Verwaltungsgericht kippt Polizei-Entscheidung – Hooligan-Aufmarsch durch östliche und südliche Innenstadt möglich

Gewalttätige Hooligans und Neonazis waren bei der "HoGeSa"-Aktion in Köln dabei. Foto: Marcus Arndt
Gewalttätige Hooligans und Neonazis waren bei der „HoGeSa“-Aktion in Köln dabei. Foto: Marcus Arndt

Dortmund – insbesondere die östliche und südliche Innenstadt – wird sich am kommenden Samstag (8. Oktober 2016) auf einen Aufmarsch von gewaltbereiten Hooligans und Neonazis einstellen müssen. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat die Entscheidung der Dortmunder Polizei kassiert, mit der Polizeipräsident Gregor Lange verfügt hatte, den Aufmarsch in eine Standkundgebung in Bahnhofsnähe umzuwandeln.

Polizeipräsident Lange sucht dieses Mal frühzeitig die Öffentlichkeit

Keinesfalls in Frage käme die Nordseite des Hauptbahnhofs – wegen der Nähe zur Steinwache und dem NSU-Mahnmal: „Wir könnten uns die Bahnhofstraße vorstellen“, sagte Lange, bevor er die Entscheidung des Gerichtes erfuhr.

Anders als noch am 4. Juni sucht Lange dieses Mal gezielt die Öffentlichkeit und lud bereits drei Tage vor dem Einsatz die Medien ein, um über Route und Planungen zu informieren. Im Sommer hatten die Nordstadtblogger den Polizeipräsidenten vor dem Verwaltungsgericht verklagen müssen, weil dieser die betroffenen Stadtteile bzw. die Route nicht publik machen wollte.

Dieses Mal bekommt die Öffentlichkeit die geplante Route „frei Haus“ geliefert: Bei der angemeldeten Strecke handelt es sich um eine Route, die am Parkplatz Südbad starten und durch das Kaiserstraßenviertel bis hin zum Gerichtsplatz führen soll.

Rechts die angemeldete (aber polizeilich nicht bestätigte) Strecke und links der Bereich um die von der Polizei Dortmund verfügte Standkundgebung. Karte: Polizei DO
Rechts die angemeldete (aber polizeilich nicht bestätigte) Strecke und links der Bereich um die von der Polizei Dortmund verfügte Standkundgebung. Karte: Polizei DO

Von 14 bis 20 Uhr soll der Spuk dauern, den der Verein „Gemeinsam Stark Deutschland“ (GSD) abhalten will. Bei GSD handelt es sich um eine Abspaltung der „HoGeSa“-Bewegung („Hooligans gegen Salafisten“).

Der Anmelder, Marcel Kuschela alias „Captain Flubber“, hat gegen die Verfügung der Dortmunder Polizei, aus Sicherheitsgründen statt des angemeldeten Aufzuges eine Standkundgebung in Bahnhofsnähe abzuhalten, juristische Schritte eingeleitet.

Das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen hat am Mittwochnachmittag in erster Instanz die Verfügung der Polizei aufgehoben. Die Dortmunder Polizei wird diese Entscheidung auswerten und die notwendigen taktischen und rechtlichen Schlüsse ziehen.

Lange: „Es besteht ein ausgesprochen hohes, unkalkulierbares Risiko“

Polizei-PK mit Andreas Wien (Leiter Vorbereitungsstab) und Polizeipräsident Gregor Lange.
Andreas Wien (Leiter Vorbereitungsstab) und Polizeipräsident Gregor Lange. Foto: Alex Völkel

„Nach unserer polizeilichen Einschätzung und Bewertung besteht ein ausgesprochen hohes, unkalkulierbares Risiko, die unterschiedlichen gewaltsuchenden Gruppierungen durch Dortmund ziehen zu lassen“, so Gregor Lange nach dem Gerichtsentscheid.

