Ausstellung „Panta Rhei“ und Talk zum Jubiläum

100 Jahre Waschkaue: Das Künstlerhaus Dortmund auf den Spuren der Transformation

Künstlerhausleitern Pia Wojtys moderiert den Jubiläumstalk mit Antje Hassinger (Gründungsmitglied des Künstlerhauses), Achim Zepezauer (Kurator der aktuellen Ausstellung Panta Rhei), Norbert Grondorf (Bergmann a.D.) sowie Dr. Ingo Wuttke (Ruhr Museum Essen) / v.l. Im Hintergrund ein Teil der Arbeit „Die Grenzen meines Körpers“ von Hanna Melnykova und Vera Vorneweg. Daniela Berglehn | Nordstadtblogger

„Panta Rhei. Alles fließt“, unter diesem Titel beschäftigt sich die neue Ausstellung im Dortmunder Künstlerhaus mit dem Thema Transformation. Es ist die dritte Ausstellung zum Jubiläum des Hauses, das 1924 als Waschkaue errichtet wurde. Sie versammelt Künstler:innen zum Thema – gleichzeitig nahmen Akteure von gestern und heute die Geschichte des Hauses selbst in den Blick.

Waschkaue, Arbeitsamt, Fachhochschule – das Künstlerhaus entsteht

Blick ins Archiv. Der Umbau des Hauses erfolgte 1987 mit Mitteln des Landes NRW, der Stadt und der Sparkasse Dortmund Archiv Künstlerhaus

Antje Hassinger erinnert sich noch gut, wie sie Anfang der 80er Jahre zum Studium nach Dortmund kam. Damals war die Fachhochschule im Gebäude am Sunderweg 1 und Hassinger wollte Objekt-Design studieren. Erst war sie geschockt: marode Strukturen, rauer Putz und draußen donnerten die LKW vorbei – aber dann war sie „schnell verliebt in all die Möglichkeiten, die das Haus bot.“

Als die ersten Abrissgerüchte aufkamen war ihr klar: „Diesen Ort muss man bewahren.“ Es begann die Zeit des „Ämterwahnsinns“ und der basisdemokratischen Entscheidungsprozesse – beides durchaus herausfordernd, erinnert sich die Künstlerin, aber es hat sich gelohnt. Seit 1983 ist das Gebäude nun Künstlerhaus und aus der Stadt nicht mehr weg zu denken. ___STEADY_PAYWALL___

Die Spuren der Geschichte verschwinden langsam, aber sie bleiben spürbar

Spielt es heute noch eine Rolle, dass hier mal eine Waschkaue war? Geschäftsführerin Pia Wojtys schätzt die „Patina des Hauses“ und versichert, auch Gast-Künstler:innen fragen immer wieder nach der Geschichte des Ortes. Der Schachtzugang zur alten Zeche Westphalia ist heute zwar zugemauert, aber bei der einen oder anderen Ausstellung noch sichtbar.

Der Gang vom Dortmunder Künstlerhaus zur Zeche Westphalia ist längst zugemauert. Detlef Konnert / Jens Sundheim

Sonst gibt es nur wenige Spuren im Haus, denn diese Waschkaue folgte einem veralteten Prinzip, weiß Norbert Grondorf. Der Bergmann a.D. war früher für den Arbeitsschutz zuständig und Standards wie die Unterteilung in Weißkaue und Schwarzkaue sowie separate Duschen gab es erst spät.

Die 1924 erbaute Waschkaue verfügte wahrscheinlich nur über Badewannen und Bassins – die Nutzung getrennt nach einfachen Arbeitern und den in der Hierarchie höher stehenden Steigern. Gut zu sehen ist das auch in den historischen Plänen, die aktuell im Haus ausgestellt sind.

Tansformation und Metamorphose – wie radikal ist der Wandel?

Achim Zepezauer gehört eher zu den neuen Mitgliedern des Hauses. Er kam über das Musikformat mex und sagt „so einen Ort für Musik gibt es in ganz NRW nicht“. Gemeint ist der Keller und hier hat Zepezauer auch seine persönliche Transformationsgeschichte platziert.

Fast schon ein Symbol-Film für den Wandel im Künstlerhaus: Zbig Rybczynski’s Live Action Animation „Tango“ aus den Jahr 1980. Presse Dortmunder Künstlerhaus

Zepezauer ist Kurator der aktuellen Ausstellung und im Keller ist ein Re-Mix von Bernd Herzogenraths „(c)ovid’s metamorphoses“ zu sehen. Während der Pandemie lud Herzogenraht Künstler:innen aus aller Welt zu einer Art „Kettenbrief“ ein.

Zepezauer war Teil der Metamorphose 16, schickte seinen Impuls an einen US-Schriftsteller, dieser leitet seine Reaktion an einen anderen Künstler weiter und so fort. Für die Ausstellung hat Zepezauer nun die Filmbeiträge aller Metamorphosen  neu zusammengestellt und damit der Aktion von 2021 noch eine Art Sahnehäubchen verpasst.

