Die Fahndungsplakate in den Fenstern der Polizeiwache Nord verhiessen nichts Gutes beim Start der zweiten Nordwärts-Wanderung durch die Nordstadt. Schließlich stand ein Rundgang durch das Viertel rund um Nordmarkt im Programm, dem Viertel mit den größten sozialen Verwerfungen im Stadtbezirk Innenstadt-Nord.
Die Stärken der Wanderung waren die Beiträge von Menschen, die im Quartier wohnen
Bei näherer Betrachtung stellt man jedoch fest, dass die Tatorte der kapitalen Verbrechen allesamt außerhalb der Nordstadt liegen. Dennoch gibt es im Quartier viele beklagenswerte Zustände und auch Kriminalität, die jedoch vielfach ihre Ursachen in der vorherrschenden Armut hat.
Prostitution, Drogenhandel und Einbruchsdelikte sind da zu nennen. Paralell dazu findet man aber auch viel bürgerschaftliches Engagement, verantwortungsvolles wirtschaftliches Handeln und viele reizvolle Straßenzüge mit überraschenden Einblicken in nahezu idyllische Hinterhöfe.
Um es vorweg zu nehmen, die Stärken der Wanderung waren die Beiträge von Menschen, die im Quartier wohnen, arbeiten und ehrenamtlich aktiv sind und an den jeweiligen Haltepunkten die Besucherinnen und Besucher mit ihren Erfahrungen aus dem direkten Lebensumfeld konfrontierten.
Im „Bunten Garten Nord“ lernen Kinder aus aller Welt spielerisch Regeln und Sprache
Geführt wurde diese Wanderung von Quartiersmanagerin Jana Heger und ihrem Kollegen Martin Gansau. Den gut zwanzig Wanderern schlossen sich auch Bezirksbürgermeister Dr. Ludwig Jörder und Brigitte Jülich aus der Bezirksvertretung an.
Über die Münsterstraße ging es schnurstracks zum Spielplatz an der Düppelstraße im Schleswiger Viertel. Auf dem Gelände befindet sich der „Bunte Garten Nord“.
Ehrenamtliche und Waldorf-Pädagogen vom Verein „Bunte Schule Nord“ kümmern sich hier zweimal in der Woche um die vielen Kinder aus aller Herren Länder. Es wird gespielt, gebastelt aber vor allem gegärtnert.
So werden den Kindern spielerisch Sprache und Regeln und der Umgang mit Werkzeugen nahegebracht. Keine einfache Aufgabe für die Engagierten, zudem Vandalismus auch hier nicht selten für Beeinträchtigungen in der Gestaltung des Garten sorgt.
Baumscheibenpaten führen stetigen Kampf gegen den Hundekot und den Müll
Ebenfalls ein Projekt gärtnerischer Natur ist der Bürgergarten Kleine Heroldwiese und die Baumscheiben im Brunnenstraßenviertel. Hier sind Edeltraud Pohl und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter von der Bürgerinitiative Brunnestraßenviertel mit Pflanzstock und Gießkanne unterwegs.
Die einstmals triste Rasenfläche wurde als Hundeklo benutzt, Müll und Spritzen waren dort, wie auch an den Baumscheiben, immer wieder zu finden. Nun präsentiert sich das Grundstück als kleine Oase inmitten der dichten Bebauung. Weidenzäune grenzen das Terrain ab.
In den Pflanzkästen wachsen frische Küchenkräuter. Kindergärten und Schulen aus dem Umfeld haben Patenschaften für die Rabatte übernommen.
Seit dem die Aktiven so emsig das Grün bearbeiten sind auch die Drogenhändler und Konsumenten verschwunden, die die Baumscheiben oft als Versteck genutzt haben. Geblieben sind häufige Müllablagerungen und die uneinsichtigen Hundehalter die regelmäßig ihre Vierbeiner in die Beete scheißen lassen.
„Da fragen wir uns oft warum wir dass überhaupt machen“ beschreibt Edelgard Pohl diese Sisyphosarbeit. „Aber wir machen weiter“, gibt sich die vitale Seniorin entschlossen.
Die Innenhöfe im Quartier rund um den Nordmarkt haben „es in sich!“
Weiter geht es zur nächsten Station, dem Schüchtermann-Karree zwischen Mallinckrodt-, Born-, Alsen- und Schüchtermannstraße.
Die Blockrandbebauung mit fast zweihundert Wohnungen ist zu Beginn des letzten Jahrhunderts gebaut worden und zeichnet sich durch ihre gründerzeitlichen Fassaden aus.
