20 Jahre Bündnis gegen Rechts: „Der Feind der Demokratie steht rechts – und er ist mittlerweile staatsgefährdend“

In den 20 Jahren hat es zahlreiche Aktionen gegeben, um auf die Gefahr von Rechtsaußen hinzuweisen. Archivbilder: Alex Völkel
In den 20 Jahren hat es zahlreiche Aktionen gegeben, um auf die Gefahr von Rechtsaußen hinzuweisen.

„Da brauchen wir wohl ‘nen langen Atem!“ stellten die Aktiven des Bündnisses Dortmund gegen Rechts Anfang der zweitausender Jahre fest. Es war die Zeit, als die Nazis einen Aufmarsch dem anderen folgen ließen, als sie begannen, sich in Dorstfeld festzusetzen, und den ersten Naziladen „buy or die“ eröffneten. Heute – 20 Jahre später – ist ihnen die Puste nicht ausgegangen – und sie werden sie wohl auch weiter brauchen. „Denn der Feind der Demokratie steht rechts und die Gefahr, die von ihm ausgeht, kann nicht mehr klein geredet werden“, betont Ula Richter. Im Gegenteil: Sie hält die bundesweite Gefahr, die von Rechtsaußen ausgeht, „mittlerweile für staatsgefährdend“.

Ula Richter: „Es gibt eine Tendenz, dass die Faschisten deutlich gefährlicher geworden sind“

Seit 20 Jahren ist die 80-Jährige eines, wenn nicht das Gesicht des Bündnisses. Ihre Sorgen sind in der Zeit nicht weniger geworden, auch wenn sich vor allem lokal in Dortmund viel verändert. ___STEADY_PAYWALL___

Das Bündnis gegen Rechts und die VVN/BdA hatten die Gedenkveranstaltung am Tatort organisiert.
Das Bündnis gegen Rechts und die VVN/BdA hat mehrfach Gedenkveranstaltungen zur Erinnerung an den Mord an Thomas Schulz  organisiert. Archivbilder: Alex Völkel

„Bei allem Auf und Ab gibt es eine Tendenz, dass die Faschisten deutlich gefährlicher geworden sind“, zieht Richter ein bitteres (Zwischen-) Fazit. Damit blickt sie nicht nur lokal auf die Morde an den Polizist*innen, an Punker Thomas „Schmuddel“ Schulz und dem Kiosk-Betreiber Mehmet Kubaşık.

Sie hat insbesondere bundesweit die „Zusammenschlüsse und Zusammenrottungen“ im Blick.  Denn die Beispiele, wo sich Soldaten und insbesondere KSK-Kräfte, Polizeibeamte und Nazis verschiedener Couleur zusammentun, häufen sich. „Das ist nicht nur für die einzelnen Menschen brandgefährlich, die sich gegen Faschismus und für Geflüchtete und Demokratie einsetzen, das ist mittlerweile staatsgefährdend“, betont Ula Richter.

„Sie rüsten auf, nicht nur sprichwörtlich. Und sie horten Waffen und trainieren den Kampf. Das lange Verharmlosen, das Nicht-Sagen, dass der Feind rechts steht, dass es angeblich alles Einzeltäter sind, das kann sehr sehr blutig werden. Wenn die Verfassungsorgane nichts daraus lernen, geht das blutig aus“, ist die 80-jährige Antifaschistin im höchsten Maße alarmiert. Insbesondere auf die Gerichte und den Verfassungsschutz ist sie nicht gut zu sprechen – nicht nur wegen des früheren Chefs Hans-Georg Maaßen. 

20 Jahre Bündnis gegen Rechts: „Was wir machen, ist absolut notwendig und richtig“

Ula Richter vom Bündnis Dortmund gegen Rechts
Ula Richter vom Bündnis Dortmund gegen Rechts.

Sie sieht daher keinen Grund für Optimismus, aber auch nicht für Resignation: „Was wir machen, ist absolut notwendig und richtig“, blickt sie auf das 20-jährige Bestehen des Bündnisses gegen Rechts in Dortmund. Noch immer nicht verdaut hat sie die „Abspaltung“ des Arbeitskreises gegen Rechts, wo insbesondere Kirchen und DGB dem Bündnis den Rücken gekehrt hatten. 

Doch diese Lücken sieht sie längst gefüllt. Immer wieder seien neue Gruppen und Menschen hinzu gekommen. Anders als beim Arbeitskreis können im Bündnis auch Privatpersonen mitmachen. Überhaupt Stichwort Bündnisse – in den 20 Jahren haben sich neue Zusammenschlüsse gebildet und teils auch wieder aufgelöst. Andere wie BlockaDO hatten und haben Bestand. Neue, wie „Nordstadt gegen Rechts“, sind hinzugekommen.

Sehr positiv bewertet Ula Richter das Engagement der Koordnierungsstelle im Rathaus und insbesondere das Engagement von Hartmut Anders-Hoepgen, der sein Amt als Sonderbeauftragter Anfang des Jahres altersbedingt aufgegeben hatte. „Dieses Engagement war ein Glücksfall für die Stadt.“  Die Zusammenarbeit auch zwischen den Gruppen habe sich dadurch verbessert. 

„Die Koordinierungsstelle hat alle Beteiligten an einen Tisch geholt, so unterschiedlich man auch war. Aber in diesem Punkt – dem Einsatz gegen Faschismus – sind sich alle einig. Das ist sehr gefördert worden und wir sind weitergekommen. Das halte ich für einen Glücksfall und eine Großtat“, so die Bündnis-Sprecherin.

