Von Sonja Neuenfeldt
Eigentlich ist es wie im Digitalen: Alles geht zurück auf zwei einfache Elemente. Die Zahlen Null und Eins. Genau das ist der Ausgangspunkt für das neue „0+1“ (Nullpluseins) Festival für Diversität und Komplexität. Dieses Festival soll einen Raum bieten, um über die Selbstverständlichkeit von Diversität und Komplexität zu sprechen. Der eigene Erfahrungsraum ist endlich. Der persönliche Wissenshorizont ist es auch. Zum Ändern braucht es die Bereitschaft und das Vertrauen, um die Erfahrungen und das Wissen der Anderen zuzulassen – um den eigenen Horizont zu erweitern.
Viele Akteur:innen machen das erste „Nullpluseins“-Festival erst möglich
Sichtbarkeit ist entscheidend, um diese Prozesse in Gang zu setzen. Damit bringen die drei Frauen des Organisationstrios die Motivation für das Festival auf den (Ausgangs-) Punkt: Expert:innen mit ihren Themen sichtbar machen.
„Festival“ – das Wort klingt nach Routine. Davon ist sicher bei der ersten Ausgabe von Nullpluseins noch nichts vorhanden. Die Leiterin des Bildungswerks, Kati Stüdemann, formulierte es am vergangenen Donnerstag bei der Vorstellung der neuen Eventwochen mit einer guten Portion Pathos: „Der Samen ist in der Erde, jetzt muss die Idee wachsen.“
Das Nullpluseins Festival ins Leben gerufen und es „machbar“ werden lassen, haben: Antje Krah und Gisela Reppel, Bildungsberaterinnen und pädagogische Mitarbeiterinnen des Bildungswerks sowie Kati Stüdemann, die Leiterin des Bildungswerks Vielfalt.
„Uns im Bildungswerk ist wichtig, daß alle Dozent:innen ein Honorar bekommen. Sie haben aber vorher mit dem Festivalteam ihr Wissen geteilt und das völlig kostenfrei.“ Die Themen der einzelnen Events, erläuterte Kati Stüdemann, entstanden gemeinsam aus der Expertise und den Erfahrungen der Ideengeber:innen und der Organisator:innen. Die nötigen Netzwerkstrukturen sind hier in Dortmund sowieso vorhanden und gut sind sie auch.
Die Kooperationspartner des Nullpluseins Festivals sind das Schauspiel Dortmund, das Dortmunder U, der Jazzclub Domicil und das Literaturhaus Dortmund. Sie haben ihre Räume geöffnet für die Expert:innen und ihre Themen.
Vier Strukturen des Festivals und ein Programm mit neun plus eins Veranstaltungen
Die „Living Library“ ist ein lebendiges Archiv. Hier werden Menschen mit ihren Haltungen, Erfahrungen und ihrer Expertise sichtbar. Sie ist quasi der zehnte Programmpunkt innerhalb des Festivals, und zwar als Online-Veranstaltung. Diese Bibliothek wird ständig erweitert und sie besteht auch ganz unabhängig vom neuen Festival. Für das Festival jedoch stellt sie eine der vier Strukturen dar, auf denen es aufgebaut ist.
Zwei weitere Strukturen sind das „Zuhören“ und das „Begegnen“. Eine Grundlage jeglicher menschlichen Kommunikation ist das Zuhören. Das Begegnen von Menschen ist ein Zusammenspiel aus deren Erfahrungen und deren Wissen. Dieser Prozess ist immer in Bewegung. Die Selbstverständlichkeit von Diversität und Komplexität wird dadurch erst ermöglicht.
Eine weitere, vierte Struktur ist das „Sehen“ und ist einer unserer wichtigsten Zugänge zur Welt, gerade im Kontext Digitalität. Die wichtigsten Fragen sind für uns aktuell: Wer wird gesehen und wer ist ungesehen? Warum ist das (noch) so? Wie können wir das ändern?
