Der Rat der Stadt Dortmund hat grünes Licht für die Modernisierung der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache gegeben. Insgesamt rund 2,7 Millionen Euro wird die Modernisierung der Dauerausstellung kosten. Der städtische Anteil beläuft sich auf rund 865.000 Euro.
Stadtarchiv kann Personal für die Neukonzeption der Ausstellung einstellen
Der Beschluss sieht nicht nur bauliche Maßnahmen vor, sondern auch Personal für die wissenschaftliche und pädagogische Konzeption.
Ein wissenschaftlicher und ein pädagogischer Mitarbeiter werden in Vollzeit für die neue Ausstellung und die Koordination befristet bis zum Ende der Maßnahme beim Stadtarchiv beschäftigt.
Darüber hinaus werden Mitarbeiter (Vollzeit verrechnet bis zu 1,5 Stellen) für wissenschaftliche Tätigkeiten und Recherchearbeiten befristet eingestellt. Die Kosten für alle Stellen sind in den Gesamtkosten enthalten.
Ausstellung entspricht nicht mehr den Seh- und Rezeptionsgewohnheiten
Seit 1992 befindet sich im ehemaligen Polizeigefängnis in Dortmund die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache. Sie ist als kommunal getragener Erinnerungsort Teil des Stadtarchivs.
Hier wird die im Kern über 30 Jahre alte Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945“ präsentiert.
Zuletzt wurde immer deutlicher, dass das Ausstellungskonzept und die Präsentation dringend überarbeitungsbedürftig sind. In den letzten Jahren besuchten regelmäßig über 20.000 Menschen die Gedenkstätte. Die Steinwache gehört damit zu den fünf größten NS- Gedenkstätten in Nordrhein-Westfalen.
Ziel einer neuen Dauerausstellung ist es, eine Gedenkstätte zu schaffen, die den aktuellen NS-Forschungsstand präsentiert. Dazu muss eine Form gewählt werden, deren Inhalte den Seh- und Rezeptionsgewohnheiten des 21. Jahrhundert entsprechen.
In diesem Zusammenhang werden die pädagogischen Angebote in einer zeitgemäßen Form ausgebaut werden. So werden sich unter anderem Schülerinnen und Schüler im Rahmen selbsterforschender Gruppenarbeit in der neuen Dauerausstellung NS-Geschichte erarbeiten.
Ort für politische und historische Bildung und Demokratieerziehung
Die Steinwache soll nach der Wiedereröffnung – noch mehr als bisher – ein Bildungsort sein, an dem historische und politische Bildung sowie Demokratieerziehung zur Stärkung unserer demokratischen Gesellschaft beitragen.
Dabei werden die heute schon vorhandenen Kooperationen mit Schulen, der Polizei, den Universitäten, anderen Gedenkstätten und zivilgesellschaftlichen Akteuren der ganzen Region und auch überregional ausgebaut werden.
Insgesamt sollen damit auch die Besucherzahlen deutlich gesteigert werden. Die neue Dauerausstellung eröffnet die Möglichkeit, eine bundesweit einzigartige Gedenkstätte zu schaffen.
Polizeigefängnis Steinwache bekommt stärkere Fokussierung auf die Rolle der Polizei
Einzelne Gesichtspunkte der Polizei im Nationalsozialismus werden zwar in verschiedenen Gedenkstätten in der Bundesrepublik thematisiert.
Zu nennen sind hier das Berliner Dokumentationszentrum Topographie des Terrors, der Geschichtsort Villa ten Hompel in Münster und das EL-DE-Haus in Köln.
Das Zusammenwirken der verschiedenen Polizeigliederungen bleibt in diesen Gedenkstätten aber im Hintergrund.
Die Steinwache, als Polizeigefängnis, wurde hingegen von allen Polizeiorganen genutzt. Die überlieferten Haftbücher und Ermittlungsakten zeigen das alltägliche Neben- und Miteinander von Schutzpolizei, Kripo, Gestapo und unterschiedlicher Hilfspolizeiformationen.
Und sie erzählen uns von der polizeilichen Zusammenarbeit mit Gliederungen der NSDAP, lokalen Behörden, Unternehmen und der Bevölkerung insgesamt.