Wenn das Eis schmilzt, kommen auch neue Welten zum Vorschein

Vernissage-Besucherinnen vor dem Fotogramm „Head of Roses“ der Künstlerin Anna Katharina Scheidegger Jens Sundheim

Andere Künstler:innen der Ausstellung interpretieren das Thema Transformation weniger radikal. Der Ausgangspunkt für den Wandel, ist bei ihnen durchaus noch erkennbar und das ist manchmal berührend und melancholisch wie bei Anna Katharina Scheidegger und manchmal auch anarchistisch und befreiend wie bei Yasin Wörheide.

Scheidegger macht in ihren Fotogrammen Schmelzvorgänge von Eis sichtbar und will den Fokus auf die Schönheit dieses Prozesses und nicht auf die Trauer über schmelzende Gletscher legen. Ihr Foto „Head of Roses“ zeigt den aus Eis geformten Kopf der Künstlerin, in den Pflanzen eingeschlossenen sind. Wenn das Eis schmilzt, werden die Blumen sichtbar und so macht ein Ding dem anderen Platz.

Alles im Fluß: Ein respektloser Ritt durch die Kunstgeschichte

Auch Yasin Wörheide erkennt in den Dingen, die ihn umgeben Neues. Für die Ausstellung haucht er Kloschüsseln, alten Telefonen, Buffetplatten und Fischdosen neues Leben ein.

Yasin Wörheide mit einer seiner transformierten Toilettenschüsseln aus der Serie „Quellgötzen“ Daniela Berglehn | Nordstadtblogger

Respektlos nutzt er sie für einen Ritt durch die Kunstgeschichte, platziert die Madonna in der Sardinen-Öl-Dose, malt Matisse- oder Goya-Motive auf kaputte Handydisplay und ringt der längst zu Ende interpretierten Klo-Schüssel-Idee Duchamps eine weitere Variante ab: eine ganze Serie von „Quellgötzen“ ist entstanden, jeder Charakter liebevoll gestaltet und einer schräger als der andere.

Für daheim gibts außerdem einen Aufkleber mit der Signatur des berühmten Klo-Vorbilds. So lässt sich auch das heimische Bad zum Kunst-Örtchen transformieren.

Am Ende ist die Frage: Wer transformiert hier eigentlich wen?

So transformieren wir – hier natürlich die Künstler:innen – aktiv Objekte und unsere Umgebung andererseits werden wir selbst Gegenstand des Wandels.

Besucherin mit der KI-Installation „FormFromFormFromForm“ der RaumZeitPiraten Jens Sundheim

Das Kollektiv RaumZeitPiraten führt den Besucher:innen dazu mit einer interaktiven Installation den Einfluss Künstlicher Intelligenz auf die Entstehung neuer Formen vor. KI formt neue Formationen, formt von Form zu Form und so weiter. Was geben wir hinein in diesen Schöpfungsprozess?

Auch Hanna Melnykova und Vera Vorneweg loten Grenzen aus: Die des Körpers und zugleich die von Bild und Text. Die Schwarz-Weiß Aufnahmen von Frauenkörpern sind teilweise mit roten Texten überschrieben, die von Schmerz und Verlust handeln. Betrachtet man sie durch einen Farbfilter, verschwindet die Schrift. Haben wir es noch selbst in der Hand? Ist es eine Frage der Perspektive?

Das Rad als Symbol zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Aus dem Nebenraum erklingt derweil das Klopfen aufeinander schlagender Hölzer. Ein Rad dreht sich unermüdlich. Irene Pérez Hernández hat es aus verschiedenen Holz-Hämmern gestaltet, die sie in einer Klempnerwerkstatt im Schwarzwald gefunden hat. Ein Schlag folgt dem nächsten – monoton, aber auch irgendwie beruhigend.

Besucherinnen der Vernissage vor der Arbeit der Künstlerin Irene Pérez Hernández. Jens Sundheim

Wheel Series III heißt das Objekt und das Rad ist für sie ein „Symbol der Transformation, das zwischen Alt und Neu, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft oszilliert“, so der Pressetext. 

Das Rad, es dreht sich weiter und immer weiter – keine Ahnung, wohin das führt. Im Dortmunder Künstlerhaus machen sie aber jedenfalls auch erstmal weiter. Gut so.

Weitere Informationen: 

  • Die Ausstellung läuft noch bis zum 7. Juli 2024, geöffnet Donnerstag – Sonntag, 16 – 19 Uhr
  • Künstlerhaus Dortmund, Sunderweg 1, 44147 Dortmund / Website Künstlerhaus Dortmund
  • Anfragen für Führungen für Gruppen oder Schulklassen per E-Mail an buero@kh-do.de.

Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

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