Vor dem Eingang zum Innenhof erwartet Christian Schmitt die Spaziergänger. Schmitt selbst wohnt hoch über der Mallinckrodtstraße in den Häusern.
Der Geschäftsführer der Julius Ewald Schmitt GbR berichtet den überraschten Besuchern über die Geschichte der Sanierung und die Neugestaltung des Innenhofs der repräsentativen Bebauung in unmittelbarer Nähe des Nordmarktes.
Der komplette Innenhof wurde entkernt, trennende Mauern und alte Wirtschaftsgebäude abgerissen. Entstanden ist ein 4000 Quadratmeter großes Areal mit vielen Spielmöglichkeiten für die Kinder der Mieter und hoher Aufenthaltsqualität für die erwachsenen Bewohner.
Das Karree ist ein Beispiel dafür, wie das Engagement von Hauseigentümern für stabile Strukturen im Stadtteil sorgen kann. Durch ein Tor zur Alsenstraße hin, entlässt Schmitt die Wanderer auf ihrer weiteren Wanderung.
Gut funktionierende Nachbarschaft fühlt sich mit ihren Sorgen nicht ernst genommen
An der Stollenstraße wagen sie einen Blick in einen weiteren schönen Innenhof. In der THS-Siedlung, wie sie immer noch genannt wird und die heute im Besitz der VivaWest ist, existiert ein gute funktionierende Nachbarschaft.
Das sieht man auf den ersten Blick, die langjährige Bewohnerschaft hat aus den Gärten innerhalb der Blockbebauung ein kleingärtnerisches Idyll geschaffen.
Jeder der 200 Mieter darf eine Parzelle nach seinem Gusto gestalten.
Die Gemeinschaft und der Zusammenhalt funktioniert und man feiert auch zusammen. So wie Gabriele Löffler, die am Eingang auf ihre Geburtstagsgäste wartet und ganz spontan dem unangemeldeten Besuch Auskunft erteilt.
„Es macht keinen Spaß, morgens in seinem Garten Spritzen und gebrauchte Kondome aufzusammeln“
Die Oase in der Nordstadt ist bedroht. In den versteckten Kellereingängen wird Prostitution betrieben. Junkies nutzen die Abgeschiedenheit für einen Schuss.
„Es macht keinen Spaß morgens in seinem Garten Spritzen und gebrauchte Kondome aufzusammeln“, ist die Mieterin wütend.
Dazu kommt noch dass die Lauben von Dieben heimgesucht werden mit den entsprechenden Zerstörungen durch den Einbruch.
Bitten der Bewohner um höhere Zäune an den Eingängen zum Innenhof stießen bei der Wohnungsgesellschaft auf wenig Resonanz. Die Errichtung eines besseren Schutzes wird als zu teuer angesehen.
„Wir fühlen uns mit unseren Sorgen nicht ernst genommen“, ärgert sich Gabriele Löffler. Die Frau, die schon immer hier gewohnt hat, spielt mit dem Gedanken mit ihrer Familie weg zu ziehen.
„Der Lange August hieß eigentlich Kurt Schmidt und war ein Dortmunder Widerstandskämpfer“
Die nächste Station, ist das soziokulturelle Zentrum „Langer August“ in der schönen Braunschweiger Straße mit ihren vielen denkmalgeschützten Häusern im Jugendstil.
Der Innenhof des Zentrums ist auch ein Kleinod. Hoher Bambus steht dicht an der Mauer. Darunter laden Tische und Stühle zum Verweilen ein.
„Der Lange August hieß eigentlich Kurt Schmidt und war ein Dortmunder Widerstandskämpfer“, weiß Christian Aue über den Namensgeber der Einrichtung zu berichten.
Aue ist selbst in einer der vielen Initiativen, die im Haus eine Heimat gefunden haben, aktiv. Er zeigt den Wanderern die Räumlichkeiten mit der Bühne, der Bar und dem angrenzenden Wintergarten. Das freie Kulturzentrum existiert schon seit 1979.
Christian Aue klappert mit einem großen Schlüsselbund, er könnte noch mehr zeigen: Seminarräume, Büros und das „Jankas“, das gastronomische Angebot im Hause, dass für seine Qualität weit über die Grenzen der Stadt bekannt ist.
Doch die Zeit ist knapp geworden. Die gut zweieinhalb-stündige Wanderung endet an den innovativen Wohnungsbauprojekten Libellensiedlung und Beginnenhof. Viel zu sehen und vor allem zu hören gab es auf der Wanderung durch das Quartier rund um den Nordmarkt.
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