Ein starkes Zeichen der Zivilgesellschaft: fast 2.000 Menschen sind am Montagabend (14. Oktober 2019) gegen einen Neonazi-Aufmarsch in Dortmund auf die Straße gegangen. Anders als an den vergangenen Montagen haben nach den antisemitisch und rechtsextremistisch motivierten Angriffen in Halle jetzt vier Bündnisse gemeinsam gegen Neonazis demonstriert. Ihren Aufrufen folgten allein nach Polizeiangaben 1.600 TeilnehmerInnen. Die Neonazis brachten gerade mal 80 Personen auf die Straße, um gegen die angeordnete Untersuchungshaft ihres „Kameraden“ Matthias Drewer zu demonstrieren.
Untersuchungshaft für Dortmunder Rechtsextremisten nach Angriff mit Pfefferspray
Der bekannte Dortmunder Rechtsextremist befindet sich nach einem Angriff auf einen 27-Jährigen in Dortmund-Dorstfeld seit Samstagabend (12. Oktober) in Untersuchungshaft. Aus diesem Grund wurde der ursprünglich für die nördliche Innenstadt angemeldete Aufzug vom Anmelder der Versammlung in das Gerichtsviertel der östlichen Innenstadt verlegt und die Inhaftierung zum Thema gemacht.
___STEADY_PAYWALL___
Ersten Ermittlungen zufolge befand sich der 27-Jährige gegen 22.40 Uhr in Begleitung einer 22-Jährigen in der Nähe eines Kiosks am Dorstfelder Hellweg, als eine dreiköpfige Personengruppe auf sie zuging. Sie forderten die Passanten auf, sich von der Örtlichkeit zu entfernen. Der 27-Jährige kam mit seiner Begleiterin der Aufforderung nach, wurde jedoch von zwei der drei Personen verfolgt.
Nach einigen Metern blieben sie daraufhin stehen. In diesem Moment holte einer der Männer offenbar ein Pfefferspray hervor und sprühte in Richtung des Gesichts des 27-Jährigen. Der Mann wurde dabei leicht verletzt. Anschließend entfernten sich die Personen zu Fuß.
Eine Polizeistreife wurde umgehend auf den soeben stattgefundenen Angriff aufmerksam und verfolgte die Angreifer. Sie nahmen sowohl Matthias Drewer als auch einen 32-jährigen Neonazi in Gewahrsam. Für Drewer bedeutete der Angriff zudem einen Verstoß gegen bestehende Bewährungsauflagen. Noch am Wochenende erließ ein Richter Untersuchungshaft.
Insgesamt vier Dortmunder Neonazis sitzen derzeit in (Untersuchungs-) Haft
Der für Montagabend (14. Oktober) in der Nordstadt geplante Aufzug rechtsextremistischer Versammlungsteilnehmer wurde daraufhin durch den Anmelder abgesagt. Stattdessen meldete der Landesverband der Partei Die Rechte eine neue Demonstration in Form eines Aufzugs im Bereich der östlichen Innenstadt an.
Mit dem Aufzug sollte erneut die Inhaftierung des Dortmunder Rechtsextremisten in der Öffentlichkeit thematisiert werden. Bereits am Sonntag hatte es eine kleine Mahnwache gegeben. Ähnlich wie an den vergangenen Montagen in der Nordstadt gab es auch an diesem Abend trotz des brisanteren Anlasses lediglich eine eher überschaubare Mobilisierung.
Zusätzlich zu Ursula Haverbeck – die notorische Holocaustleugnerin sitzt derzeit in Bielefeld in Haft – sind derzeit vier Dortmunder Neonazis in (Untersuchungs-)Haft: neben Matthias Drewer ist seit einem Jahr Steven Feldmann in Dortmund Untersuchungshäftling. Zudem sind Alexander W. (JVA Werl) und Daniel E. (JVA Castrop-Rauxel) inhaftiert. Weitere Inhaftierungen von führenden Neonazi-Kadern sind absehbar – allerdings sind deren Urteile noch nicht rechtskräftig.
Nahezu störungsfreier Ablauf der verschiedenen Demonstrationen gegen die Dortmunder Neonazis
Im Zusammenhang mit der Versammlung der Rechtsextremisten schrieb die Polizei unter anderem zwei Anzeigen wegen des Zeigens eines Hitlergrußes.
Zudem wurden eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Volksverhetzung und eine Ordnungswidrigkeitsanzeige aufgrund eines Auflagenverstoßes verfasst. Der Aufzug wurde wegen des Skandierens rechter Parolen zweimal angehalten und zu ergänzenden Auflagen verdonnert.
Zu einem Zwischenfall kam es bei der Abreise einiger GegendemonstrantInnen. Nach dem sich etwa 100 GegendemonstrantInnen auf der Weißenburger Straße gesammelt hatten, machten sie sich eigenständig auf den Weg in Richtung Brüderweg. Die Gruppe rannte über die Wall-Kreuzung.
Vor dem Nazi-Bekleidungsgeschäft auf dem Brüderweg, versuchte die Polizei die DemonstrantInnen aufzuhalten. Dabei gerieten Polizei und DemonstrantInnen aneinander. Flaschen flogen und ein Demonstrant wurde in Gewahrsam genommen. Die weitere Abreise der DemonstrantInnen verlief ohne Zwischenfälle.
Der nächste Neonazi-Aufmarsch wird nicht lange auf sich warten lassen: Bis zum 23. Dezember wollen die Neonazis an jedem Montag in der Nordstadt demonstrieren.