Lob für die Dortmunder Polizei und Hoffen auf stärkere Mobilisierung gegen Rechts

Demo gegen Naziläden wie hier am 20. Mai 2006 gab es viele. Nicht alle waren so gut besucht.
Demo gegen Naziläden wie hier am 20. Mai 2006 gab es viele. Nicht alle waren so gut besucht.

Die Stadt und die Zivilgesellschaft sei inzwischen aufgewacht und sensibilisiert. „Das hat man im letzten Oktober gemerkt. Aber wenn 2000 auf die Straße gehen, sind das eben noch keine 20.000“, sagt sie mit Blick auf die Mobilisierungszahlen selbst nach den Anschlägen von Halle oder Hanau. 

Viel Lob – und das ist eher ungewöhnlich von einem antifaschistischen Bündnis – gibt es für die Arbeit von Polizeipräsident Gregor Lange: „Was Lange mit der SOKO Rechts macht, geht alles in die richtige Richtung“, betont Richter, wenngleich sie polizeiliche Ankündigungen wie „man weiche keinen Millimeter zurück“ als „etwas großmäulig“ empfindet.  

„Aber die Polizei macht allerhand, wird aber eher von der Justiz zurückgeholt wie zuletzt beim Verbot der Videobeobachtung oder der Aufhebung von Auflagen und Verboten bei Versammlungslagen durch die Verwaltungsgerichte. Die Dortmunder Polizei wäre durchaus effizienter, wenn ihr von den Gerichten nicht immer Daumenschrauben angelegt würden.“

Doch das Engagement zahle sich aus: Auch wenn Dortmund oft medial als „Nazi-Hochburg“ bezeichnet wird, sind die rechtsextremen Straftaten in Dortmund gegen den Landestrend rückläufig. „Die Neonazis mussten zurückrudern, sie haben ihre Kräfte überschätzt. Aber das sind Momentaufnahmen, in der Tendenz bleiben sie gefährlich“, so Richter.

„Kreativ gegen Rechts“ als ein Markenzeichen des Bündnisses gegen Rechts

Der ehemalige Neonaziladen „Donnerschlag“ wurde von Aktiven des Bündnisses, Schüler*innen und HSP-Beschäftigten farblich umgestaltet.

Daher muss der Kampf gegen den Faschismus auch künftig weitergehen. Ula Richter gehört dabei zu den Menschen, die sich immer für einen kreativen und künstlerischen Umgang eingesetzt haben.

„Kreativ gegen Rechts ist unser Markenzeichen. Neben vielen Kundgebungen und Gegendemonstrationen setzt das Bündnis auch auf eigene Aktionen, die zum Nachdenken und Mitmachen anregen. Und zuweilen auch Spaß machen“, sagt sie mit Blick auf das Überstreichen der kackbraunen Fassade des Nazi-Ladens „Donnerschlag“ mit himmelblauer Farbe, oder der „Frühjahrsputz gegen Nazischmutz“ gemeinsam mit Schüler*innen.

Unvergessen auch die „Scherbenspur“ zum Gedenken an die Reichspogromnacht, eine Installation von weißen Koffern und Schuhen auf schwarzem Tuch zum 27. Januar oder das Lesen aus verbrannten Büchern zum Jahrestag der Bücherverbrennung. All das sind Beispiele von Aktionen im öffentlichen Raum.

Politik und Kultur prägen die Feste und Veranstaltungen, so wie bei „Solidarität Grenzenlos“, einem der Soli-Konzerte mit und für Flüchtlinge. Immer verbunden damit ist auch ein klares Nein zum Krieg – der Geist der Friedensbewegung prägte von je her die Friedensaktionen und Feste.

20 Jahre Engagement gegen Rechts sind ein Grund zum Feiern für die Aktiven

Bei allen Sorgen sind 20 Jahre Bündnis Dortmund gegen Rechts für die Aktivistin der ersten Stunde auf jeden Fall ein Grund zum Feiern – wenn auch Corona-bedingt nur im kleinen Rahmen mit den Aktivposten des Bündnisses. Ula Richter ist dabei nicht die Einzige, die fast ununterbrochen dabei ist. 

An die 20 Jahre Bündnis gegen Rechts erinnert diese reich bebilderte Dokumentation. Foto: BDgR
An die 20 Jahre Bündnis gegen Rechts erinnert diese reich bebilderte Dokumentation. Foto: BDgR

„Wir sind eine eingeschworene Gruppe geworden, die ganz regelmäßig arbeitet. Neue Aktive und Gruppen sind dabei immer willkommen.“ Sie hat es in den 20 Jahren immer gegeben. So sind es in jüngster Zeit vor allem die Seebrücke und die Flüchtlingspaten gewesen, die neu hinzugekommen sind und sich einbringen. Deutlich kleiner ausfallen musste wegen der Corona-Auflagen die Veranstaltung zum 8. Mai.

„Das Befreiungsfest haben wir ja nicht so groß wie vor fünf Jahren machen können“, bedauert Richter. Doch die Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der nationalsozialistischen Bücherverbrennung sei ehr gelungen gewesen. „Die Menschen hatten Tränen in den Augen. Sie waren mitgerissen von den Schicksalen der Künstler*innen und Wissenschaftler*innen, die ihren Einsatz mit ihren Leben bezahlt haben.“ 

Daher – und weil die Probleme nicht gelöst sind – will das Bündnis Dortmund gegen Rechts auch weitermachen. 20 Jahre vorausschauen möchte die 80-Jährige nicht. Doch sie ist sich sicher, dass das Bündnis auch die nächsten zehn Jahre noch gebraucht werde. Sie hofft nicht, dass sich ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigen. Doch dann würden noch ganz andere Aktivitäten benötigt….

 

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