die Arbeitsplätze im sogenannten Helferbereich fehlen“, so Zoerner.
Zoerner: „Wir brauchen einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor“
„Dieses Problem werden wir alleine nicht lösen können. Es bleibt dabei: wir brauchen einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, in dem auch Menschen Teilhabeperspektiven gegeben werden, die trotz vielfältiger Bemühungen nicht die qualifikatorischen Voraussetzungen mitbringen“, macht sie die Herausforderungen deutlich.
„Hier bleiben wir am Ball und werden die Bundesebene nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf unsere Anstrengungen rund um die kommunale Arbeitsmarktstrategie.“
Über die von ihr initiierte und geleitete Arbeitsgruppe Zuwanderung beim Deutschen Städtetag setzt Zoerner sich gemeinsam mit weiteren deutschen Zielstädten wie Hamburg, München, Berlin und Köln dafür ein, dass der Bund die Städte in diesen Fragen sowie beim Krankenversicherungsschutz und bei wirkungsvollen Lösungen für marode Immobilien und benachteiligte Stadtquartiere nachhaltig unterstützt.
Die Kommunen brauchen mehr, unbürokratisch und flexibel einsetzbares Geld
Dafür brauchen die Städte mehr und flexibel einsetzbares Geld, das sie unbürokratisch abrufen können. Die abrufbaren Förderprogramme böten dafür, so Zoerner, keine Möglichkeit. Sie ermöglichten meist nur begrenzte Maßnahmen mit eng definierten Zielen für ganz spezifische Zielgruppen.
Die Bundesebene selbst verhindere durch ihre eigenen Förderrichtlinien die von ihr geforderten integrierten Konzepte. Auch wenn Dortmund viel aufgebaut habe, dürfe nicht verkannt werden, dass der Anteil des Bundes daran sehr gering sei.
Der Bund leitet jetzt die 2014 von ihm im Abschlussbericht des Staatssekretärsausschusses angekündigte Evaluation der dort aufgeführten Maßnahmen ein. Noch im April werden die Städte in einem ersten Gespräch mit der Bundesebene die Situation vor Ort schildern und wiederum konkrete Forderungen stellen.
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