Welche Zukunftsfragen brauchen wir? – „Demokratiekunstwerk“ und Expert:innentalk
„Ja Ja Ja, Nee Nee Nee“ – Das Bildungswerk Vielfalt hatte im wegen Corona Zuschauer-leeren Dortmunder Schauspielhaus in Anlehnung an ein Kunstprojekt von Joseph Beuys ein „Demokratiekunstwerk“ darstellen und einsprechen lassen.
Vorausgegangen war der Aktion im Schauspielhaus ein Workshop des Bildungswerks unter dem Motto: „Welche Zukunftsfragen brauchen wir?
Die Audioaufnahme wird über Lautsprecher im Aufzug des Dortmunder U’s laufen. Eine Talkrunde zu dieser Frage findet als zweiter Event des Festivals am 8. Oktober statt.
Festival-Programm mit sehr bekannten und bisher noch unbekannten Namen
Kati Stüdemann: „Bitte schauen sie genau, wer was gemacht hat.“ Diversität findet nicht nur auf der Bühne oder vor der Kamera statt, sondern auch dahinter, siehe beispielsweise die Gewerke, die man für Veranstaltungen benötigt wie Bühnentechniker:innen, Kameraleute u.a., die hinter den Kulissen komplexe und vielfältige Aufgaben erledigen. À propos „Vielfalt” – da haben wir sie wieder: Die Komplexität und Diversität.
Die Mitarbeitenden des Bildungswerks arbeiten und leben mit einer Vision von Teilhabe und der Chancen-Gerechtigkeit. Sie sehen das als einen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung unserer Stadt und Region.
Die Leitsätze des Festivals „Nullpluseins“ sind: Räume schaffen zum Aushalten und Aushandeln. Gemeinsam Gesellschaft anders denken.
Es werden prominente bzw. überregional bekannte Persönlichkeiten, wie Şeyda Kurt oder Hengameh Yaghoobifarah oder Gianni Jovanivic, präsent sein.
Daneben erleben die Festival-Besucher:innen Personen, die im öffentlichen Bewusstsein (noch) nicht sichtbar sind.
Das sind Sandra Abd’ Allah-Álvarez Ramírez, Sigrid Y. Palacios Castillo, Yüksel Ekinci, Mudjacka Mvunuku oder Cesaire Sielatchom u.v.m.
Im Zeitraum 5. bis 29. Oktober 2021 finden zehn Veranstaltungen statt. Und zwar an Kulturorten, an denen die Expert:innen bisher noch ungesehen sind.
Für die Besucher:innen sind alle Veranstaltungen kostenfrei. Stattdessen wird gebeten, die „Seebrücke Dortmund“ (Träger: gemeinnützige Mensch Mensch Mensch e. V.) mit einer Spende zu unterstützen.
Weitere Informationen:
- Internetseite 0+1 Festival und Programm: hier klicken.
- Instagram: „Living Library“
Hintergrund:
Verbund sozial-kultureller Migrantenvereine Dortmund (VDMO) e. V.
- Der Verbund der sozial-kulturellen Migrantenvereine in Dortmund e. V. (VMDO e. V.) ist Dachverband Dortmunder Migrantenorganisationen und mit dem „Bildungswerk Vielfalt“ Anbieter kultursensibler Erwachsenenbildung.
- Der Verband hat die kulturellen Ressourcen und Synergien von cirka 65 Migrantenorganisationen gebündelt.
- Das „Bildungswerks Vielfalt“ ist ein Anbieter innerhalb der Erwachsenenbildung. Zwar nicht der größte, aber mit Angeboten für eine diverse Gesellschaft im digitalen Zeitalter stellt es an sich den Anspruch, ein „Labor für die Zukunft der Erwachsenenbildung“ zu sein.
- Das Bildungswerk ist anerkannt nach dem NRW Weiterbildungsgesetz.