Dann können vor allem der Arbeitskreis Dortmund gegen Rechtsextremismus und das Bündnis Dortmund gegen Rechts – die jetzt erstmals gegen die Neonazi-Aufmarschserie demonstriert hatten – ihre Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit beweisen. Denn die Nordstadt kann Hilfe im Kampf gegen die Neonazis gut gebrauchen. Zumal die Unterstützung durch die Stadtgesellschaft in den vergangenen Wochen eher sparsam ausfiel.
Abrahamsreligionen setzten ein Zeichen gegen Antisemitismus und Rassismus
Bereits am Freitagnachmittag hatte der Arbeitskreis der Abrahamsreligionen in Dortmund ein Zeichen gegen Antisemitismus und Rassismus gesetzt. Evangelische und Katholische Kirche, der Rat der muslimischen Gemeinden und die jüdische Kultusgemeinde hatten auf dem Platz der Alten Synagoge gemeinsam ihre Verbundenheit in der Sache gezeigt.
Die Religionsgemeinschaften setzten damit auch ein Zeichen der Solidarität, indem sie konzertiert auf den Mordanschlag auf die Synagoge in Halle reagierten, dem am Mittwoch zwei Menschen zum Opfer gefallen und bei dem zwei weitere verletzt worden waren.
Am „Platz der Alten Synagoge“ übergaben sie stellvertretend für die Gemeinde in Halle die Grüße an den Dortmunder Rabbiner Baruch Babaev. Dabei zeigen die VertreterInnen des Dialogkreises ihr Motto: „Wir alle sind Dortmund“. Nicht vergessen wurden bei der Gedenkaktion die nicht-jüdischen Opfer: Denn der Anschlag auf die Synagoge schlug ja fehl. Stattdessen wurden eine unbeteiligte Passantin sowie ein Gast in einer Imbissbude getötet.
Mehr zum Thema bei nordstadtblogger.de:
Großer Protest gegen den neuen Nazi-Mode-Laden in Dortmund – „Thor Steinar“-Verkauf in der City
https://www.nordstadtblogger.de/kommentar-ueber-neonazis-erwuenschte-schlagzeilen-fragwuerdige-einsaetze-und-gesellschaftliche-verantwortung/
Reader Comments
Grünen-Kreisverband Dortmund (Pressemitteilung)
Demonstration gegen Nazi-Aufmarsch: Glückwunsch Dortmund! Breiter Widerstand muss weitergehen
2000 Demokrat*innen gegen 60 Nazis – die Demonstration verschiedener Bündnisse am Montagabend gegen den rechtsextremen Aufmarsch war ein deutliches und klares Zeichen der Stadtgesellschaft gegen die Dortmunder Nazi-Szene und für Vielfalt und Demokratie. Dabei darf es aber aus Sicht der GRÜNEN nicht bleiben.
„2000 Dortmunderinnen und Dortmunder haben am Montag klar gemacht: Wir sind mehr. Und wir wollen und ertragen den Rassismus und Antisemitismus, die verbalen und körperlichen Angriffe der Rechtsradikalen in unserer Stadt nicht mehr. Es war gut, dass zum ersten Mal seit langer Zeit verschiedene Bündnisse gemeinsam demonstriert haben. Jedes dieser Bündnisse ist mit der ihm eigenen Form des Widerstands gegen Rechtsextremismus wichtig. Richtig machtvoll wird es aber dann, wenn es gelingt, gemeinsam gegen die Nazis vorzugehen. Das hat der Montagabend eindrucksvoll bewiesen“, bewertet Christoph Neumann, Kreisvorstand der Dortmunder GRÜNEN, die Demonstration „Dortmund und die Dortmunder*innen haben am Montagabend ein sehr deutliches Zeichen gesetzt. Gegen Antisemitismus, gegen Faschismus und gegen die Nazis in dieser Stadt.
Das war sehr beeindruckend, Danke und Glückwunsch Dortmund!“, so Mona Neubaur, Vorsitzende der GRÜNEN NRW.
„Es hat sich gezeigt: Wenn die Kräfte der Zivilgesellschaft gemeinsam gegen Nazis auftreten, dann wird schnell klar, wie klein und armselig die Gruppierung der Faschisten ist. Ich wünsche mir, dass dieses gemeinsame Engagement anhält, denn eins ist auch sicher: Das Nazi-Problem in Dortmund muss mit langem Atem, der vollen Härte des Gesetzes und in breiten Bündnissen bekämpft werden. Beispiele aus anderen Städten in NRW zeigen: Wo der Widerstand gemeinsam und koordiniert auftritt, haben Nazis auf Dauer keine Chance.“
Beim klaren demokratischen Zeichen von Montag darf es deshalb aus Sicht der GRÜNEN nicht stehenbleiben.
„Wir sind der Auffassung, dass insbesondere nach den rechtsextremen Morden und Anschlägen in Halle die bereits angemeldeten weiteren Nazi-Aufmärsche in der Nordstadt untersagt werden müssen. Eine entsprechende Aufforderung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen ist ja bereits an den Polizeipräsidenten gegangen. Gleichzeitig ist es wichtig, den Raum der Nazis mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu begrenzen. Es darf nicht sein, dass sie nach wie vor in ihrem Hass auf Migrant*innen, Flüchtlinge und Andersdenkende, in ihrem Rassismus und Antisemitismus auch körperliche Angriffe verüben. Deshalb muss auch bei weiteren Aufmärschen der Widerstand dagegen klar und deutlich sein“, so Christoph Neumann abschließend.