Von Klaus Winter
Die jüdischen Mitbürger:innen im Dortmund des 19. Jahrhunderts begruben ihre Toten auf einem an den ehemaligen „Westentotenhof“, dem heutigen Westpark angrenzenden Friedhof, dessen einstige Lage heute nur noch durch einen Gedenkstein angedeutet wird. Im letzten Quartal des 19. Jahrhunderts näherte sich dieser jüdische Friedhof der Vollbelegung, und Mitte der 1880er Jahre wurde er für weitere Bestattungen geschlossen. Als neuer Begräbnisplatz wurde der einige Jahre zuvor eröffnete Ostfriedhof festgesetzt.
Evangelische, katholische und jüdische Gräber auf einem Friedhof
Evangelische und katholische Verstorbene wurden auf dem 1876 eröffneten Ostfriedhof nicht in separaten Abteilungen bestattet. Vielmehr fanden die Beisetzungen in der Reihenfolge statt, in der sich die Sterbefälle ereignet hatten. ___STEADY_PAYWALL___
Als beschlossen war, die jüdischen Bestattungen auf dem Ostfriedhof vorzunehmen, zog man zunächst in Erwägung, Jüd:innen neben Christ:innen zu bestatten. Doch die Überlegung wurde rasch fallengelassen, weil Stadt und Synagogengemeinde übereinstimmend zeigten, dass gegen die so entstehende Vermischung in der christlichen Bevölkerung eine „unzweifelhaft vorhandene Abneigung“ bestehe.
Feld 14 auf dem Ostfriedhof blieb jüdischen Bestattungen vorbehalten
Für die Verstorbenen jüdischen Glaubens wurde auf dem Ostfriedhof deshalb ein eigener Bereich reserviert. Hierbei handelt es sich um das an die südliche Friedhofsgrenze stoßende Feld 14. Das Feld war aufgeteilt in einen Sektor für Reihenbegräbnisse von Erwachsenen und eines für Kinder.
Ferner wurden an den Rändern und dem durch das Feld führenden Hauptweg Familiengruften angelegt. Solche hatte es auf dem jüdischen Friedhof im Westen nicht gegeben.
Die erste Bestattung fand unter starker Beteiligung statt
Die erste Beerdigung auf dem Feld 14 fand 1885 statt. Bei der Verstorbenen handelte es sich um die 38jährige Mathilde Elias geb. Kronenberg. Sie war die Ehefrau des Kaufmanns Benni Elias, Teilhaber der Firma S. Elias, Manufaktur- und Modewaren am Westenhellweg 67 und Mutter von vier Kindern. Ihr Todestag war der 19. November 1885.
Der Tagespresse war das erste jüdische Begräbnis auf dem Ostfriedhof ein kleiner Bericht wert. Demnach nahmen nicht nur viele Freunde und Bekannte der Verstorbenen, sondern fast die ganze jüdische Gemeinde einschließlich der Schulkinder an der Beisetzung teil.
Grabmal war immer vorhanden, aber verborgen
Wo sich die älteste jüdische Grabstätte auf dem Ostfriedhof befand, konnte zwar vermutet werden. Aber sie war lange Zeit nicht zu erkennen, denn kein Grabmal deutete auf Mathilde Elias hin. Tatsächlich ist es aber noch immer vorhanden.
Eine einzige geradlinige Kante verriet ihre Position unter einer Schicht aus Laub und anderem verrottenden Material. Mit einer Bürste konnte die Schmutzschicht beseitigt werden. Eine halbe Gießkanne Wasser reinigte die Oberfläche weitestgehend.
Schöne Grabplatte ist leider in mehrere Stücke zerbrochen
Die Grabplatte zur Erinnerung an Mathilde Elias ist im Laufe der Zeit in mehrere Teile zerbrochen. Die obere rechte Ecke ist wohl verloren.
Trotz ihrer massiven Beschädigungen lobt die Arbeit noch jetzt den Steinmetz, der sie schuf: eine schön ausgeführte erhabene Inschrift in einem ovalen Rahmen auf einer rechteckigen Grundfläche mit floralen Zierelementen in den vier Ecken.
Bohrlöcher oder andere Befestigungsmöglichkeiten sind nicht erkennbar. Deshalb ist zu vermuten, dass die Platte auf einer schrägen Unterlage („Pult“) angebracht war. Ein Fundamentrest stützt diese Vermutung.
Letzte Ruhestätte von Benni Elias ist derzeit nicht bekannt
In dem Grab auf dem Ostfriedhof wurde bei Mathilde Elias nach Unterlagen von „Friedhöfe Dortmund“ 1890 der einjährige Reinhold Elias beigesetzt. Der Witwer Benni Elias hatte also ein zweites Mal geheiratet. Wo er selber seine letzte Ruhestätte fand, ist im Moment nicht bekannt.
Hintergrund:
„Jüdische Identität, jüdisches Leben und jüdische Friedhöfe in Dortmund“
- Der Historische Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark e. V. (gegr. 1871) ist Träger des Projekts „Jüdische Identität, jüdisches Leben und jüdische Friedhöfe in Dortmund“.
- Ausgehend von einer wissenschaftlich fundierten Bestandsaufnahme aller historischen jüdischen Friedhöfe im Stadtgebiet sollen neue Erkenntnisse über das Leben und Wirken jüdischer Mitbürger gewonnen und dokumentiert werden.
- Das Projekt wird gefördert mit Mitteln aus dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen („Heimatzeugnis“).