Gesellschaftliche Einbettung des Terrors als eine Hauptleitlinie
Die NS-Forschung hat sich seit der Jahrtausendwende stark der Frage nach der gesellschaftlichen Teilhabe an der nationalsozialistischen Politik und Verfolgung gewidmet.
Vor allem über den Begriff „Volksgemeinschaft“ kam es zu einer intensiven wissenschaftlichen Debatte.
Wie sich die Frage nach der das NS-Regime tragenden Mehrheitsgesellschaft mit dem Terrorsystem der Nationalsozialisten verbinden lässt, ist allerdings noch weitgehend ungeklärt.
Das ehemalige Polizeigefängnis Steinwache, als Schnittstelle zwischen diesem reichsweiten Terrorsystem und dem Stadtraum Dortmunds, bietet hier die Möglichkeit, unter Berücksichtigung der gesamten Bandbreite polizeilichen Handelns und dessen gesellschaftlicher Einbettung eine exemplarische lokale Geschichte von Terror und Verfolgung zu zeichnen.
Umfassender Blick auf die in der Steinwache inhaftierten Menschen
Dabei stehen drei Leitlinien im Fokus.
Zunächst einmal muss ein umfassender Blick auf die zwischen 1933 und 1945 im Polizeigefängnis Steinwache inhaftierten Personen geworfen werden.
Neben den bisher schon berücksichtigten Häftlingen der Gestapo soll künftig die Gleichzeitigkeit der Inhaftierung unterschiedlicher Häftlingsgruppen deutlich gemacht werden.
Auf diese Weise werden einerseits die Schicksale derjenigen deutlich, die von polizeilicher Verfolgung betroffen waren. Andererseits werden das Wirken der Polizei, seine Entwicklung sowie das Zusammenspiel mit anderen gesellschaftlichen Institutionen veranschaulicht.
Steinwache als Schnittstelle zwischen NS-Terror und Stadtgesellschaft
Eine zweite Leitlinie fokussiert die Steinwache als zentrale Schnittstelle zwischen dem lokalen Stadtraum und dem reichsweiten Terrorsystem.
Für viele Häftlinge war die Steinwache nur die erste Station eines langen Leidenswegs durch unterschiedliche Haftorte im gesamten nationalsozialistischen Herrschaftsbereich.
Dadurch werden die räumlichen Zusammenhänge zwischen den Zentren des NS-Terrors, wie etwa den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Dachau und Buchenwald, und Dortmund aufgezeigt.
Dies veranschaulicht die unmittelbare Nähe dieser Orte des Terrors zum heutigen Wohn- und Lebensbereich und beugt dem weitverbreiteten Eindruck vor, die Verfolgung durch die Nationalsozialisten sei jenseits des eigenen Lebensumfeldes, insbesondere in osteuropäischen Gebieten, geschehen.
Gesellschaftliche Beobachtung von polizeilichen Verfolgungsmaßnahmen
Die dritte Leitlinie soll die zeitgenössische Wahrnehmung der Steinwache und die gesellschaftliche Beobachtung von polizeilichen Verfolgungsmaßnahmen durch die Stadtgesellschaft klären.
In der neuen Ausstellung werden sich sowohl der Widerständige, als auch der dem Polizeiapparat freiwillig Zuarbeitende, der Zuschauer wie der Helfer von Verfolgten finden.
Aber auch die öffentliche Wahrnehmbarkeit von Verhaftungen, öffentlichen Demütigungen und Haftaufenthalten wird in den Blick genommen. Dies ermöglicht eine differenzierte Betrachtung der nationalsozialistischen Verfolgungspraxis.
Diese wird nicht nur auf staatlichen Zwang und polizeiliches Handeln reduziert, sondern die gesellschaftliche Teilhabe breiter Bevölkerungsschichten und das dem Staat zuarbeitende Handeln nicht weniger Personen werden bewusst gemacht.
Das ermöglicht auch Reflexionen über individuelle Verantwortlichkeit und das Hinterfragen des eigenen Verhaltens im Alltag. Dadurch eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten, gerade Gruppen mit stark unterschiedlichen sozialen und kulturellen Hintergründen unmittelbar anzusprechen und das Thema Nationalsozialismus lebensnah zu diskutieren.