Er halte es nicht für verantwortbar, eine solche Strecke mit dieser Klientel zu gehen. Denn die Polizei geht er von 1000 statt von den 300 angemeldeten TeilnehmerInnen aus. „Wir werden jetzt entscheiden, ob wir beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Beschwerde gegen den Entschluss des Verwaltungsgerichts einlegen.“

Andreas Wien, Leiter des Vorbereitungsstabes, machte die Gefahren nochmals deutlich: „Die suchen die Gewalt und werden die Gelegenheit nutzen.“ Am Einsatztag werde man versuchen, mit konsequenten polizeilichen Maßnahmen sich anbahnende Gewalttätigkeit zu verhindern.

Zahlreiche gewaltsuchende Hooligans werden in Dortmund erwartet

Das Problem: Neben Rechtsextremisten werden auch Hooligans aus den ganzen Bundesgebiet erwartet. Darunter sind viele Hools der „Kategorie C“ (gewaltsuchend). „Zur Event-Kultur gehört für sie, dass man Gewalt nicht nur hinnimmt, sondern dass Gewaltexzesse ausdrücklich dazu gehören.“

Daher sei es sehr wahrscheinlich, dass es zu Ausschreitungen komme:  „Ziel könnte die Polizei sein. Wir müssen darauf achten, dass unsere Leute nicht unter die Räder kommen“, verdeutlichte Lange. Er erinnerte an die hässlichen Szenen aus Köln im Herbst 2014, als Teilnehmer der HoGeSa-Kundgebung dort wüteten.

Es sei aber ebenfalls möglich, dass der politische Gegner ebenso wie Passanten oder Geschäftsleute zum Ziel der Gewalt werden könnten. Eine Gegenkundgebung von „BlockaDO“ wurde für den Zeitraum ab 12 Uhr an der Reinoldikirche angemeldet.

Polizei: „Die Szenarien reichen von schlimm bis nicht ganz so schlimm“

Gewalttätige Hooligans und Neonazis waren bei der „HoGeSa"-Aktion in Köln dabei. Foto: Marcus Arndt
Gewalttätige Hooligans und Neonazis waren bei der „HoGeSa“-Aktion in Köln dabei. Foto: Marcus Arndt

„Bei dieser Klientel reicht nur ein Funke, um die Stimmung in offene Gewalt umschlagen zu lassen“, warnt Lange. Doch mit dieser Gefahrenprognose konnte sich der Dortmunder Polizeipräsident vor dem Verwaltungsgericht nicht durchsetzen.

Alle Vorbereitungsmaßnahmen des polizeilichen Großeinsatzes müssen sich daher weiterhin auf unterschiedliche Szenarien konzentrieren. „Sie reichen von schlimm bis nicht ganz so schlimm“, fasste Wien die Optionen der Polizei zusammen.

Die Dortmunder Polizei wird die Öffentlichkeit so frühzeitig wie möglich informieren, sobald das Verfahren abgeschlossen ist. „Information ist ein Mittel der Sicherheit“, so Lange. Daher wolle die Polizei nicht nur den einzelnen Anwohner über die Absperrungen informieren.

„Es geht auch darum, dass wir mittlerweile eine immer ältere Wohnbevölkerung haben. Die Pflegedienste sollten sich auf mögliche Absperrungen vorbereiten“ – es gehe schließlich um die medizinische Grundversorgung, begründete er erstmals diese Entscheidung.

Polizei schaltet ab Donnerstag wieder ein Infotelefon

Anwohner, Pflegedienste sowie Geschäftsleute und sonstige betroffene Personen werden gebeten, sich fortlaufend über die Medien, das Internet, Facebook oder Twitter zu informieren.

Am Donnerstag und Freitag, jeweils von 10 bis 18 Uhr, sowie am Samstag ab neun Uhr bis zum Einsatzende wird ein Bürgertelefon unter der Rufnummer 0231 – 132 5555 geschaltet sein.

Genaue Angaben zum Standort bzw. der Route wird es erst nach Abschluss der gerichtlichen Auseinandersetzungen geben. Dies kann – das zeigen die Erfahrungen mit Aufmärschen in Dortmund – bis zum Samstag dauern.

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